Originaltitel: Racing Mars
Episodennummer: 4x10
Bewertung:
Erstausstrahlung USA: 21. April 1997
Erstausstrahlung D: 25. Juli 1998
Drehbuch: J. Michael Straczynski
Regie: Jesus Trevino
Hauptdarsteller: Bruce Boxleitner als Captain John Sheridan, Claudia Christian als Commander Susan Ivanova, Jerry Doyle als Security Chief Michael Garibaldi, Mira Furlan als Delenn, Richard Biggs als Doctor Stephen Franklin, Bill Mumy als Lennier, Stephen Furst als Vir Cotto, Jason Carter als Marcus Cole, Jeff Conaway als Zack Allan, Patricia Tallman als Lyta Alexander, Peter Jurasik als Londo, Andreas Katsulas als G'Kar.
Gastdarsteller:
Donovan Scott als Captain Jack,
Marjorie Monaghan als Number One,
Clayton Landey als Number Two,
Jeff Griggs als Dan Randall,
Mark Schneider als Wade,
Geoff Meed als Smuggler #1,
Brian Tahash als Smuggler #2,
Carrie Dobro als Brakiri,
Timothy Starks als Guard u.a.
Kurzinhalt:
Franklin und Marcus sind nach einer strapaziösen zweiwöchigen Reise nun endlich kurz davor, den Mars zu erreichen. Im Frachtbereich jenes Transporters mit dem sie reisen treffen sie dann schließlich auf Captain Jack, ihren Kontakt vom Mars, der sie zur lokalen Widerstandsbewegung führen soll. Doch als sie dort ankommen, begegnen ihnen die Anführer des Widerstands mit Misstrauen, da sie vor einem Anschlag auf ihre Nummer Eins gewarnt wurden. Als dann auch noch die Identität der beiden nicht bestätigt werden kann, droht die Lage zu eskalieren. Währenddessen trifft sich Ivanova auf Babylon 5 mit einigen Schmugglern, um das Versorgungsproblem der Station zu lösen. Sheridan wird von Delenn zu einem weiteren Minbari-Ritual eingeladen. In diesem sollen sie ausgiebig erforschen, was dem jeweils anderen Freude und Lust bereitet. Ehe es soweit ist, unternimmt Sheridan jedoch einen Versuch, das angespannte Verhältnis zu Garibaldi zu kitten. Doch statt die Wogen zu glätten, eskaliert ihr Streit vielmehr – was Garibaldi dazu veranlasst, eine folgenschwere Entscheidung zu treffen…
Denkwürdige Zitate:
"And that's when I shot him, your honor."
(Franklin legt sich schon seine Verteidigung für die Mordanklage bereit.)
"Lyta had a little Vorlon, her skin was pale as snow. And everywhere that Lyta went, the Vorlon was sure to go."
(Das eigenwillige Erkennungssignal des Kontaktmanns vom marsianischen Widerstand.)
"So, who won?"
(Captain Jack fragt seine erstaunten Begleiter, wie der Schattenkrieg ausgegangen ist.)
"Just my luck. The first time in my life I'm a war hero, and nobody knows about it."
(Marcus fühlt sich von Universum wieder einmal unfair behandelt.)
"Woo hoo?"
(Lennier ist über Sheridans Jubelschrei etwas verwundert.)
Review:
Nach dem kurzen Zwischenspiel auf Minbar rückt in "Captain Jack" nun der Kampf gegen Präsident Clark wieder in den Mittelpunkt. Im Zuge dessen wird vor allem auch endlich mal wieder ein Blick auf den Mars geworfen, der ja in einer ähnlichen Lage ist wie Babylon 5, und für seine Unabhängigkeit kämpft. Dementsprechend rücken hier die Widerstandsbemühungen auf dem Roten Planeten nach langer Zeit wieder einmal in den Fokus. Die Folge profitiert dabei – wie schon "Die Hüter des Wissens" vor ihr – enorm von der ungleichen und bisher auch eher ungewöhnlichen Paarung Marcus & Franklin. Die beiden sind einfach nur großartig miteinander, und tragen mit ihrem amüsanten Geplänkel viel zum Unterhaltungswert der Folge bei. Das Zusammenspiel zwischen Richard Biggs und Jason Carter ist einfach nur wunderbar, die beiden ergänzen sich vor der Kamera absolut perfekt, und es macht deutlich, wie viel Spaß sie gemeinsam hatten. Jedenfalls war die Dynamik zwischen den beiden eine der zentralen Stärken der Episode, von der diese in meinen Augen enorm profitierte.
Nicht ganz so gelungen, aber immer noch nett, ist alles rund um Captain Jack. Am positivsten finde ich daran wohl, dass wir hier wieder einmal einen Keeper zu Gesicht bekommen, und unser Wissen über diese Wesen und ihre Fähigkeiten erneut vertieft wird. Damit verband man diesen Handlungsstrang auch schön mit dem großen Ganzen, bzw. auch mit dem Krieg gegen die Schatten (und ihre Verbündete). Der dramatische Ausgang des Geschehens war dann grundsätzlich auch sehr gut inszeniert (und mit der Explosion in der Röhre auch anständig getrickst), die – vermeintlich – gewünschte emotionale Wirkung verfehlte es bei mir allerdings; wohl auch, da wir mit Captain Jack letztendlich doch ein bisschen zu wenig Zeit verbracht haben, um so wirklich mit ihm mitzufühlen. Gut fand ich allerdings die Offenbarung, dass man auf dem Mars vom Krieg gegen die Schatten gar nichts mitbekommen hat. Denn irgendwie macht man Sheridan & Co. damit zu tragischen Helden, da einem Großteil der Bevölkerung auf der Erde und dem Mars gar nicht bewusst ist, dass sie praktisch die gesamte Galaxis gerettet haben. Wovon die Episode ebenfalls profitiert, sind die zahlreichen parallel verlaufenden Nebenhandlungen, welche die Folge einerseits sehr abwechslungsreich machen und andererseits teilweise ebenfalls einiges zur humoristischen Auflockerung beitragen, wie z.B. Ivanovas Gespräch mit den Schmugglern, oder auch das Minbari-Ritual zur gegenseitigen Erforschung der Lustzentren (was in der deutschen Synchronfassung ja leider ziemlich abgeschwächt wurde). Vor allem die Szene im Fahrstuhl zwischen Sheridan und Lennier war einfach nur köstlich.
Trotz des hohen Humoranteils gibt es bei "Captain Jack" aber durchaus auch ernstere Momente. Neben dessen Tod stechen in erster Linie die gemeinsamen Szenen von Garibaldi und Sheridan heraus, wo letzterer einen Schritt zur Versöhnung übernimmt, und dies letztendlich erst recht dazu führt, dass ihr Streit eskaliert. Was mir dabei so besonders gut gefällt ist, dass zwar deutlich wird, dass mit Garibaldi etwas nicht stimmt, er in der Sache aber durchaus recht hat. Natürlich ist um Sheridan – gerade auch nach seiner Rückkehr von Z'ha'dum bzw. von den Toten – eine Art Personenkult gestartet, den er ja auch ausgenutzt hat, um die Völker hinter sich im Kampf gegen die Schatten und die Vorlonen zu vereinen. Selbst Jason bezeichnete ihn in "Der Alleingang" ja schon als Nexus. Insofern ist an Garibaldis Worten durchaus etwas Wahres dran. Hier zeigt sich wieder einmal eine der wesentlichen Stärken von "Babylon 5", nämlich der Verzicht auf eine klare Schwarz/Weiß-Zeichnung. Und die Tatsache, dass Garibaldi grundsätzlich ja nicht unrecht macht, lässt ihren Konflikt auch deutlich plausibler und nachvollziehbarer erscheinen, als so manchen konstruierten Streit bei anderen Serien. Last but not least tut es einem als Zuschauer, der beide Figuren schätzt, natürlich auch irgendwie weh, zu sehen, wie sie sich hier langsam aber sicher entzweien. Und man beginnt sich bei der Erstsichtung – gerade auch angesichts der Szenen mit Wade – unweigerlich zu fragen, wo dies noch hinführen wird…
Fazit:
"Captain Jack" war dank gleich dreier paralleler Handlungsstränge sehr abwechslungsreich. Auf dem Mars gab es einiges an Spannung, mit dem geheimnisvollen Captain Jack, der sich schließlich als unfreiwilliger Verräter entpuppt. Damit bekamen wir nicht nur den mysteriösen Wächter zum dritten Mal zu Gesicht, sondern erfuhren auch wieder ein bisschen mehr über dessen Funktionsweise. Der Ausgang dieser Handlung war dann durchaus dramatisch, mit Captain Jack, der sich gerade noch rechtzeitig opfert ehe der Wächter wieder von ihm Besitz ergreifen konnte. Wirklich packen oder gar berührend konnte mich diese Szene indes leider nicht. In erster Linie profitierte die Handlung auf dem Mars für mich somit vom gelungenen Zusammenspiel zwischen Dr. Franklin und Marcus, dass für einige amüsante Momente sorgte. Gut gefallen hat mir auch, wie die Geschichte rund um das angespannte Verhältnis zwischen Sheridan und Garibaldi fortgeführt wird, deren Auseinandersetzung hier nun vorläufig eskaliert. Besonders gut gefiel mir dabei, dass Garibaldi in der Sache ja nicht Unrecht hat – was den Streit zwischen den beiden glaubwürdiger und nachvollziehbarer macht. Und generell tut es einem irgendwie weh, zu sehen, wie Garibaldi und Sheridan, die man grundsätzlich ja beide schätzt, hier derart aneinandergeraten. Für den nötigen Humor sorgen dann schließlich Ivanovas Treffen mit den Piraten, sowie das minbarische Lust-Ritual, welches im englischen Original mit "Woo Hoo" auch einen wunderschönen – humoristischen! – Höhepunkt findet, der in der deutschen Synchronfassung leider eher verloren geht. Insgesamt ist "Captain Jack" zwar sicherlich eher damit beschäftigt, spätere Entwicklungen vorzubereiten, aufgrund der abwechslungsreichen Handlung und den zahlreichen amüsanten Momenten hat mich die Episode aber trotzdem gut unterhalten.
Wertung: 3.5 von 5 Punkten
Christian Siegel
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Vom Skript zur Folge:
Die kurzen Szenen rund um Ivanova und das Ritual der Drazi sind im Drehbuch nicht enthalten.
Von Kleinigkeiten abgesehen (so fehlt eine Mini-Szene, als Franklin mit den Worten "Es ist manchmal ganz hilfreich, ein Arzt zu sein" offenbart, dass er die Nachricht von Sheridan in seinem Körper geschmuggelt hat; und das letzte Gespräch mit Captain Jack wurde im Drehbuch noch von Nummer zwei geführt) sind mir keine Unterschiede zwischen dem Drehbuch und der fertigen Folge aufgefallen.
Quelle: "Babylon 5: The Scripts of J. Michael Straczynski - Volume 9"
Stimmen zur Episode:
Bruce Boxleitner über Sheridans Auseinandersetzung mit Garibaldi: „An dieser Stelle wurden die Dinge wirklich interessant, denke ich. Garibaldi war Sinclairs guter Kumpel, und als ich kann, war da dieses "Vertraue ich dir, oder vertraue ich dir nicht?". Dann wurden wir Kameraden und hatten eine wirklich gute Beziehung zueinander. Joe sieht das, und plötzlich nehmen die Dinge einen Judas-artigen Lauf. Plötzlich geraten sie aneinander. Joe bringt dich immer zuerst in die eine Richtung, und dann verschlägt es dich auf einmal in die entgegengesetzte Richtung. Es ist nett, diese Beziehung zu nehmen und sie zunichte zu machen, sie umzudrehen, so dass sie nun Gegenspieler sind. Es ist fast eine Art Zank unter Liebenden; zwei gute Freunde, die von dem was vor sich geht sehr verletzt sind.”
Jerry Doyle über die Szene, wo Garibaldi Sheridan eine verpasst: „Ich mochte es, diese Szene zu spielen. Bruce ist ein guter Freund, und wir verbringen viel Zeit zusammen, und spielen gemeinsam Tennis. Es herrscht eine freundschaftliche Rivalität zwischen uns, und wir greifen auf diese Rivalität zurück wenn wir uns gegenseitig necken und aufeinander losgehen. Das war jedoch ein anderes Level. Du lässt dich darauf ein, und du konzentrierst dich ganz genau darauf, was der andere sagt. Du starrst dir gegenseitig in die Augen, und der Tennis-Kumpel, der Makeup-Wohnwagen-Kumpel, beginnt wegzufallen, und die Worte beginnen ins Bewusstsein vorzudringen und du erreichst diesen Punkt. Während der gesamten Szene dachte ich "Ich hoffe ich treffe ihn nicht wenn ich ihn schlagen soll", das wäre sonst "Oh mein Gott!".”
Richard Biggs über das Zusammenspiel mit Jason Carter: „Ich glaube Joe ist sehr gut darin, uns dabei zu beobachten, wenn wir Mittagessen gehen. Wenn wir herumsitzen und auf die nächste Szene warten, sieht er Persönlichkeiten die auch auf der Bühne interessant sein könnten, und bei Jason und mir hat es einfach Klick gemacht. Wir sind beide ein bisschen überdreht, und wir stacheln uns gegenseitig auf. Die Figuren hingegen sind grundverschieden: Ein realitätsbezogener, intellektueller Doktor und dieser sehr physische Typ von Kerl. Marcus ist sehr spirituell und unschuldig, aber er kann sich auch behaupten; er ist die Gefahr gewohnt. Es sind daher zwei Gegensätzlichkeiten, und das harmoniert einfach hervorragend.”
Jason Carter über die Paarung Franklin/Marcus: „Es ist eine interessante Paarung. Wir kommen von zwei fast entgegengesetzten Standpunkten in der Art wie die beiden Figuren die Welt betrachten. Franklin ist sehr pragmatisch und methodisch und geordnet, und ich würde sagen dass Marcus dynamischer und unberechenbarer ist, mit einer intuitiven Energie die plötzlich in eine Richtung ausschlägt. Er spielt "Ich seh ich seh" (Anm.: Auf Englisch heißt das Spiel "I Spy") mit Franklin. Franklin dreht sich um und Markus ist auf einmal verschwunden. Bang! Da war Gefahr, und als nächstes siehst du, wie er mit Captain Jack, den er in Schach hält, um die Ecke kommt. Er ist immer lebendig, und der Rest ist nur Show. Auch wenn er spielt ist er nie abgelenkt.”
Regisseur Jesús Trevino über die Episode: „In diesem bestimmten Fall lag der Schlüssel zum Erfolg wohl beim Casting. Der Gentleman den wir bekamen um Captain Jack zu spielen war einfach ein sehr witziger Schauspieler, und er verstand was seine Rolle war, und er konnte von dort aus auch zur dunkleren Seite gehen, als er sich selbst in die Luft sprengt. Zweifelsohne, wenn du jemanden wie ihn hast, wirkt es ansteckend, und du kannst den Humor schön mitnehmen. Es gab einen Moment wo Jason seine Zeilen so las als wäre er jemand aus Monty Python, und die gesamte Crew brach in Gelächter aus. Es war die Art von Sache wo ich es geliebt hätte sagen zu können "Komm schon, Joe, lass uns das wirklich machen.", weil wir einfach wissen dass alle B5-Fans es kapieren würden. Aber zugleich ist das die Stelle wo du nicht willst, dass die Leute aus der Geschichte herausgerissen werden die du zu erzählen versuchst, denn dann würdest du die vierte Wand einreißen, und damit auch die Aussetzung der Ungläubigkeit. Jedenfalls kann er sehr witzig sein.”
Quelle: "Babylon 5: Season by Season-Guides - Volume 4: No Surrender, No Retreat"
Kommentare von JMS
Wenn du dir die Serie genau ansiehst, wirst du an dieser Stelle bemerken, dass immer mehr aus meinem damaligen Leben in die Drehbücher kam, auf eine Art und Weise derer nicht mal ich mir immer bewusst war. Ich denke, da war vielleicht ein Teil von mir der hoffte, dass jemand reinkommen und sagen würde "Okay, Joe, nimm dir die Woche frei, und wir kümmern uns für dich um alles.", wie Ivanova dies hier bei Sheridan macht. Wenn du dir die komplette vierte Staffel hintereinander anschaust, ist einer der immer wieder auftretenden Fäden die dir auffallen werden jener, dass niemand jemals Schlaf bekommt. Sie wachen alle mitten in der Nacht auf, oder stehen früh auf, oder es klopft jemand an ihre Tür. Jeder lamentiert ständig "Warum kann ich hier nicht eine Nacht mal durchschlafen?", was genau mein Klagelied während der gesamten vierten Staffel war. "Ich will einfach nur eine Nacht in Ruhe schlafen." Es steckt also viel von mir darin, und wenn ich es bemerke, nehme ich es heraus. Aber manchmal bin ich mir dessen nicht einmal bewusst bis jemand sagt "Ist dir aufgefallen, was du da machst?" und ich erwidere "Oh, shit!".
In Bezug auf die Marsianer, die nichts über den Schattenkrieg wissen:
Das ist auch eine sehr subtile – fast so subtil dass es vermutlich gar nicht mehr ankommt – Anspielung auf die amerikanische Kurzsichtigkeit. Jason Carter pflegte, darüber Witze zu machen, in dem er seine Version der Abendnachrichten einsprach, so in der Art: "Heute gab es ein großes Problem in Deutschland, aber es waren keine Amerikaner involviert, also weiter im Text…" Wenn wir nicht persönlich involviert sind, kümmert es uns recht wenig. Und da der Mars dicht direkt involviert war, kümmerte es auch sie kaum.
Wann immer etwas wie das Minbari-Lustritual oder Londo's Genitalien aufkommt, möchte ich gar nicht wissen, woher ich das eigentlich nehme. Dann würde ich nämlich jenen Teil von mir konfrontieren, der sich dieses Zeug tatsächlich ausdenkt. Ich will's lieber gar nicht wissen. Deshalb verschließe ich vor dem Minbari-Ritual des Entzückens auch meine Augen. Gelegentlich hat mein Hirn einen Infarkt, und ich schau mir das Ergebnis an und denke dann "Du hast ja völlig den Verstand verloren!" Andererseits ergibt es in gewisser Weise aber auch Sinn. Es gibt in manchen Kulturen ähnliche Rituale. So musste ich z.B. als ich mal in Großbritannien war das Zimmer wechseln, da es eine Hochzeit im Hotel gab und es da diese Tradition gab, dass die Mutter der Braut im Zimmer unter jenem der Tochter schlafen muss – etwas, dass ich zuvor noch nie gehört hatte. Gott allein weiß, was sie im Stockwerk darunter hören würde, aber anscheinend ist das etwas, dass wirklich gepflegt wird, und ich dachte mir "Nun, das ist irgendwie minbarisch von ihnen." Das Ritual selbst mag zwar davon noch einmal überzeichnet sein, aber man könnte es fast argumentativ begründen, und ich dachte mir "Lasst uns Sheridan mal ein wenig in Verlegenheit bringen", da er damit nicht so gut umgegangen ist, wie er das vielleicht hätte tun können.
Quelle: "Babylon 5: Season by Season-Guides - Volume 4: No Surrender, No Retreat"
Einer der soziologischen Kaninchenpfade der ich in dieser Episode gefolgt bin betrifft die Rolle von Dr. Franklin und Marcus die als gleichgeschlechtliches verheiratetes Paar Undercover gehen, und der vermutlich wichtigste Aspekte dieser Story ist das, was wir nicht machen: Wir machen keine große Sache daraus. Meine Theorie dahinter war das wenn wir auf Außerirdische treffen deren Formen, Präferenzen und Physiologien sich tiefgehend von unseren unterscheiden, die Differenzen zwischen uns Menschen nicht mehr ganz so krass erscheinen werden. Wenn du neben etwas grünem mit sechs armen, sieben Beinen und zwei Köpfen stehst, mit seinen drei Puppen-Partnern und der Heiligen Schrift über den geheiligten Galaxienfresser Jar-bxxlpf, wird die Tatsache dass du neben einem Menschen stehst der eine andere Haarfarbe oder sexuelle Orientierung hat keine Herausforderung, sondern vielmehr auf einmal Komfort und Trost sein. Was nicht heißen soll dass wir unsere Vorurteile aufgeben, sondern nur, dass wir bessere Ziele haben auf die wir mit ihnen zielen können. Je bizarrer die sind, desto lockerer ist die Definition dessen, was wir als uns akzeptieren können.
Im Falle von Franklin und Marcus als frisch verheiratetes Paar, wird diese Tatsache somit von niemandem groß erwähnt. Niemand denkt dass es auch nur irgendwie seltsam wäre. Was eben genau der Sinn der Übung war. Nun, das uns Richard und Jason in eine amüsante Situation zu bringen, welche sie beide immens genossen. Sie umarmten diese Rollen förmlich. Und auch sich gegenseitig. Was auch der Grund ist warum es einige Outtakes von dieser Episode gibt die nie das Licht der Welt erblickten, und das aus gutem Grund.
Die subtile soziologische Pointe bezüglich Franklin und Marcus resultiere in keinerlei Art von Aufschrei oder Protest. Nicht so der eine Satz von dem ich dachte, dass ihn ohnehin niemand bemerken würde, und zu dem ich bis zum heutigen Tag Beschwerde-Emails erhalte. Und nicht nur eine Handvoll E-Mails oder Briefe mit Beschwerden, ich rede hier über die meisten Beschwerden von jedem einzelnen Story-Vorfall in der langen Geschichte von "Babylon 5". Nämlich jener Satz, wo Garibaldi den Papst als weiblich identifiziert. Der Grad an schierer Entrüstung und Ärger die durch diesen einen Satz ausgelöst wurde erstaunt mich bis heute, und führte zu Anschuldigungen dass ich die katholische Kirche verhöhnen würde, dass es sich um regelrechte Ketzerei handeln würde, eine Beleidigung des Papstes und jedes lebenden Katholiken… was in keinster Weise beabsichtigt war. Es war eine zeitgeschichtliche Spekulation, keine theologische. Mit diesem Sachverhalt als Hintergrund, lasst mich erklären was zu diesem Satz führte, und warum ich hinter ihm stand und immer noch stehe.
Jede Kirche die Veränderungen überleben will, passt sich ändernden Umständen an, und trotz gegenteiliger Behauptungen, gilt das auch für die katholische Kirche. Während ich dies schreibe, zum Beispiel, ist es Priestern nicht erlaubt, zu heiraten. Aber das war nicht immer so. Bis ins tiefste Mittelalter heirateten Priester und hatten Kinder, so wie alle anderen auch. Dies änderte sich jedoch, als die erwachsenen Erben der Priester Ansprüche auf jenes Land stellten auf dem die jeweilige Kirche gebaut war, die üblicherweise auch ihr zu Hause darstellte. Land, dass die Kirche als ihr Eigentum beanspruchte. Daher die neue Regel, denn keine Heirat bedeutet zugleich keine Erben. Es ist in der heutigen katholischen Kirche zudem Doktrin, dass Frauen nicht als Priester vereidigt werden können. Aber auch hierzu gibt es historische Widersprüche. Als die Pest Europa heimsuchte, war jene Klasse die am schwersten betroffen war der Klerus, die eng mit den Opfern arbeiteten um dabei zu helfen, ihr Leid zu lindern. Nach einer Zeit waren ihre Reihen derart dezimiert, dass sie gar keine andere Wahl hatten als Frauen als Priester zu vereidigen, um die Lücken zu füllen. In Kirchendokumenten aus dem fünften Jahrhundert finden sich sogar Beispiele von weiblichen Dekanen in der katholischen Kirche. Angesichts der Tatsache, dass sich die Regeln von Doktrinen sehr wohl verändern können, und es einen gewissen Spielraum gibt, was den Kontext und die historischen Umstände betrifft, blickte ich ein bisschen die Straße entlang und erkannte diese Möglichkeit.
Beim zweiten vatikanischen Konzil kündigte die katholische Kirche ihren Wunsch an, einen Weg zu finden um sich mit der orthodoxen, der anglikanischen und protestantischen Kirche zu versöhnen und wieder zu vereinen. Was alles schön und gut ist, ehe man sich daran erinnert dass die letzteren beiden die Priesterweihe von Frauen erlauben. Basierend auf der Annahme, dass im Verlauf der nächsten zweihundert Jahre ein solcher Zusammenschluss tatsächlich stattfinden sollte, und in der weiteren Annahme dass weder die Anglikaner noch die Protestanten ihre Priesterinnen hinauswerfen werden, und in Anbetracht früherer Flexibilität betreffend einiger dieser Themen, gibt es da die Möglichkeit, so gering sie auch sein mag, dass ein Kompromiss erreicht wird der es diesen Priesterinnen, und auch der Weihe von Frauen als Priestern, erlauben würde, in der neu strukturierten katholischen Kirche aufzugehen? Die Antwort, in meinen Augen, war ja, es ist möglich. Und wenn das möglich ist, dann wird die Idee eines weiblichen Papstes zumindest aus theoretischer Sicht vorstellbar. Heißt nicht, dass es auch wahrscheinlich ist. Und auch nicht, dass es passieren wird. Lediglich, dass es möglich ist, und dementsprechend eine ebenso zulässige Spekulation wie die etwaige Entwicklung von Sprungtoren. Unwahrscheinlich, natürlich, aber möglich. Aus diesem Grund, und diesem Grund allein, endete dieser Satz in diesem Drehbuch. Und das ist auch der Grund, warum ich immer noch zu ihm stehe. Da, ich bin froh, dass wir das zwischen uns endlich klären konnten. Wieder Freunde? Gut…
Das Gute daran, ein – im wesentlichen – Fortsetzungs-Drama zu schreiben ist, dass du von Zeit zu Zeit diese riesigen, ausufernden Episoden schreiben kannst, die sich mit Ereignissen befassen die die über Wochen, Monate oder gar Jahre hinweg vorbereitet hast. Große, aufregende Geschichten, deren Konsequenzen die Gestalt der Welt für immer verändern. Aber um diese Episoden haben zu können, musst du von Zeit zu Zeit auch eine Folge schreiben die keinem anderen irdischen Zweck dient, als damit anzufangen, deine Figuren so zu positionieren dass du sie von Punkt A nach Punkt B bringen kannst, wo dann das ganze coole Zeugs an einem späteren Zeitpunkt in unserer Geschichte stattfinden wird. Nicht Platzhalter-Episoden, wo nichts passiert, aber eher "Möbelrück"-Episoden.
"Captain Jack" ist genau so ein Fall. Ich vermute, wäre ich ein besserer Autor gewesen, wäre es mir gelungen, das Schweineohr "Captain Jack" in eine Seidentasche verwandeln können, und hätte es geschafft, die Geschichte irgendwie zu anzuheben, und sie über mehr zu machen als darüber, worüber sie tatsächlich ist… was nicht viel ist… aber das war ich nicht, konnte ich nicht, und da sind wir nun. Was nicht heißen soll dass sie eine schlechte Episode ist, es gibt ein paar nette Momente darin, ein paar Szenen die ich ziemlich genieße, aber das Ganze ist irgendwie eher weniger als die Summe seiner Teile.
Quelle: "Babylon 5: The Scripts of J. Michael Straczynski - Volume 9"
Zusammengestellt und übersetzt von Christian Siegel
(Bilder © Warner Bros.)
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