Originaltitel: Signs and Portents
Episodennummer: 1x13
Bewertung:
Erstausstrahlung USA: 18.05.1994
Erstausstrahlung D: 29.12.1995 (Pro7)
Drehbuch: J. Michael Straczynski
Regie: Janet Greek
Hauptdarsteller: Michael O'Hare als Cmdr. Jeffrey Sinclair,
Claudia Christian als Lt. Comdr. S. Ivanova, Jerry Doyle als Michael
Garibaldi, Mira Furlan als Delenn, Andrea Thompson als Talia
Winters, Stephen Furst als Vir Cotto, Bill Mumy als Lennier, Andreas Katsulas als G'Kar, Peter Jurasik als Londo Mollari
Gastdarsteller: Ed Wasser als Morden, Fredi Olster als Lady Ladira, Garrit Graham als Lord Kiro
Denkwürdige Zitate:
„You really want to know what I want? You really want to know the truth? I want my people to reclaim their rightful place in the galaxy. I want to see the Centauri stretch forth their hand again, and command the stars. I want a rebirth of glory. A renaissance of power. I want to stop running through my life like a man late for an appointment, afraid to look back, or to look forward. I want us to be what we used to be! I want… I want it all back, the way that it was! Does that answer your question?“
(Wenn er nur wüsste...)
Kurzinhalt:
Ein geheimnisvoller Mann namens Morden kommt auf die Station Babylon 5. Fast allen außerirdischen Botschaftern stellt er die gleiche Frage: "Was wollen Sie?". Während G'Kars Antwort ihn nicht zufrieden zu stellen scheint und Delenn ihn entrüstet ihres Quartiers verweist, scheint er bei Londo genau das zu finden was er gesucht hat. Der Centauri-Botschafter ist unterdessen aber eigentlich mit ganz anderen Dingen beschäftigt: Es ist ihm endlich gelungen, das Auge, eine der wichtigsten Artefakte der Centauri-Republik, wieder zu beschaffen. Nun kommt Lord Kiro an Bord, um das Auge wieder nach Centauri Prime zurückzubringen. Begleitet wird er von seiner Tante, Lady Ladira, eine Seherin. Gleich nach ihrer Ankunft hat sie starke Visionen von der Zerstörung der Station. Ihr Sohn gibt darauf allerdings nicht viel – hat sie ihm nicht auch einst offenbart, er würde von Schatten getötet werden? Eine lächerliche Vorstellung…
Währenddessen plagt sich der Kommandostab von Babylon 5 mit den immer häufiger auftretenden Angriffen der Raiders auseinander. Um den Fortbestand von Babylon 5 nicht zu gefährden, muss ihnen Einhalt geboten werden; denn wenn es ihnen nicht gelingt, den Transportern sicheres Geleit zur Station zu gewährleisten, werden schon bald keine Schiffe mehr kommen. Als wieder ein nahegelegener Frachter einen Hilferuf schickt, sendet Sinclair Lt. Commander Ivanova aus, um die Angreifer zu stoppen. Doch schon bald hat er den Verdacht, dass es sich dabei um ein Ablenkungsmanöver handelt. Und tatsächlich: nur kurz darauf springt das Basisschiff der Raiders in den Sektor von Babylon 5, und schickt seine Kampfflieger in Richtung der Station.
Erwähnenswerte Synchro-Fehler:
Koshs Kommentar an Morden ist im Original deutlich mysteriöser. Dort sagt er:
„Leave this place, they are not for you. Go. Leave. Now!“ Dies wirft die Frage auf, wen er wohl mit „they“ meint? Die Synchro hat diesen Satz jedoch leider wieder sehr verallgemeinert übersetzt, und dadurch diese interessante Anspielung verloren:
„Verlassen Sie diesen Ort, hier haben Sie nichts zu suchen. Gehen Sie. Gehen Sie. Sofort!“
Review:
"Visionen des Schreckens" ist eine der besten und vor allem wichtigsten Episoden der 1. Staffel (nicht umsonst ist ihr Titel ident mit dem staffelübergreifenden Titel, den JMS Season 1 gegeben hat) – auch wenn einem das beim ersten Ansehen vielleicht noch gar nicht so recht bewusst wird. Andererseits… ich erinnere mich noch gut daran, als ich die Folge zum ersten Mal sah, und auch wenn ich noch keine Ahnung hatte wo das alles einmal hinführen würde, war mir irgendwie bewusst, dass hier etwas wichtiges und großes vorbereitet wurde – und das die wahre Bedeutung der Handlung nicht in der A-Story rund um den Angriff der Raiders liegt, sondern in der völlig unscheinbaren Handlung im Hintergrund, rund um den Besuch eines mysteriösen Mannes, seiner Frage an die Botschafter, und seinen Gefallen an Londo. Insofern vermittelte zumindest mir diese Folge von vornherein das Gefühl von Veränderung, von großen und vermutlich schrecklichen Ereignissen, die hier langsam ins Rollen geraten. Für damalige Verhältnisse eine sehr ungewöhnliche Vorgehensweise in der TV-Landschaft, aber mir gefiel's, einfach da mir von vornherein bewusst war dass wir Mr. Morden und die Schatten nicht zum letzten Mal gesehen haben.
An dieser Stelle lohnt sich vielleicht ein kleiner Diskurs: Wie in diesen Reviews schon des öfteren erwähnt, habe ich "Babylon 5" zum ersten Mal während der Erstausstrahlung auf Pro 7 gesehen. Aber… ich hatte damals noch kein Internet, las keine Science Fiction-Magazine… kurz und gut: Ich hatte keine Ahnung davon, was JMS hier beabsichtigt hatte, und dass diese Serie im Prinzip eine groß angelegte, 5 Staffeln umspannende Geschichte erzählen würde. Wer sich die Serie heute zum ersten Mal ansieht, ist dich dieser Tatsache bewusst, doch ich war damals völlig ahnungslos. Das höchste der Gefühle, dass ich damals kannte, waren Doppelfolgen, und ganz hin und weg war ich als man tatsächlich in einer späteren Folge mal auf etwas von früher verifiziert hatte, wie das z.B. bei TNG beim Konflikt im klingonischen Reich gelegentlich passierte. Ich erwähne dies nur um zu verdeutlichen, wie erstaunt und auch begeistert ich war, hier eine Serie vor mir zu haben, die sich nicht davor scheut in einer Folge mal langsam im Hintergrund ganz offensichtlich für den weiteren Verlauf der Handlung wichtige Personen, Rassen und Ereignisse einzuführen. Nach dem gelungenen Köder rund um Sinclairs verlorene 24-Stunden in der letzten Schlacht des Erd-Minbari-Krieges und gelegentlichen Kleinigkeiten wie z.B. Londo's Bezugnahme auf den Ragesh 3-Konflikt in "Mit allen Mitteln" war das der nächste große Hinweis darauf, dass "Babylon 5" anders sein würde. Und so wurde ich von Folge zu Folge und Stückchen für Stückchen zu einem immer größeren Fan.
Doch zurück zur Episode an sich: Nach etwas ruhigeren Folgen lässt man es in "Visionen des Schreckens" wieder ordentlich krachen. Die Kampfszenen im Weltraum sind wieder einmal sehr gelungen in Szenen gesetzt. Sie sind spannend, dynamisch, und überzeugen vor allem damit, dass nicht einfach wild drauf losgeballert wird, sondern Taktik eine große Rolle spielt (auch wenn in der Synchro einiges dadurch verloren geht, dass Sinclair Ivanova fragt wo sie ist, wodurch man den Eindruck bekommt es wäre reines Glück gewesen, dass sie just zu diesem Zeitpunkt mit ihrer Geschwaderstaffel aus dem Hyperraum kam, um die Raiders in die Zange zu nehmen). Im Vergleich zu dem, was wir in späteren Staffeln zu sehen bekommen, sind sie zwar noch nicht besonders spektakulär, nichtsdestotrotz war es die bis dato größte und längste Raumschlacht, die wir zu sehen bekamen. Und zumindest ich für meinen Teil war damals durchaus begeistert.
Tatsächlich versucht diese "laute" und actionreiche Handlung aber natürlich nur, von den eigentlich wichtigen Aspekten von "Visionen des Schreckens" abzulenken: Mr. Mordens Ankunft auf der Station und seine unschuldig klingende Frage an alle außerirdischen Botschafter: "Was wollen Sie?" Genau das gleiche fragt sich der Zuschauer unweigerlich bezüglich Morden – was will er? Und obwohl er immer freundlich und höflich ist kann man sich des Eindrucks doch nicht erwehren, dass er längst nicht dieser sympathische Kerl ist als der er sich gibt. Irgendwie scheint im Hintergrund etwas böses zu lauern, auch wenn man sich noch nicht wirklich erklären kann, woher dieses Gefühl kommt. Eine wirklich grandiose Leistung von Ed Wasser, der hier Subtilität gegenüber overacting den Vorzug gibt und seine Figur bewusst undurchschaubar anlegt. Das Ende deutet schließlich an, dass er mit einer großen Macht in Verbindung steht – nur was will sie von Londo? Was ist passiert, als Morden und Kosh aufeinander trafen? Und ganz aufmerksame Zuschauer mögen sich zudem die Frage stellen: Warum stattet Morden Sinclair keinen Besuch ab? Hier werden wieder einmal viele Fragen aufgeworfen, welche sofort mein Interesse geweckt haben.
Möglicherweise der interessanteste Handlungsstrang in dieser Episode ist jedoch jener rund um Londo und das Auge – weniger wegen dem Centauri-Relikt an sich, sondern aufgrund von Seherin Ladira und ihren Visionen. Auch wenn man nicht wirklich davon ausgeht, dass die Station durch die Raiders zerstört wird, so tragen diese düsteren Visionen doch einiges zur Spannung der Episode bei. Ladira's Visionen bekommen auch dadurch große Wirkung verliehen, dass sich jene über ihren Neffen, die von ihm immer als Humbug abgetan wurde, letztendlich doch noch bewahrheiten sollte. Die entsprechende Szene ist übrigens wirklich genial inszeniert, mit dem Raidersschiff in der Kaffeetasse, und wie Ladira sie schließlich fallen lässt. Wohl der erste Moment der Serie, in der "Babylon 5" durch eine etwas ausgefeiltere Inszenierung aufgefallen ist. Jedenfalls… dadurch, dass sie mit dieser so lächerlich klingenden Vision recht behalten sollte, bekommt auch ihre düstere Zukunftsaussicht bezüglich der Station an Gewicht. Es ist nur ein kleiner Ausblick, den sie Sinclair und dem Zuschauer gönnt, und trotzdem lief mir dabei ein kalter Schauer auf den Rücken. Wird es tatsächlich dazu kommen, wird die Station zerstört werden? Wenn ja, wie wird es passieren, wer ist dafür verantwortlich? Wer ist in dem Shuttle, das gerade noch so entkommt? Und trotz aller "Visionen des Schreckens" endet die Episode mit der Hoffnung, dass dieses düstere Schicksal doch noch abgewendet werden kann…
Fazit:
Im Gegensatz zu "Gefangen im Cybernetz", wo der Bezug zum Handlungsrahmen für jeden klar ersichtlich war und im Zentrum der Handlung stand, wählt JMS hier einen deutlich subtileren Weg: In den Mittelpunkt des Geschehens rückt er einen eigentlich belanglosen Angriff der Raiders, während der wirklich wichtige Teil der Geschichte rund um Mr. Morden's Besuch und Ladira's Visionen möglichst unauffällig im Hintergrund abgehandelt wird. Und trotzdem kann man sich irgendwie des Eindrucks nicht erwehren, dass hier Dinge in Bewegung geraten sind, die noch große Auswirkungen auf die Geschichte und die Figuren haben werden. Alles in allem eine tolle Folge, die wieder einige neue interessante Fragen und Köder aufwirft, und viele wichtige zukünftige Entwicklungen einleitet…
Wertung: 4.5 von 5 Punkten
Christian Siegel
Produktionsnotizen:
Vom Skript zur Folge:
Das Drehbuch und die fertige Episode sind praktisch identisch, nur eine kleine Änderung gibt es: Im Drehbuch wird noch während dem Kampf zwischen den Raiders und der Station offenbart, dass Lord Kiro mit ihnen im Bunde stand, während man sich das in der Folge dann bis zum Schluss aufgehoben hat. Davon abgesehen steht im Drehbuch genau das, was auch in der Folge zu sehen ist.
„Quelle: „Babylon 5: The Scripts of J. Michael Straczynski - Volume 2”
Hintergründe zur Produktion der Episode:
Während der Dreharbeiten dieser Szene gab es in der Gegend von Los Angeles ein schwerer Erdbeben. Mehr dazu findet ihr weiter unten im Bereich "Kommentare von JMS".
Das sagen die Schauspieler und und die Regisseurin:
Peter Jurasik über seine Figur: „Sein Herz und seine Seele stecken an diesem Ort fest der verbittert und verärgert und unglücklich ist, mit seiner Position und seinem Platz, sowohl privat als auch politisch. Londo ist sehr politisch. Er hat eine persönliche Seite und eine politische Seite, und beide sind in der gleichen Unzufriedenheit gefangen, diesem "Meine Leute bekommen nicht das was sie verdienen", und als es endlich aus ihm herausbricht ist das ein Schlüsselmoment. Es ist für die Figur auch sehr befreiend. Eben das macht ihn für Morden zur perfekten Person, um sich mit ihr zu verbünden. “
Regisseurin Janet Greek über die Visionen von Ladira: „All die Schauspielerinnen die vorsprachen wurden, wenn sie die Trance spielten, völlig hysterisch, und das war nicht was die Produzenten wollten; sie wollten es deutlich subtiler. Als ich es dann drehte, entschieden wir also dass eine Veränderung beim Licht nicht angemessen war, da dies ja nur ihr passierte; es war nur ihre Realität. Deshalb haben wir es sehr zurückgenommen, und ich denke dass es so nicht am effektivsten war. Wir hätten mehr auf das Spektakel gehen und eine größere Performance zeigen sollen.“
Claudia Christian über die "Im All ist es immer dunkel"-Szene: „Ich habe darüber viel nachgedacht. Es fügt deiner Figur ein völlig neues Element hinzu wenn dir bewusst wird dass du in dieser Raumstation lebst und du nie draußen bist und nie frische Luft atmest oder einfach mal die Straße lang spazierst. Ich persönlich würde wohl Klaustrophobie bekommen. Ich würde verrückt werden! Ich würde im grauen Sektor hin- und herlaufen. Ich würde vermutlich jeden Zentimeter der Station kennen, da ich einfach nicht lange an einem Ort bleiben kann. Ich denke, in solch einer Situation würde einem wohl schnell das Dach auf den Kopf fallen. Ich glaube deshalb geht sie gerne raus und kämpft in einer der Starfuries. Es ist ihre Art, für eine Weile rauszukommen. “
Peter Jurasik über die gemeinsame Fahrstuhl-Szene mit Andreas Katsulas: „Wir hatten solch eine gute Zeit damit, das gemeinsam zu machen. Es war eine Szene die Andreas und mich wirklich als Schauspieler zusammengeschweißt hat, da sie viel gegenseitiges Vertrauen erfordert hat. Wir mussten sie oft gemeinsam proben und wirklich gemeinsam daran arbeiten. Zugleich erhöhte es meinen Respekt vor Andreas als Schauspieler und ließ mich zudem erkennen, was für ein wundervoller Mitstreiter er sein konnte. In dieser Hinsicht war es also eine sehr wichtige Szene – nicht nur für G'Kar und Londo, sondern auch für Andreas und Peter.“
Quelle: „Babylon 5: Season by Season-Guides - Volume 1: Signs and Portents”
Kommentare von JMS
Um 4:31 in der Früh am Montag, dem 17. Januar 1994 gab es ein 6.7 starkes Erdbeben 20 Meilen nordöstlich von Los Angeles, im San Fernando Valley. Schon bald als das "Northridge Erdbeben" bekannt, verursachte es über 44 Milliarden Dollar Schaden, zerstörte über 25.000 Häuser, neun Krankenhäuser, neun Parkgaragen, und neun Brücken. Bis zum katastrophalen Schaden den der Hurricane Katrina in 2005 verursacht hat, war es die teuerste Naturkatastrophe der amerikanischen Geschichte.
Das sind die Zahlen. Und so hat es sich angefühlt, war ich doch genau mittendrin: Zuerst gab es ein "Wamm!", so als wäre das Haus von einem Lastwagen gerammt worden. Dann einen Moment Pause als sich die tektonischen Platten verschoben, und dann wird das komplette Bauwerk hochgehoben und geschüttelt als wäre es ein Kinderspielzeug. Was man am deutlichsten bemerkt sind die Geräusche: Das tiefe Grollen, das Brechen von Glas, Spiegel die zersplittern, Stein der auf Stein reibt, nicht langsam, sondern schnell-schnell-schnell-schnell-schnell, das Hüpfen des Betts, Gips der von der Decke fällt, und das überwältigende Gefühl von etwas großem und tödlichen dass wie ein wildes Tier durch dein Haus läuft und alles zerstört, was ihm in den Weg kommt.
Dann hört es auf, und das nächste was du hörst sind die Autoalarmanlagen die sich über die ganze Straße einschalten, und du denkst: "Ich muss das Gas abdrehen". Du eilst also aus dem Bett, läufst zur Hintertür, bemerkst auf dem Weg dorthin dass der Kamin in sich zusammengebrochen ist, die Wände voller Risse sind, und sich die Vorderwand vom Rest des Hauses gelöst hat. Jedes Regal hat sich auf den Boden geleert, inklusive deiner ganzen CD-Sammlung, über die du laufen musst um den Gashahn draußen zu erreichen (Für jene die neugierig sind, das Geräusch das entsteht wenn man über seine gesamte CD-Sammlung läuft ist jenem knirschenden Geräusch erstaunlich ähnlich, wenn man über eisbedeckten Schnee läuft). Als du auf den Hügel hinter dem Haus steigst, schweift dein Blick über die Landschaft und du siehst dass sich der Ventura Boulevard, die weite Straße die über die gesamte Länge des San Fernando Valley's verläuft (berühmt geworden durch Tom Petty's "Free Falling"), in einen Fluss aus Feuer verwandelt hat. So fühlt es sich an in einem 6.7-Erdbeben zu stecken.
Mein nächster Gedanke war: "Das Set. Was ist mit dem Set passiert?" Ich war besorgt dass die Kulissen und Bühnen die wir so liebevoll aufgebaut hatten zerstört wurden, was es praktisch unmöglich gemacht hätte weiterzudrehen. Nachdem ich das Haus gesichert hatte machte ich mich auf den Weg über aufgebrochene Straßen zu dem Lagerhaus, das uns als Drehort diente, und bemerkte dass während die Gebäude ringsherum fast völlig zerstört wurden, unser Set erstaunlich wenig Schaden davongetragen hatte. Nichtsdestotrotz sollte offensichtlich sein, dass wir an diesem Tag nicht mehr gedreht haben.
Wir drehten allerdings am darauffolgenden Tag. Tatsächlich waren wir die Einzigen in Los Angeles, die am nächsten Tag die Dreharbeiten wieder aufnahmen, da die Crew das Momentum dass wir erreicht hatten um keinen Preis verlieren wollte. Als Antwort auf diese solidarische Tat nahmen wir einige unserer Set-Arbeiter und schickten sie zu jenen Häusern unserer Crewmitglieder, die am meisten beschädigt wurden, damit sie tun konnten was auch immer notwendig war um die Häuser zumindest wieder bewohnbar zu machen.
Nachbeben haben die Produktion noch mehr als eine Woche lang durchgerüttelt. Immer wenn ein Beben kam evakuierten wir das Set, manchmal mehrmals an einem einzigen Tag. Ab Mittwoch waren selbst die engagiertesten Schauspieler und Crewmitglieder völlig erschöpft. In der Szene wo Ivanova, Sinclair und Garibaldi in einer der Büros miteinander sprechen, sieht Claudia sehr blass und erschüttert aus, da diese Szene allein drei Mal von Nachbeben unterbrochen wurde.
Manchmal klappte die Evakuierung problemlos, manchmal… weniger gut. In einer Szene musste Ivanova mit ihrem Druckanzug angeschnallt im Starfury-Cockpit sitzen. Da es schon unter besten Umständen ein schwieriger Prozess war, sich allein aus dem Anzug und dem Cockpit zu befreien, versprach ihr ein Mitglied unserer Crew sie rauszuschneiden falls ein Beben kommen würde während sie dort drinsteckte. Und wie könnte es auch anders sein, ein Beben traf uns genau mitten in ihrer Szene, und jeder evakuierte das Gebäude – inklusive jener Person die sie hätte herausschneiden sollen, sein Versprechen in einem Moment der Panik vergessen. Viele erstaunliche Worte und Sätze folgten zwischen den beiden Beteiligten, nichts davon geeignet, es hier wiederzugeben.
Donnerstags, nach einem besonders schlimmen Nachbeben, trafen sich Crew, Schauspieler und Produzenten im Parkplatz hinter dem Drehort um darüber abzustimmen, ob wir weiterfilmen oder die Dreharbeiten für diese Woche unterbrechen würden. Die Leute waren erschöpft und in Tränen. Michael O'Hare gab eine mitreißende Rede darüber, nicht aufzugeben. Ich meine mich daran zu erinnern irgendetwas von Hummern gefaselt zu haben, bin mir aber nicht sicher. Wie auch immer, die Abstimmung wurde durchgeführt… und wir drehten weiter.
Falls es jemals eine so erstaunliche Crew wie jene von Babylon 5 gegeben hat, bin ich ihr noch nicht begegnet.
Als Antwort auf die Frage "Woher hast du deine Ideen?": Die Wiederholung von "Was wollen Sie?" ist eine Technik, die durch das Therapiemodell der Synanon-Gruppe bekannt wurde. Sinn der Übung ist es, die selbe Frage wiederholt zu stellen, während jene Person der sie gestellt wird nie die gleiche Antwort zwei mal geben darf. Eine solche Frage könnte sein "Wer bist du?". Darauf könnte man antworten "Ich bin Joe." Die Frage wird erneut gestellt: "Ich bin Schriftsteller." Fragt man noch mal, könnte die Antwort "Ich bin ein Mann" oder "Ich bin ein Sohn" sein. Wiederhold man das fünf, zehn oder fünfzehn Mal, werden die Antworten ständig persönlicher und offenbarender. Versucht es bei Gelegenheit mal, ihr werdet das Resultat sehr interessant finden…
In dieser Episode wurde Mr. Morden vorgestellt, dargestellt von Ed Wasser, der für uns einige Zeit als Vorleser tätig war (Ein Vorleser ist jemand der eine Rolle liest wenn ein Schauspieler kommt um sich für die andere Rolle zu bewerben. Das gibt dem Darsteller jemanden, mit dem er schauspielen kann, um so die bestmögliche Leistung zu erzielen). Wir haben uns einige Leute für die Rolle angesehen, aber Ed bekam den Job da die anderen Schauspieler die hereinkamen ihrem Aussehen und ihrer Performance nach offensichtliche Bösewichte waren. Ich wollte, dass Mr. Morden attraktiv ist, freundlich, immer lächelnd… basierend auf der Theorie dass ein Monster niemals ein Monster im Spiegel sieht. Das böse, das wirklich böse, gackert nicht abscheulich während es dir die Kehle durchschneidet… es lächelt liebenswürdig, spricht sanft, und geht danach nach Hause und trinkt eine Tasse Tee mit Frau und Kindern. Ed hatte diese sehr nette Art die erforderlich war, damit die Rolle funktioniert.
Ich bin ein großer Fan von Mark Twain, der mal gesagt hat "Du solltest nie damit beginnen etwas zu schreiben ehe du es zu deiner Zufriedenheit fertiggestellt hast." Bevor ich mich also hinsetze um das Drehbuch zu schreiben, schließe ich meine Augen und visualisiere es, von Szene zu Szene, Satz zu Satz. Ich gehe mental durch das Drehbuch, von Anfang bis Ende, und gehe zurück wenn ich ein Logikloch entdecke oder irgend etwas das nicht funktioniert, und versuche es auf einen anderen Weg, bis ich am Ende angelangt bin. Für mich funktioniert das besser als vor dem Monitor zu sitzen, unter all dem Druck, sich überlegen zu müssen was ich als nächstes schreibe, ständig löschend und neu verfassend von was auch immer ich plötzlich mittendrin bemerke, dass es so nicht funktioniert. Stattdessen gehe ich es immer wieder durch, bis ich jeden Moment klar und eindeutig sehen kann. Erst dann setze ich mich hin und schreibe, was zu diesem Zeitpunkt nur mehr darauf hinausläuft das wiederzugeben was ich in meinem Kopf sehe.
Der beste Teil der Erschaffung dieser Episode war vermutlich der Tag an dem ich sie zum ersten Mal einem Publikum bei einer Science Fiction-Convention gezeigt habe. Nachdem das Schiff der Raiders entkommt, lehnte sich jeder im Publikum entspannt zurück: "Okay, das war's, jetzt kommt nur noch der kurze Dialog am Ende, wir können uns wieder entspannen." Dann erscheint das Schattenschiff und vernichtete die Raiders und auch den Eindruck der Zuschauer davon, worum es in dieser Episode gehe. Die Reaktion kam sofort, war greifbar und genau das was ich zu erzielen gehofft hatte: "Was zur Hölle war das?" fragte sich jeder. Nicht nur, dass der Angriff völlig unerwartet kam, das Schattenschiff sah völlig anders aus als alles, was man bis zu diesem Zeitpunkt im Fernsehen gesehen hat.
Viele CGI-Tests wurden durchgeführt, in denen man mit einigen natürlichen und unnatürlichen Texturen herumexperimentiert hat, aber nichts funktionierte... bis wir bei dieser fast feucht aussehenden, scheckigen schwarzen Oberfläche ankamen, die schließlich zur Haut der Schattenschiffe wurde. Ihr fragt euch, welche Textur dafür letztendlich verwendet wurde? Es war die Spitze einer Hundenase. Sie nahmen einen Scanner, hielten ihn gegen die Nase eines Hundes, scannten die Textur der Oberfläche und projizierten sie auf das Schiff.
Quelle: „Babylon 5: The Scripts of J. Michael Straczynski - Volume 2”
Die Serie dreht sich in den ersten 2-3 Jahren um zwei wesentliche Fragen: „Wer bist du?” und „Was willst du?”. Der Gedanke dabei ist, dass dich die Antworten auf diese Fragen entweder vervollständigen oder zerstören können, davon abhängend in welcher Reihenfolge sie gestellt oder beantwortet werden. Wenn du weißt wer du bist bevor dich jemand fragt was du willst, wird die Antwort vermutlich recht konstruktiv sein. Aber wenn du noch nicht durch diesen Prozess der Selbstfindung gegangen bist und jemand fragt dich „Was willst du?”, kann dich die Antwort auf einen zerstörerischen Pfad führen. Diese Fragen sind also essentiell.
Ich denke, dass es verschiedene Wege gibt, um Spannung zu erzeugen. Eine ist, dass man nicht weiß, was vor sich geht. Jener der griechischen Tragödien, den man oft in Hitchcock-Filmen findet, ist dass der Zuschauer weiß dass etwas vor sich geht, nicht aber die Figuren. Die Frage lautet dann nicht "Was wird passieren?" sondern "Wie kam es dazu?" Über den Verlauf der Serie haben wir das öfters getan: Wir sagen dir ganz offen was passieren wird. Wir werden dir nicht sagen, wie es dazu kam, und manchmal ist das was passiert nicht so, wie man sich das vorgestellt hat, und manchmal geschieht auch etwas ganz anderes.
Quelle: „Babylon 5: Season by Season-Guides - Volume 1: Signs and Portents”
Witzige Geschichte. Ich sah Ed Wasser am nächsten Tag und fragte ihn, ob er irgendwelche Reaktionen auf seinen ersten Auftritt in der Show hatte. Nur eine, sagte er. Er war in einem Blumengeschäft und suchte etwas für einen kranken Freund zusammen. Der Besitzer kam zu ihm und fragte „Was wollen Sie?” Ed murmelte etwas in der Art das er einige Blumen wolle. „Was wollen Sie?” fragte ihn der Besitzer erneut. Ed, der´s immer noch nicht kapierte, sagte, daß er nach etwas Nettem für einen kranken Freund suche. „Ja, aber was wollen Sie?” fragte der Besitzer. Ab diesem Punkt kapierte Ed endlich, was los war. Er sagte später, daß es in der Tat ein aufreibendes Verfahren sei, was genau den Punkt traf.
Natürlich fügte der Besitzer hinterher dazu, daß er dachte, die Szene sei von DS9 aber was soll´s, das Universum ist halt nicht perfekt.
Eine sehr nette Sache über "Visionen des Schreckens" die Du rausgesucht hast, ist etwas, mit dem ich gerne spiele: Auf eine Sache hinweisen während man genau das Gegenteil sagt. Schau Dir mal alles an, was der wichtigste Vertreter der Schatten, Morden, tut: Er fragt die Leute, was sie wollen, wird aus Delenns Quartier rausgeworfen, er ist die ganze Zeit sehr angenehm in seinem Umgang mit anderen, schreit nie, lächelt immer und ist höflich. Er unternimmt etwas, das Londo, einen unserer Hauptcharaktere, vor Schmach und Resignation rettet. Ja er hilft sogar, die Bösen in dieser Episode zu jagen. Und nun gehen sie alle und denken, die Schatten seien schlecht. Was natürlich die Absicht war… auf die Art, wie sie "Gutes" taten.
Kosh verhindert, daß die Menschen die Unsterblichkeit erlangen, erschreckt Talia zu Tode, gibt nie eine direkte Antwort, es scheint ihm nichts auszumachen, wenn die Leute Angst vor ihm haben… und wir gehen wieder weiter mit der Vermutung, daß er eigentlich doch gut ist, wegen der Art und Weise wie er Dinge tat, die "böse" waren. [...] Das ist etwas, was ich sehr oft in meinen Drehbüchern tue und was mir bei anderen Leuten eher selten auffällt. Du musst das Drehbuch wirklich sehr sorgfältig aufbauen um so etwas voranzutreiben… ein kleines Spiel zwischen meinen Zuschauern und mir.
Ich versuche wo ich nur kann einer Szene mehr als nur eine Bedeutung zu geben. Das Streit vor dem Aufzug ist ein gutes Beispiel dafür. Das Drehbuch sieht einen Menschen vor, eingekeilt zwischen G´Kar und Londo. Keine andere Rasse. Es musste ein Mensch sein. [...] Selbstverständlich steht im Vordergrund dieser Szene erstmal der Gag, der Witz. Es sollte zuerst nur auf dieser Ebene arbeiten und so sah die Szene auch erst bei mir aus: Nur ein Witz. Dann, als ich daran ging, diese Szene zu schreiben, fing ich an, zu überlegen, ob man nicht einige Dinge auch aus einem anderen Blickwinkel sehen könnte. Ich erkannte die Möglichkeit, einen kleinen (sehr kleinen) Blick in die Zukunft unterzubringen. Es machte nichts, ob das irgend jemand bemerkte oder nicht; es war nie dazu gedacht, große Aufmerksamkeit zu erregen. Nur eine kleine Einzelheit, die später richtig schön ironisch wurde.
Quelle: Der deutsche Lurker’s Guide für Babylon 5
Zusammengestellt von Christian Siegel
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