Originaltitel: Voices in the Dark Bewertung: Veröffentlichung USA: 31.07.2007 Veröffentlichung D: 24.08.2007 Drehbuch: J. Michael Straczynski Regie: J. Michael Straczynski Darsteller: Bruce Boxleitner als Präsident John Sheridan, Tracy Scoggins als Colonel Elizabeth Lochley, Peter Woodward als Galen, Keegan MacIntosh als Prinzregent Dius Vintari, Bruce Ramsay als Simon Burke, Alan Scarfe als Father Kelly, Teryl Rothery als ISN News Reporterin.
Zitate: "I believe that when we leave a place, part of it goes with us, and part of us remains. Go anywhere in this station, when it is quiet, and just listen. After a while you will hear the echos of all our conversations, every thought and word we've exchanged. Long after we're gone, our voices will linger in these walls." (G’Kars Abschiedsworte aus “Wann, wenn nicht jetzt?” eröffnen die erste „Lost Tales-DVD“ auf höchst passende und berührende Art und Weise.)
„I’m tired of you guys crawling inside my head and showing me this kind of crap, everytime I think that my life might be going good for a change! What the hell’s wrong with you people, don’t you have any other hobbies?” (Sheridan reagiert eher ungehalten auf Galen’s düstere Prophezeiung.)
„Emperor Mollari thought I would be safer with you. He said "I would trust Sheridan with my life"”.
“Well, that’s...”
”Then he corrected himself and said he would trust you with MY life, because he had plans for next week.” (Schön zu sehen das Londo trotz allem seinen Humor scheinbar noch nicht ganz verloren hat.)
“Ten years. Ten years since the world changed. Ten years since I changed. But it feels like I never left the place. Babylon 5 is a place of beginnings and endings. I wonder which this will be.” (Diese Frage stellt sich wohl auch die gesamte Babylon 5-Fangemeinde.)
Inhaltsbeschreibung: Colonel Lochley bereitet sich auf die bevorstehenden Feierlichkeiten zum 10-jährigen Bestehen der interstellaren Allianz vor, doch ein Zwischenfall bereitet ihr große Sorgen: Ein Mann behauptet, von einem Dämon besessen zu sein. Schließlich sieht Lochley keinen anderen Ausweg als einen Priester auf die Station zu bitten. Dieser ist nach anfänglicher Skepsis ebenfalls davon überzeugt, dass hier ein Dämon sein Unwesen treibt - und wird von diesem vor eine schreckliche Wahl gestellt. Währenddessen bricht Präsident John Sheridan von Minbar nach Babylon 5 auf, um dort den Feierlichkeiten beizuwohnen. Auf dem Weg dorthin bekommt er unerwünschten Besuch von Galen, der ihm eine düstere Propheiung über die Zukunft der Erde macht. Um dieses zu verhindern, muss Sheridan seine moralischen Prinzipien verraten...
Christian Siegel
Review: Es fällt mir schwer, in Worte zu fassen, wie sehr ich mich auf diese DVD gefreut habe. Babylon 5-Fans mussten in den letzten Jahren einige Enttäuschungen erleben, vor allem natürlich den bereits angekündigten Kinofilm „The Memory of Shadows“, der dann doch noch praktisch in letzter Sekunde abgesagt wurde. Als ich das erste mal von „The Lost Tales“ hörte, konnte und wollte ich zuerst nicht glauben, dass dieses Projekt wirklich etwas werden wird. Als dann schließlich die offizielle Ankündigung kam und ein wenig später erste Photos von den Sets auftauchten, wurde mir schließlich bewusst: „Das ist real, es passiert tatsächlich. Die Rückkehr von Babylon 5 steht unmittelbar bevor.“ Gut, ok, unmittelbar ist vielleicht etwas übertrieben. Die Dreharbeiten fanden im Herbst 2006 in Vancouver statt, und danach galt es noch ca. ein Dreivierteljahr warten, ehe die DVD endlich in den USA veröffentlicht wurde.
Sowohl meine Erwartungshaltung als auch meine Vorfreude wurden dabei mit jedem Tag höher und höher Man erfuhr neue Details von den Sets, bekam in den Videoblogs einen Einblick in die Produktion, sah die ersten, beeindruckend aussehenden Effekte – und schließlich wurde auch der großartige Soundtrack veröffentlicht. Ich begann, mir einzelne B5-Episoden zur Einstimmung noch einmal anzusehen, und konnte es schließlich schon gar nicht mehr erwarten, bis die DVD endlich bei mir eintrifft. Jeden Tag rief in zu Hause an um zu erfragen, ob denn ein kleines Päckchen von Amazon eingetroffen sei... und schließlich war es dann soweit: Dienstag, den 7. August 2007 konnte auch ich schließlich die Rückkehr von Babylon 5 erleben. Zwar nach einem langen, harten Arbeitstag, und von Kopfweh geplagt, doch beides war vergessen nachdem ich die DVD in den Player eingelegt hatte und die Station in all ihrer herrlichen, neu animierten Pracht auf meinem 16:9-Fernseher erschien.
Es war ein Augenblick, den ich sehr ersehnt, aber vor dem ich mich irgendwie auch gefürchtet hatte. Immerhin wäre nur eines schlimmer als keine Rückkehr von Babylon 5, nämlich eine miese Rückkehr. Der vorläufige Abschied des B5-Universums mit „Legende der Ranger“ war mehr als nur durchwachsen, und die Herangehensweise an diese „Lost Tales“, mit relativ kurzen Geschichten, die auf einzelne Figuren konzentriert sind, hatte mich nicht 100%ig überzeugt. Immerhin war und ist die größte Stärke von Babylon 5 der epische Handlungsrahmen. Zwar finden sich unter den Einzelepisoden auch ein paar tolle Geschichten, doch die richtig großen Highlights waren zumeist eng mit der fortlaufenden Handlung verbunden, ja ergaben sich teilweise daraus. Es ist einfach etwas anderes, ob man 30 Minuten auf ein bestimmtes Ende hinarbeiten, oder 30 Episoden lang. Letzteres hat natürlich eine viel größere Wirkung. Nun, teilweise haben sich meine Befürchtungen zwar bestätigt, alles in allem überwiegt jedoch ganz klar die Freude über die Rückkehr der meines Erachtens besten Serie aller Zeiten.
Der Einstieg in diesen direct to dvd-film ist wirklich gelungen. Begleitet vom „Dying Station“-Theme erleben wir die Zerstörung der Station – allerdings mit modernen Effekten. Das Ergebnis mag vielleicht nicht ganz so emotional bewegend sein wie der entsprechende Moment aus „Der Weg ins Licht“, ist aber vor allem optisch einfach nur atemberaubend. Und gerade wenn man glaubt, besser geht es nicht, beginnt G’Kars Monolog (siehe Zitate). Es war für mich ein sehr berührender Moment... ich war sowohl überglücklich (angesichts der Rückkehr von Babylon 5) als auch traurig (angesichts der Tatsache dass diese Worte vom mittlerweile verstorbenen Andreas Katsulas gesprochen werden) zugleich. Während dieser Worte laufen unten in einer Art Zeitleiste die Jahre zurück, während sich die Station Stück für Stück wieder zusammensetzt. Danach geht’s ins eigentliche Intro, dass einige wichtige Persönlichkeiten aus den verschiedenen Völkern noch einmal vorstellt – untermalt vom triumphalen, neuen „Lost Tales“-Theme. Alles in allem hätte man sich keinen besseren und/oder passenderen Einstieg wünschen können.
Danach beginnt die erste der beiden Geschichten, die sich mit einem Dämon befasst, der von einem Besatzungsmitglied Besitz ergriffen hat. Diese erste Mini-Episode wurde insgesamt sehr zwiespältig aufgenommen, und ich muss gestehen dass sie auch mich nicht gänzlich überzeugt hat. Dies lag allerdings weniger an der Geschichte an sich bzw. ihrer eher phantastischen, sehr im christlichen Glauben verwurzelten Natur, mit der ich kein grundsätzliches Problem habe. Ich halte nur die Lost Tales für den falschen Zeitpunkt und den falschen Ort, um diese zu erzählen – wie die Geschichte generell kaum zum B5-Universum passen will. Als Lochley zum Priester sagte „Do you feel qualified to perform an exorcism?“ fühlte ich mich für einen kurzen Moment wie im falschen Film.
Ich denke, irgendwann hatte JMS die Idee zu dieser Geschichte. Schon länger hat er die Möglichkeit gesucht, diese zu erzählen, nach einem passenden Rahmen. In den „Lost Tales“ meinte er diesen nun gefunden zu haben, und hat die Gelegenheit genutzt, aber irgendwie wirkt es hier einfach fehl am Platz. Eventuell hätte es sich vor ein paar Jahren als A- oder B-Story in einer der Episoden der Serie halbwegs vernünftig einbauen lassen... aber als Rückkehr von Babylon 5 nach mehr als 5 Jahren ist es schon ein wenig unpassend. Ich finde, für die erste neue Geschichte im B5-Universum nach so vielen Jahren hätte sich doch wohl eine andere Thematik finden lassen sollen, die mehr mit der B5-Geschichte zu tun hat und von ihr nicht ganz so losgelöst ist. Man müsste nur die Namen ändern, und schon könnte die Geschichte überall und in jedem Rahmen spielen. Es gibt wenig bis gar nichts, dass diese Geschichte mit Babylon 5 verbindet, und genau das ist mein Hauptproblem daran.
Eben dies macht sich auch bei einigen der Szenen bemerkbar. Vor allem in jener Szene, als sich der Priester und der Dämon minutenlang miteinander unterhalten schleicht sich etwas Langeweile ein, da einfach niemand da ist, zu der man irgend eine Art von Bezug hat. Denn Lochley, das einzige bekannte Gesicht in dieser Geschichte, ist hierbei nicht anwesend, und die anderen hat man nicht lang genug gesehen um zu ihnen eine Beziehung aufzubauen. Das ändert natürlich nichts daran, dass das moralische Dilemma durchaus zu gefallen weiß und die beiden einige interessante Gedankengänge austauschen. Allerdings hat das ganze etwas von einer sehr theoretischen Diskussion – fast so, als würde man zwei Dozenten bei einem Theologieseminar lauschen, die unterschiedliche Standpunkte diskutieren. Der Inhalt an sich mag nicht uninteressant sein, doch da man keinen der beiden kennt fällt es einem schwer, wirklich mitzufühlen. Die entsprechende Szene ist einfach nicht spannend, packend oder gar mitreißend.
Was mir allerdings an „Over Here“ durchaus gefallen konnte, ist die interessante Grundidee, die einige Aspekte aus der – insbesondere natürlich christlichen - Mythologie auf originelle Art und Weise neu interpretiert. Auch ein paar interessante Denkanstöße finden sich in der Handlung, wie z.B. die Zukunft der Religion, falls wir je ins All vorstoßen sollten. Das moralische Dilemma ist ebenfalls nicht uninteressant, scheint sich doch der Priester zwischen dem Wohl des Opfers und dem Wohl seiner Kirche entscheiden zu müssen. Allerdings offenbart die Grundidee, so interessant sie auch auf dem ersten Blick erscheinen mag, einige logische Schwächen. Wie sagt der Dämon so schön? Der Teufel steckt im Detail. So muss man sich fragen, (Achtung, Spoiler!)ob denn diese ganzen Dämonen auf der Erde überhaupt keine negativen Auswirkungen haben, und wenn nein, warum nicht? Und dass es mehr als 200 Jahre braucht bis endlich einer von ihnen auf die Idee kommt, sich in einen menschlichen Körper einzuschleichen um so die Barriere zu durchdringen, wirkt auch etwas seltsam (Spoiler Ende).
Auch frage ich mich, ob man sich denn bei dieser Geschichte gar so am christlichen Glauben orientieren musste. Irgendwie wirkt das ganze schon sehr klischeehaft und auch ein wenig unoriginell, mit dem Priester, den Wortgefechten mit dem Dämon etc. Vom netten Twist mal abgesehen ist „Over Here“ eigentlich nichts anderes als „Exorzist im Weltraum“. Ich denke, eine nicht gar so auf den christlichen Glauben konzentrierte Geschichte, wo es einfach nur um einen Dämon oder eine andere Art feindliches Wesen handelt, hätte wohl eher die Zustimmung der B5-Fans gefunden. Jedenfalls, wenn ihr zu jenen gehört welche die schlichte Erwähnung von christlichen Glaubensbegriffen wie Himmel, Hölle, Teufel und Gott bereits mit den Augen rollen lässt, dann solltet ihr ernsthaft darüber nachdenken das erste Segment – zumindest im ersten Ansatz – zu meiden. Zwar offenbart sich bei mehrmaligem Ansehen und bei genauerer Betrachtung der Handlung und der Dialoge, dass diese längst nicht so eindeutig ist wie im ersten Moment angenommen, und auch einige andere Interpretationsmöglichkeiten – weit weg von sämtlichen christlichen Glaubensgütern – bietet, doch diese drängen sich nicht gerade auf und können leicht übersehen werden...
Nichtsdestotrotz ist „Over Here“ bei weitem kein Desaster. Die Story mag ihre Schwächen besitzen und irgendwie nicht so recht zu B5 passen wollen, nichtsdestotrotz ist es für sich betrachtet keine schlechte Geschichte. Es ist lediglich eine sehr eigenwillige und ungewöhnliche Geschichte, und eine, die definitiv nicht jedermanns Sache ist – und genau dessen sollte man sich unbedingt bewusst sein, bevor man sie sich ansieht. Doch das Drehbuch an sich ist bis auf die erwähnten, kleinen logischen Schwächen wirklich gelungen. Insbesondere die Dialoge sind mehrheitlich großartig, mit vielen interessanten Sätzen, Anspielungen, Andeutungen und Denkanstößen. Vor allem die letzte Szene zwischen Lochley und dem Besessenen ist sehr gelungen. Auch das Schauspiel weiß in jedem Moment zu überzeugen. Egal ob Bruce Ramsay, Alan Scarfe oder auch Tracy Scoggins, alle überzeugen in ihrer Rolle und haben innerhalb der etwas mehr als 30 Minuten einige gute Momente. Vor allem aber endet die Story dank des gelungenen Twists und dem sehr guten Epilog mit einer versöhnlichen Note, die einen die Schwächen größtenteils verzeihen lassen.
Alles in allem hat mir also das erste Segment recht gut gefallen, auch wenn es einige Schwächen gab. „Over There“, die 2. Geschichte auf der DVD, ist aber über (fast) jeden Zweifel erhaben. Auch hier ist der Einstieg sehr gelungen, zuerst mit einem kurzen Blick auf Minbar, und danach mit Sheridans sinnierendem Monolog, während er die Station betrachtet (siehe ersten Screenshot zur Folge). Im Gegensatz zu "Over Here" ist in der 2. Geschichte auch einiges an B5-typischem Humor zu finden, sei es nun im Dialog mit der Reporterin oder später bei den diversen Schlagabtäuschen zwischen Sheridan und Galen (siehe eines der Zitate zum Film). Zugleich gibt es aber auch einige berührende Szenen, wie z.B. wenn Sheridan von G'Kar erzählt und/oder von Stephen Franklin erfährt. Die kurze Erwähnung dieser beiden Charaktere ist ohnehin ein Highlight der "Lost Tales" und eine schöne Hommage an die beiden mittlerweile verstorbenen Schauspieler. Neben diesen beiden werden auch noch einige andere Figuren namentlich erwähnt, wie Garibaldi, Londo oder auch Delenn, und sind damit auch in gewisser Weise präsent. Dies sorgt für einen deutlich stärkeren Bezug zur Serie und dazu, dass sich "Over There" im Gegensatz zum 1. Segment wirklich wie Babylon 5 anfühlt.
Für ausreichende Spannung sorgt Sheridan's äußerst interessantes moralisches Dilemma. In einer Art Traum prophezeit Galen der Erde ein sehr düsteres Schicksal – offenbart ihm aber zugleich einen Weg, dieses zu verhindern: Sheridan muss Prinzregent Vintari töten. Dieser ist zwar noch jung, zeigt jedoch durchaus schon Ansätze des verbitterten, rachsüchtigen und machthungrigen Herrschers, der er eines Tages sein mag. Trotzdem fällt Sheridan die Entscheidung natürlich nicht leicht. Lässt er ihn am Leben, verdammt er möglicherweise die Erde zur Vernichtung und alle ihre Bewohner zum Tod. Andererseits liegt dieses Ereignis noch weit in der Zukunft – noch ist Vintari unschuldig und hätte theoretisch die Möglichkeit, von diesem dunklen Pfad abzuweichen. Doch ab wann wird der Preis, abzuwarten und auf das beste zu hoffen, zu hoch?
Es ist eine äußerst interessante moralische Frage, die JMS hier aufwirft, vor allem als er Galen den Vergleich mit Hitler ziehen lässt: Man stelle sich vor, man würde in der Zeit zurückreisen und wüsste genau, welch schreckliche Gräueltaten er eines Tages vollbringen und/oder befehlen wird. Wie viel Tod, Schmerz und Leid er über die Menschheit bringen wird. Doch wenn wir ihn treffen ist er noch kein Monster, sondern ein junger Mann, noch ohne Blut an seinen Händen. Kann man den Tod dieses (noch) unschuldigen Wesens wirklich mit seinen zukünftigen schrecklichen Taten rechtfertigen? Eben diese Frage muss sich in "Over There" auch Sheridan stellen. Sein moralischer Konflikt kulminiert schließlich in einer äußerst spannenden Szene, als Vintari und er in einer Starfury sitzen und sich auf dem Weg nach Babylon 5 befinden. Sheridan braucht eigentlich gar nicht viel zu tun – Galen hat dafür gesorgt, dass es ab einer bestimmten Geschwindigkeit zu einer Funktionsstörung des Waffensystems und somit zu einem äußerst tragischen "Unfall" kommt. Es wäre so leicht... Sheridan braucht einfach nur laufend die Geschwindigkeit zu erhöhen – er braucht nicht einmal den Abzug betätigen. Trotzdem fällt ihm die Entscheidung natürlich alles andere als leicht. Und auch wenn solch eine skrupellose Tat irgendwie kaum zu Sheridan passen will, traut man es ihm zu diesem Zeitpunkt durchaus zu - und harrt somit gespannt dem weiteren Geschehen, als die Computerstimme wie in einer Art Countdown die stetig steigende Geschwindigkeit bekannt gibt.
Insofern vereint "Over There" so ziemlich alles, was "Babylon 5" ausmacht: Humor, Dramatik, und eine spannende Handlung. Einzig unter einer etwas falschen Erwartungshaltung mag auch diese zweite Geschichte auf der DVD leiden. Der Trailer versprach eine große, spektakuläre Raumschlacht und deutlich mehr Action, als sich dann in "Lost Tales" finden lässt. Tatsächlich ist das, was man im Trailer an Raumschlachten gesehen hat, so ziemlich alles, was es auf dieser ersten DVD zu sehen gibt – und diese passiert nicht mal wirklich, sondern ist lediglich ein weiterer Traum Sheridans. Mich hat dies zwar nicht im geringsten gestört – vor allem auch da ich den eher persönlichen Showdown sehr spannend und gelungen fand – aber es wird bestimmt einige geben, denen die "Vergessene Legenden" zu unspektakulär sind und die den Mangel an Action beklagen werden.
Auch bei "Over There" können die schauspielerischen Leistungen absolut überzeugen. Man merkt Bruce Boxleiter die Freude richtiggehend an die er empfunden hat, als er nach so vielen Jahren endlich wieder in Sheridan's Haut schlüpfen konnte. Er ist in dieser Rolle in seinem Element, und spielt Sheridan mit einer Leichtigkeit, die wirklich zu beeindrucken vermag. Auch Peter Woodward zeigt als Galen wieder einmal eine höchst ansprechende und überzeugende Leistung. Besonders gut gefallen hat mir, dass er diesmal neben seiner mittlerweile bekannten Eigenschaften – humorvoll, mysteriös und geheimnisvoll – auch etwas düstere Züge zeigen darf. Und auch B5-Neuling Keegan Macintosh hat mich mit seiner Performance wirklich überzeugt. Es gibt Momente, da wirkt er äußerst charmant und wie ein sehr netter Kerl, andererseits bemerkt man auch dunklere Züge an ihm, die jene Person erkennen lassen, die möglicherweise eines Tages einen vernichtenden Schlag gegen die Erde anführen wird. Sowohl die Figur als auch Macintosh's schauspielerische Leistung konnten mir jedenfalls sehr gut gefallen, und ich hätte absolut nichts dagegen, ihn in einer der zukünftigen Vergessenen Legenden wieder zu sehen.
Bei aller Begeisterung über "Over There" möchte ich aber auch jene Dinge nicht verschweigen, die mich doch ein wenig irritiert haben. Dass Vir der 2. Anwärter auf den Thron ist, will nicht so recht zu den Erzählungen aus der Centauri-Trilogie passen. Zugegeben, auch wenn diese auf einen Entwurf von JMS basiert, sagt natürlich keiner dass diese zu 100% Kanon sind und sich JMS deshalb detailliert daran halten muss. Ich finde es halt nur deshalb besonders schade, da die Centauri-Trilogie von Peter David für mich zu den besten Büchern zählt, die im Babylon 5-Universum erschienen sind – was diese kleinen Kontinuitätsprobleme halt besonders tragisch macht. Etwas seltsam wirkte auf mich auch Galen's Kommentar, der Angriff der Centauri würde zu Zerstörung in einer Größenordnung führen, wie sie nie zuvor gesehen wurde. Zugegeben, ein gewisser Hang zu Theatralik ist dem Technomagier nicht abzusprechen, aber angesichts der Planetenkiller von Schatten und Vorlonen wirkt dieser Kommentar schon ein wenig übertrieben.
Am meisten gestört hat mich aber der Quantumraum. Es ist ziemlich offensichtlich, dass dieser nur geschaffen wurde, damit JMS endlich seine ursprüngliche Version des Hyperraums umsetzen konnte, jedoch ohne sich ständig mit der Frage konfrontiert zu sehen, warum der Hyperraum bei "The Lost Tales" denn auf einmal so anders aussieht – wie es ihm bei "Crusade" und "Legende der Ranger" passiert ist. Trotzdem wirkt das ziemlich verkrampft, und auch nicht unbedingt logisch, muss man sich doch fragen, warum Schatten und Vorlonen diesen Quantumraum nie genutzt haben. Hier wurde wertvolle Kontinuität der Serie für ein einfaches Gimmick und einen – zugegebenermaßen guten – Gag geopfert. Das war es meines Erachtens einfach nicht wert...
Nun gut, ich denke jetzt wurden die einzelnen Episoden ausreichend beleuchtet, werfen wir nun einen kurzen Blick auf ein paar allgemeinere Aspekte der Produktion. Was an "Vergessene Legenden" am deutlichsten hervorsticht, sind die großartigen Effekte. Die neuen Modelle für die Station und die Raumschiffe sind unheimlich detailliert. Generell wurde die Optik etwas aufgepeppt, nichtsdestotrotz bleibt man – ähnlich der neuen Effekte zu "Raumschiff Enterprise" – dem Original treu. Babylon 5 hat jedenfalls definitiv nie besser, schöner und beeindruckender ausgehen als hier. Ich habe "Lost Tales" mittlerweile auf mehreren verschiedenen Bildschirmen gesehen, sei es ein alter Röhrenfernseher, ein neuer HD-Ready-Flachbildschirm oder auch auf dem PC-Monitor, und bei keinem offenbarten die Effekte irgendwelche Schwächen, wie mangelnde Auflösung, Unschärfe etc.
Natürlich war es eigentlich auch nicht anders zu erwarten, als dass die Effekte von "The Lost Tales" jene aus der Serie weit hinter sich lassen würden. Andererseits haben die Effekte von "Crusade" und "Legende der Ranger" gezeigt dass sich diese bloß weil sie später produziert wurden nicht zwangsweise besser sein müssen – ganz im Gegenteil. Besonders überrascht hat mich, dass "The Lost Tales" meines Erachtens selbst aktuelle Produktionen wie die Stargate-Serien – deren Effekte ebenfalls von Atmosphere FX produziert werden – alt aussehen lässt. Dies liegt sicher unter anderem daran, dass sich im Produktionsteam einige Fans der Serie befanden, die einiges an unbezahlten Überstunden auf sich genommen haben, um diese direct-to-dvd-Produktion so beeindruckend wie möglich zu machen. Eben diesen persönlichen Einsatz merkt man den Effekten definitiv an. Einzig New York wirkt etwas künstlich und nicht unbedingt photorealistisch – alles andere ist einfach nur großartig, beeindruckend und absolut atemberaubend.
Angesichts der großartigen Effekte würde man nicht vermuten, dass Babylon 5 The Lost Tales für ein äußerst moderates Budget entstanden ist. Wo man es allerdings sehr wohl bemerkt, ist bei den Sets, der Ausstattung und den Statisten. Letzteres fällt natürlich insbesondere bei "Over Here" negativ auf, welches ausschließlich auf Babylon 5 spielt. War die Station früher immer von regem Treiben auf den Gängen gekennzeichnet, verirrt sich bei "The Lost Tales" kaum mal ein Statist vor die Kamera. Die Station wirkt untypisch leer, ja nahezu verlassen. Auch dass die Geschichte hauptsächlich nur an 3 verschiedenen Orten stattfindet (Lochley's Quartier, die Zelle sowie der Gang davor) wirkt etwas erzwungen und seltsam. Die Ausstattung von Lochley's Quartier wirkt zudem ungemein spartanisch. Vor allem später, als sie über das fehlende Puzzleteil sinniert und man hinter ihr die fast leere Wohnung erkennen kann, fällt dies ziemlich negativ auf.
Was mir allerdings sehr gut gefallen hat, ist JMS' Inszenierung. Mit "The Lost Tales" hat er quasi die Rahmenbedingungen für alle weiteren Regisseure geschaffen, die möglicherweise in diesem Universum noch tätig sein werden. Die Inszenierung ist dabei sehr stilvoll, scheut jedoch auch vor neueren Tricks wie der fließenden Kamera nicht zurück. Zugegeben, einigen mag diese während der Verhöre schon wieder etwas zu ausgiebig eingesetzt worden sein, mir gefiel es allerdings recht gut. Es war einmal etwas anderes, und hat zudem das unbehagliche Gefühl dieser Szenen optimal unterstützt. Die Inszenierung zur 2. Geschichte ist deutlich klassischer ausgefallen, weiß aber auch mit einigen netten Einstellungen zu gefallen. Den Soundtrack habe ich ja bereits in aller Ausführlichkeit gereviewt und bewertet, daher sei nur kurz erwähnt, dass mir dieser sehr gut gefällt. Einige Kritikpunkte, wie z.B. "Party" (welches man nur sehr leise aus einem anderen Raum hört) haben sich sogar deutlich relativiert. Ich habe mir die CD in den letzten 3 Wochen sicher schon 20x angehört, und ich werde ihr immer noch nicht müde ;).
Alles in allem ist "Voices in the Dark" also ein guter und vor allem vielversprechender Start in diese direct to dvd-Produktionen. Da mag es die eine oder andere Schwäche geben und die Lochley-Story etwas weniger gelungen sein, doch alles in allem überwiegen ganz klar die positiven Aspekte. Als Fan sollte man sich allerdings darüber im klaren sein, dass einem hier recht kurze und eher kleine Geschichten erzählt werden. Dass diese relativ kurzen Geschichten nicht ähnlich komplex sein oder über eine ähnliche emotionale Intensität verfügen können wie ein 5 Jahre langer Handlungsrahmen, versteht sich ja eigentlich von selbst, ist aber nichtsdestotrotz etwas, dass sich jeder Fan noch einmal in Erinnerung rufen sollte, eher er die DVD in den Player einlegt. Genauso sollte klar sein, dass bei diesen sehr auf wenige Personen bezogene Geschichten der Vorteil des großen Ensembles fehlt, dessen Interaktion ebenfalls viel vom Reiz von Babylon 5 ausgemacht hat.
Macht euch außerdem bewusst, dass die erste Geschichte etwas ungewöhnlich ausgefallen ist und sicher nicht jedermanns Geschmack treffen wird. Dann steht allerdings einem unterhaltsamen DVD-Abend meines Erachtens nichts im Weg. Eines ist allerdings natürlich auch klar: "The Lost Tales" sind definitiv nur etwas für Fans des Babylon 5-Universum. Neue Fans wird man damit nicht gewinnen können, und ich würde sogar allen B5-Neulingen entschieden davon abraten, "Voices in the Dark" für ihren ersten Besuch im Universum auszuwählen. Nicht nur wird hier doch einiges gespoilert, aber die großartigen Effekte könnten B5-jungfräuliche Augen so verwöhnen, dass man im Anschluss von den Special Effects der Serie unweigerlich enttäuscht werden muss. Für alle Babylon 5-Fans sind die "Vergessenen Legenden" aber meines Erachtens definitiv ein Muss...
Abschließend möchte ich noch ein paar Worte zur amerikanischen DVD verlieren – vor allem auch unter dem Gesichtspunkt, dass wir uns im Merchandising-Bereich lediglich der deutschen Veröffentlichung widmen werden. Meine "Lost Tales"-DVD ließ sich bisher überall problemlos abspielen, sei es im (zugegebenermaßen codefree) Standalone-Player, dem DVD-Laufwerk meines PC's und meines Laptops, oder auch meiner Playstation 2. Keines der Geräte hätte wegen eines falschen Regionalcodes aufgeschrien – also entweder ist die DVD codefree oder sie ist zumindest mit R2 kompatibel. Die Bildqualität ist ausgezeichnet: Farbgebung und Schwarzwerte können absolut überzeugen, und der Bildtransfer offenbart keine Schwächen. Lediglich bei einigen der Szenen, insbesondere während des Verhörs in der Zelle, flimmert das Bild ein wenig, aber das dürfte wohl auf die seltsame Lichtgebung und die verwendeten HD-Kameras zurückzuführen sein.
Der Ton muss sich vor aktuellen Kinoproduktionen nicht verstecken, ist jedoch teilweise etwas seltsam abgemischt, vor allem was den Subwoofer betrifft. Vor allem in einer – im Vergleich zu anderen Momenten wie z.B. der Zerstörung von New York eher unscheinbaren – Szene dröhnt er etwas zu übertrieben. Eventuell empfiehlt es sich also, diesen ein wenig herunterzudrehen, ehe man sich "The Lost Tales" ansieht. Davon abgesehen ist das Klangbild sehr harmonisch und weiß vor allem bei der Musikwiedergabe zu gefallen. Aufgrund der wenig actionreichen Handlung gibt es eher wenige direktionale Effekte – in den kurzen Momenten wo sie auftreten wissen sie allerdings zu gefallen. Was die Extras betrifft, so gibt es Licht und Schatten: einerseits sind die extra für die DVD produzierten Interviews und Making of-Features sehr interessant, störend fällt allerdings auf dass viele der in den letzten Wochen im Internet veröffentlichten Director's Blogs nicht auf der DVD enthalten sind. Auch ein Audiokommentar von JMS, die bei den Staffelboxen und –Filmen mit zahlreichen interessanten Informationen gespickt waren, wurde von mir schmerzlich vermisst. Zudem sind für die Extras keine Untertitel anwählbar – nicht einmal englische. Nichtsdestotrotz, dass Material DAS enthalten ist, ist durchaus interessant und informativ. Abgerundet wird das überwiegend positive Bild von zwei netten, kurzen und durchaus bewegenden Featurettes über Andreas Katsulas und Richard Biggs, wo JMS, Bruce Boxleitner und Tracy Scoggins ihrer gedenken...
Fazit: Mit der Rückkehr von Babylon 5 ist für mich – wie auch für viele andere – ein langgehegter Traum in Erfüllung gegangen. Insofern fällt es mir als Babylon 5-Fan der ersten Stunde schwer, die "Lost Tales" objektiv zu betrachten und zu bewerten... viel zu froh war und bin ich darüber, endlich wieder neues Material aus meinem Lieblingsuniversum gesehen zu haben. Ich hatte einen breiten Grinser auf den Lippen als ich den Soundtrack zum ersten Mal gehört habe, als Babylon 5 zum ersten Mal auf dem Bildschirm erschien und auch als der Abspann über den Schirm flimmerte. Rückwirkend betrachtet stören mich die Kleinigkeiten die mir während des Sehens noch negativ aufgefallen sind nicht im geringsten, sie wirken vollkommen unwichtig und belanglos. Da mag die Lochley-Story etwas schwächer gewesen sein, da mag sich die Station aufgrund der mangelnden Statisten etwas leer und verlassen angefühlt haben, und auch Lochley's Quartier etwas spartanisch eingerichtet gewesen sein. Und natürlich ist "Vergessene Legenden" mit etwas mehr als 70 Minuten etwas kurz. Doch all diese Kritikpunkte verblassen im Vergleich zur Freude die ich über die Rückkehr der meines Erachtens besten Serie aller Zeiten empfinde. Es mag zwar keine perfekte Rückkehr sein – aber es ist eine äußerst vielversprechende, und eine, die mich inständig hoffen lässt, dass es im Babylon 5-Universums noch viele "Vergessene Legenden" zu erzählen gibt...
Christian Siegel
Bewertung: Spannung: 3.5/5 | Erotik: 1.5/5 | Anspruch: 3.5/5 | Humor: 3/5 | Inhalt: 4/5 | Gesamt: 4/5
(Fan-Wertung; objektiv betrachtet wären wohl eher 3.5/5 als Gesamtwertung angebracht)
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