Originaltitel: Dr. Linus
Episodennummer: 6x07
Bewertung:
 
Erstausstrahlung USA: 09.03.2010
Erstausstrahlung D: 14.10.2010 (Free-TV, Kabel1)
Drehbuch: Adam Horowitz & Edward Kitsis
Regie: Mario Van Peebles
Hauptdarsteller: Naveen Andrews als Sayid Jarrah, Nestor Carbonell als Richard Alpert, Emilie de Ravin als Claire Littleton, Michael Emerson als Benjamin Linus, Jeff Fahey als Frank Lapidus, Matthew Fox als Jack Shephard, Jorge Garcia als Hugo „Hurley“ Reyes, Josh Holloway als James „Sawyer“ Ford, Henry Ian Cusick als Desmond Hume, Daniel Dae Kim als Jin Kwon, Yunjin Kim als Sun-Hwa Kwon, Ken Leung als Miles Straume, Evangeline Lilly als Kate Austen,Terry O‘Quinn als John Locke, Zuleikha Robinson als Ilana Verdansky
Gastdarsteller: Tania Raymonde als Alex, Jon Gries als Roger Linus, Alan Dale als Charles Widmore, Daniel Roebuck als Dr. Leslie Arzt, William Atherton als Don Reynolds
Kurzinhalt:
Als Miles Jacobs Überreste berührt, erkennt er, dass dieser von Ben ermordet wurde. Als Ilana dies erfährt, zwingt sie Ben trotz dessen verzweifeltem Dementi dazu, sein eigenes Grab zu schaufeln. Da erhält Ben Besuch vom falschen Locke, der ihm anbietet, ihn zu retten. Wenn er sich ihm anschließt, würde er dafür sorgen, dass Ben sobald Smokey und seine Anhänger die Insel verlassen haben, der neue Anführer und Bewahrer der Insel werden würde. Doch um zu fliehen, müsse er Ilana erschießen…
Die alternative Zeitlinie zeigt uns Ben Linus erneut als Lehrer an einer Highschool. Als er vom Rektor zu Supplierstunden verdonnert wird, ist er darüber alles andere als erfreut. Als er von einer seiner Schülerinnen, Alex, brisante Informationen über dessen Liebesleben erhält, sieht er darin die Chance, diesen zu stürzen.
Review:
 "Dr. Linus" war zwar nicht mehr so dramatisch wie die Episode zuvor, wusste jedoch trotzdem zu gefallen. Dies lag unter anderem an den faszinierenden und interessanten Flash Sideways, welche frühere Ereignisse auf der Insel teilweise widergespiegelt haben. So erinnert die Art und Weise, wie sich Dr. Benjamin Linus des Rektors entledigen will, daran, wie er Charles Widmore entmachtet hat – und zwar, soweit uns bisher bekannt ist, auch mit einer ganz ähnlichen Begründung. Schön zudem, dass auch in dieser alternativen Realität Ben ein gewiefter Manipulierer ist, der es schafft, Leute auf seine Seite zu ziehen. Berührend fand ich die Szenen mit seinem Vater, die wieder einmal deutlich gemacht haben, dass diese alternative Realität erst durch den Zwischenfall entstanden ist – alles zuvor hat sich so abgespielt wie bekannt, demnach waren Roger und Ben auch in dieser Zeitlinie ursprünglich auf der Insel, ehe sie diese verlassen mussten, als sie unterging.
Genau darin liegt dann auch schon der einzige Kritikpunkt begraben, den ich gegenüber "Dr. Linus" vorzubringen habe: Denn dann müsste ja eigentlich Ben auch von Sayid angeschossen und von den Anderen gerettet worden sein, dh. er sollte eigentlich auch hier seine "Unschuld" im Tempel verloren haben, und somit für immer "einer von ihnen" bleiben. Doch der hier präsentierte Ben wirkt deutlich harmloser, fürsorglicher und freundlicher als jener, den wir von der Insel kennen. Eine kleine Inkonsistenz, mit der ich allerdings leben kann. Um so gelungener fand ich seine fast väterliche Beziehung zu Alex, die ihn schließlich dazu zwingt, so wie damals auf der Insel zwischen seinen und ihren Interessen zu entscheiden. Und im Gegensatz zu damals entscheidet er sich diesmal für Alex: Er verzichtet darauf, den Rektor zum Rücktritt zu zwingen, und begnügt sich stattdessen mit einem Arrangement, dass ihm zwar durchaus Vorteile verschafft und eine gewisse indirekte Macht verleiht, doch sein eigentlicher Wunsch bleibt ihm verwehrt. Er gibt diesen bewusst auf, um Alex nicht zu schaden – und trifft damit in dieser alternativen Realität endlich jene Entscheidung, von der sich der Ben auf der Insel wünscht, er hätte sie damals getroffen – und dass er es nicht getan hat, verfolgt ihn nach wie vor. Immerhin scheint er dazugelernt zu haben: Als ihm der falsche Locke anbietet, sich ihm anzuschließen und der neue Anführer über die Insel zu werden, lehnt er ab, und entscheidet sich stattdessen für "Team Jacob". Generell war auch die Handlung auf der Insel sehr gelungen. Neben Ben's Handlung war auch jene von Jack, Hurley und Richard sehr interessant. Jack hat sich wirklich zu einer Art neuen Locke entwickelt, sein Glaube an die Insel und daran, dass seine Anwesenheit einen Zweck erfüllt, ist mittlerweile derart groß, dass er sogar sein Leben dafür aufs Spiel setzt. Damit bietet er das genaue Gegenstück zu Richard, der nach Jacob's Tod verzweifelt und desillusioniert ist, und in seiner Existenz keinen Sinn mehr sieht…
 Das Highlight der Episode war für mich aber ganz klar die Szene, als Ben von Jacobs Tod erzählt; ein ungemein kraftvoller Moment, der von Michael Emerson brillant dargestellt wurde. Ben ist so ein einsamer Mensch, und Emerson hat die Gefühle der Figur, ihre ganzen Ängste und Minderwertigkeitskomplexe, in diesem Moment glänzend hervorgebracht. Umso schöner, als Ilana ihm verzeiht und zu sich/ihrer Gruppe einlädt. Die letzte Einstellung, als alle Jack & Co. willkommen heißen, macht aber auch deutlich, dass er trotz allem nicht wirklich dazugehört und immer etwas im Abseits stehen wird. Diese letzte Szene war auch wieder sehr gut inszeniert. Nachdem mir die ersten 5 Episoden etwas - für Lost-Verhältnisse - schlicht in Szene gesetzt waren, geht's also – nach dem grandios inszenierten Angriff aus der letzten Folge und nun hier am Ende – auch diesbezüglich nun wieder aufwärts…
Fazit:
Die Flash Sideways waren dadurch, wie sie frühere Ereignisse auf der Insel widergespiegelt haben – und Ben die Chance gaben, diesmal die richtige Entscheidung zu treffen – sehr interessant und faszinierend. Die Handlung auf der Insel setzte aber sogar noch eins drauf – vor allem in jenem Moment, als Ben Ilana gegenüber den Mord an Jacob gesteht. Diese Szene mag gut und gern die beste schauspielerische Leistung geboten haben, die man bisher in der gesamten Serie sehen konnte – wirklich brillant gespielt von Michael Emerson. Auch das Wiedersehen am Ende war wieder hochwertig in Szene gesetzt, und sorgt gemeinsam mit der interessanten Offenbarung rund um das U-Boot für einen rundum zufriedenen Gesamteindruck.
Wertung: 4 von 5 Punkten
Christian Siegel
(Bilder © ABC)
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