Inhalt & Review:
"Die Legenden von Luke Skywalker" ist eine im Vorfeld zu "Die letzten Jedi" veröffentlichte Anthologie, die sich jedoch in mehrerlei Hinsicht von den Kurzgeschichtensammlungen "From a Certain Point of View" unterscheidet. So wurden alle Geschichten hier, so unterschiedlich sie in Stil, Ton und Inhalt auch sein mögen, von einer Person – Ken Liu – geschrieben. Zudem gibt es hier mit den Jugendlichen auf dem Frachter nach Canto Bight, die sich eben diese Geschichten erzählen, eine Rahmenhandlung, in der die einzelnen "Legenden" eingebunden sind. Beginnen wir dann auch gleich mal mit eben dieser Rahmenhandlung. Diese wirkte auf mich doch recht zweckmäßig, und insgesamt etwas aufgesetzt. Zumal sie irgendwie ins Nichts führt. Im Hinblick auf die letzte Einstellung von "Die letzten Jedi" hätte es mir wohl besser gefallen, wenn es sich um die dort gezeigten Kinder gedreht hätte, und Luke Skywalker dem mit der Macht den Besen schwingenden Jungen am Ende des Buchs als Geist erschienen wäre. Dann hätte die Rahmenhandlung auch noch einen anderen Sinn gehabt, als einfach nur als Ausgangssituation für die individuellen Geschichten zu dienen. Das ist somit dann auch gleich mal der erste Minuspunkt. Der mit Abstand größte folgt dann, wenn wir uns der ersten Story zuwenden. Ich konnte mit "Die Mythen-Killerin" nämlich absolut nichts anfangen. Die Grundidee, hier die Geschichte von "Eine neue Hoffnung" aus Sicht einer imperialen Offizierin zu erzählen, die imperiale Propaganda verbreitet (und wohl auch selbst glaubt), mag für sich genommen nicht uninteressant gewesen sein. Was Ken Liu hier daraus macht, hat für mich aber dermaßen nicht funktioniert, dass ich "Die Legenden von Luke Skywalker" an diesem Punkt auf einem Niveau mit den absoluten literarischen "Star Wars"-Tiefpunkten á la "Palpatines Auge" sah. Ich konnte mit dem "Humor" einfach überhaupt nichts anfangen, und fand das mit der Erwähnung der zwei unterschiedlichen Versionen des gleichen Ereignisses – die Zerstörung des Todessterns – einfach zu verkrampft und aufgesetzt augenzwinkernd ("wink wink, nudge nudge", wie es bei "Monty Python" heißen würde).
"Der Schiffsfriedhof" ist dann nur deshalb eine marginale Spur besser, als Ken Liu dort zumindest nicht versucht (und aus meiner Sicht daran scheitert), lustig zu sein. Davon abgesehen konnte ich aber auch mit dieser Geschichte nicht viel anfangen. Aus anderen, teils später veröffentlichten Büchern wissen wir, dass Luke Skywalker nicht bei der Schlacht von Jakku dabei war, was diese Geschichte, wo er vermeintlich einen imperialen Offizier rettet, ad absurdum führt. Zumal die Aussage "Wir sind alle Luke Skywalker", käme sie denn wirklich von Luke selbst, einfach nur sonderbar wäre. Insofern deutet das für mich an, dass es sich entweder um einen anderen Jedi handelte (was dann aber wiederum die Frage aufwerfen würde, wer das gewesen sein soll), oder aber, dass sich der Offizier das in seinem Wahn nur eingebildet hat. Beide Erklärungen überzeugen mich nicht. "Fischen in der Flut" ist dann ebenfalls wieder zumindest einen Hauch besser als die Story davor. In erster Linie, weil Luke hier für mich tatsächlich wie Luke wirkte (und klang). Dennoch war ich auch von dieser Geschichte nicht begeistert, nicht zuletzt auch, als ich mit der Interpretation der Macht von den Wesen die Luke hier besucht nicht so recht etwas anfangen konnte. Noch schwächer fand ich dann "Ich, der Droide"; und das, obwohl ich die Grundidee – Luke Skywalker zieht los, um R2D2 zu retten – eigentlich mochte. Mit der Umsetzung habe ich aber auch hier wieder ordentlich gehadert. Weiter abwärts geht es dann mit "Die Geschichte der schwermütigen Mote", wo wir die Ereignisse aus "Die Rückkehr der Jedi-Ritter" im Palast von Jabba aus der Sicht dieses flohartigen Wesens, welches im Fell von Salacious Crumb haust, erleben. Vor allem mit der Idee, dass diese Luke vor dem Sarlacc gerettet haben soll, konnte ich wieder mal überhaupt nichts anfangen. Dazu kommen wir dann aber eh gleich nochmal in meinem abschließenden Kritikpunkt an diesem Sammelband.
Zuerst aber zu "Verschluckt" – der einzigen hier enthaltenen Geschichte, die mir tatsächlich so halbwegs gefallen konnte. Vor allem die Grundidee, dass Luke und die Erzählerin in einer jener Weltallschnecken landen, in die es einst auch Han und Leia mit dem Millennium Falken verschlug, hatte es mir angetan. Umso mehr, als hier in weiterer Folge tatsächlich das Innenleben der Kreatur näher erforscht wird. Luke an sich fand ich hier auch wieder fantastisch getroffen, insbesondere in jenem Moment, wo er das Opfer eines zuvor gefangenen Lebewesens bedauert, damit er und seine Begleiterin entkommen können. Zwar ist auch diese Story letztendlich relativ belanglos, und erfahren wir nicht wirklich etwas Neues über unseren Helden. Dennoch war das für mich ganz klar der einzig nennenswerte Höhepunkt von "Die Legenden von Luke Skywalker" – wegen der ich auch geneigt gewesen wäre, ihr einen halben Wertungspunkt mehr angedeihen zu lassen. Jetzt kommt aber eben der gerade erwähnte, zentrale Kritikpunkt im Hinblick auf die gesamte Anthologie ins Spiel: Einige der hier enthaltenen Geschichten machen deutlich, dass die betreffenden Erzähler:innen höchst unzuverlässig ist. Dies gilt insbesondere für "Die Mythen-Killerin", "Der Schiffsfriedhof" und "Die Geschichte der schwermütigen Mote" – und damit die Hälfte der Kurzgeschichten. Eben dies lässt natürlich unweigerlich Zweifel darüber aufkommen, ob die anderen Geschichten "wahr" sind. Und das ist dann der letzte, zentrale Punkt, der "Die Legenden von Luke Skywalker" für mich zu einer ziemlich wertlosen Erfahrung machte: Es handelt sich eben wirklich nur um Mythen und Legenden, die von einer Person zur nächsten weitergegeben wurden, dabei schon von vornherein Zweifel am Wahrheitsgehalt bestand, und die möglicherweise seither noch einmal zusätzlich ausgeschmückt wurden. Es ist somit äußerst zweifelhaft, dass wir hier von "echten" bislang unbekannten Abenteuern von Luke Skywalker erfahren. Und wenn es eben "nur" Geschichten sind, die man sich über ihn erzählt, und es Ken Liu nur darum ging, ihn als mystische Gestalt der weit, weit entfernten Galaxis darzustellen, dann hat das für mich persönlich leider keinerlei Reiz.
Fazit:
Was hätte man aus dieser Idee nur machen können. Man stelle sich mal vor, dass sich jemand, lange vor dem neuen Widerstand, auf die Suche nach Luke Skywalker macht, und in der ganzen Galaxis Personen aufsucht, die ihn kannten, bzw. Abenteuer mit ihm erlebt haben. Und eben diese sehr unterschiedlichen Geschichten in "Die Legenden von Luke Skywalker" erzählt werden. Das ist ein Buch, dass mir – dann natürlich noch abhängig von den einzelnen Kurzgeschichten (die man vielleicht auch nicht alle in die Hände der gleichen Person hätte geben, sondern sich eher an den Anthologien für die Original-Trilogie aus dem Legends-Universum hätte orientieren sollen?) – sehr gut hätte gefallen können. Mit dem, was Ken Liu hier abliefert, konnte ich hingegen bedauerlicherweise so gut wie überhaupt nichts anfangen. Dies beginnt schon bei der wenig überzeugenden Rahmenhandlung, die ziemlich verkrampft einen Bezug zu "Die letzten Jedi" herstellt (und zudem jugendliche Protagonisten als Identifikationsfigur für die angestrebte Hauptzielgruppe präsentiert). Geht über die sehr schwankende, für mich persönlich aber insgesamt jedenfalls mangelhafte Qualität der einzelnen Geschichten (wobei ich insbesondere "Die Mythen-Killerin" einfach nur grauenhaft fand"). Bis hin zum Umstand, dass der Wahrheitsgehalt eines Großteils der hier enthaltenen Geschichten (oder zumindest einzelnen Elementen davon) stark angezweifelt werden muss. Und das ist dann eben der letzte, entscheidende Punkt: Wenn es sich "nur" um Legenden handelt, und nicht um "echte" Abenteuer von Luke Skywalker, dann haben diese Erzählungen hier für mich persönlich keinen Wert – und machen sie diesen Sammelband für mich letztendlich überflüssig.