Kurzinhalt:
Mit gerade einmal vier Jahren hat Peter Parker seine Eltern bei einem Flugzeugabsturz verloren. Seitdem lebt er bei seinem Onkel Ben und dessen Frau May. Im letzten Jahr der High School nimmt er an einem Schulausflug in ein Labor teil, wo genetische Experimente an Spinnen durchgeführt werden. Eines der Exemplare ist entkommen, setzt sich auf Peters Hand – und beißt ihn. Daraufhin macht sein Körper eine drastische Veränderung durch. Nicht nur ist er von einem Tag auf dem nächsten Topfit, und benötigt auch keine Brille mehr. Er verfügt zudem über eine Art sechsten Sinn, was Gefahr betrifft. Auf seinen Händen befinden sich kleine Härchen, mit dem er an jeder Oberfläche praktisch kleben bleibt. Und nicht zuletzt kann er aus seinen Handgelenken eine Art Spinnennetz schießen. Nachdem er sich an seine neuen Fähigkeiten gewöhnt hat, nutzt er diese vorerst zu sehr eigennützigen Zwecken. Bis ihn ein einschneidendes Erlebnis die große Verantwortung, die aus dieser großen Kraft hervorgeht, vor Augen führt…
Review:
Nach ersten zarten Erfolgen mit "Blade", vor allem aber natürlich dem Release von "X-Men", befanden sich Comic-Verfilmungen Anfang der 0er-Jahre (nach dem "Batman & Robin"-Flop) langsam wieder im Aufwind. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis man sich einen der größten und beliebtesten Marvel-Helden vorknöpfen würde. Unter der Regie von Sam Raimi – damals eine doch eher ungewöhnliche Wahl (war dieser doch eher für die nicht unbedingt massentaugliche "Evil Dead"-Reihe bekannt) – und mit einem Drehbuch von David Koepp (der zuvor u.a. Michael Crichtons "Jurassic Park" für Steven Spielberg adaptierte) kam im Frühjahr 2002 dann schließlich "Spider-Man" in die Kinos – und schlug ein wie eine Bombe. Nachdem man bereits den bis dahin veröffentlichten "X-Men"-Filmen Romanadaptionen spendiert hatte, hielt man an dieser Strategie auch für "Spider-Man" fest. In der heutigen Zeit, wo Geheimhaltung rund um solche Blockbuster groß geschrieben ist, undenkbar: Der Roman erschien bereits knapp zwei Monate vor dem Film. Um das Drehbuch von David Koepp zu adaptieren, wendete man sich an Peter David (der ja kürzlich verstorben ist). Dieser hatte zu Beginn seiner Karriere ein paar Ausgaben zu "Spider-Man" beigesteuert, war jedoch zumindest mir damals in erster Linie aus Autor von Lizenzromanen zu "Star Trek" bekannt (von denen ich so manche zu den besten Büchern zähle, die unter diesem Titel erschienen sind). Zudem brachte er auch Erfahrung als Drehbuchautor – u.a. für "Babylon 5" – ein. Und mit Romanadaptionen zu Film-Drehbüchern hatte er bei "Batman Forever" ebenfalls bereits erste Erfahrungen sammeln. Seine Wahl sollte sich als absoluter Glücksgriff erweisen: Denn sein "Spider-Man" Roman ist für mich sogar noch einmal um eine ganze Ecke besser als der ohnehin schon sehr gute Film.
Dies liegt grundsätzlich einmal daran, dass sich seine Adaption nie wie eine eben solche anfühlt. Wenn ihr schon ein paar dieser auf Drehbüchern basierenden Filmromane gelesen habt, dann wisst ihr, dass diese normalerweise ihre Herkunft nicht verbergen können. Bei nicht wenigen von ihnen hat man den Eindruck, dass die Dialoge übernommen wurden, und dazwischen halt Szenenbeschreibungen eingefügt wurden, damit man weiß, was vor sich geht. "Gewöhnliche" Romane lesen sich üblicherweise ganz anders, weil hier halt üblicherweise eben nicht die Dialoge und die Action so stark im Mittelpunkt stehen. Und genau das ist eine der wesentlichen Stärken von Peter Davids Adaption zu "Spider-Man": Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man glauben, dass der Film auf dem Buch basiert, und nicht umgekehrt. Er liest sich einfach von Anfang an wie ein "richtiger", vollwertiger Roman, und nicht einfach "nur" eine Adaption; und das selbst an jenen Stellen, die 1:1 aus dem Drehbuch (bzw. Film) übernommen wurden. Die zweite wesentliche Stärke liegt darin, dass Peter David das Drehbuch nur als Grundlage nimmt, aber sich weder was den Inhalt noch die Struktur betrifft nicht 100%ig daran gebunden sieht. So beginnt der Roman mit einem Prolog, in dem Spider-Man, bereits der Held der er im Verlauf der Geschichte erst wird, eine Bande von Jugendlichen aufhält, die auf einem Friedhof Ärger veranstalten wollten. Dies ist der Ausgangspunkt, von dem aus Peter Parker "uns" die Geschichte seines Lebens erzählt. Und die beginnt eben nicht, so wie der Film, bereits an der High School. Vielmehr werfen wir dank eines Prologs der uns Peter als vierjährigen Jungen zeigt, der gerade seine Eltern verloren hat, und plötzlich zu zwei ihm fremden Personen gebracht wird, einen Blick in seine Kindheit. Dabei handelt es sich um Abstand meine Lieblingsstelle aus dem Roman; nicht zuletzt auch deshalb, weil Peter David seinen Namensvettern auch wirklich als Kind, und nicht einfach Erwachsenen in einem kindlichen Körper, beschreibt. Peter ist verwirrt, verängstigt, und versteht nicht, was hier vor sich geht, als er plötzlich zu seinem Onkel und seiner Tante gebracht wird. Die entsprechenden Kapitel sind herzzerreißend – und zählen für mich zum absolut besten, dass Peter David im Verlauf seiner langen und ergiebigen Karriere als Schriftsteller je geschrieben hat.
Nach dem Sprung zur High School beginnt dann die eigentliche Adaption des Drehbuchs. Auch diese ist Peter David hervorragend gelungen. Denn auch in diesem Teil begnügt er sich nicht damit, einfach nur den Text des Drehbuchs zu übernehmen und ein bisschen auszuschmücken, sondern dient ihm dieser vielmehr als Basis für seine eigene Geschichte. Immer wieder erweitert und vertieft er die Vorlage, und nutzt dabei nicht zuletzt auch die Möglichkeiten von Büchern (im Vergleich zu Filmen), tiefer in das Innenleben der Figuren – hier natürlich in erster Linie Peter Parker – vorzudringen. Neben der Beschreibung seiner Gedanken und Gefühle generell tragen vor allem auch die Briefe, die Peter an seine Eltern schreibt, und die als eine Art Tagebuch fungieren, viel dazu bei, dass wir hier stärker in Peters Psyche vordringen, als dies der Film vermochte. Eben deshalb fühlte ich mich der Figur hier beim Lesen auch nochmal um einiges stärker verbunden, als dies beim Sehen des Films (trotz einer extrem sympathischen Performance von Tobey Maguire) der Fall war. Eine weitere wesentliche Stärke ist dann Peter Davids Schreibstil, den ich halt generell ungemein mag. Es gibt hier einige wirklich sehr schöne Formulierungen und einfach wundervolle Textzeilen (nur um ein Beispiel herauszugreifen: Als Ben zu Peter meint, dass er zuerst denken und dann sprechen soll, und dieser daraufhin meint, man müsste doch eigentlich ohnehin denken, bevor man sprechen kann, erwidert Ben trocken: "Seltener als man glauben sollte."), zudem auch nochmal um einiges mehr Humor, als es der Film bot – der jedoch nie auf Kosten der Spannung und/oder Dramatik geht. Cool fand ich auch die hier eingebauten Anspielungen auf andere bekannte Superhelden. Die letzte wesentliche Stärke liegt dann im zugrundeliegenden Drehbuch selbst. David Koepp hat hier halt echt eine super Vorlage – sowohl für den Roman als auch den Film – hingelegt, wovon natürlich auch Peter David profitiert (weil dass es selbst ihm mit seinem schwachen Drehbuch schwer fällt, zu glänzen, hat "Fantastic Four" bewiesen). Zum Ende hin nehmen dann zwar Peter Davids Erweiterungen/Vertiefungen ab, und konzentriert er sich zunehmend "nur" mehr auf die Filmhandlung, was dem Roman ein bisschen an Reiz nimmt. Dies ändert aber nichts daran, dass Peter Davids "Spider-Man" für mich auch über zwanzig Jahre später immer noch den Goldstandard für Filmadaptionen darstellt, und somit jener Maßstab ist, an dem sich alle anderen entsprechenden Werke messen (lassen) müssen.
Fazit:
"Spider-Man" ist die beste Romanadaption eines Films/Drehbuch, die ich bislang gelesen habe. Was Peter David hier aus dem ohnehin schon starken Drehbuch von David Koepp herausholt, ist einfach nur sensationell. Sein Roman liest sich von der ersten bis zur letzten Seite nicht wie "nur" eine Adaption; vielmehr könnte man glauben, dass es hier vielmehr umgekehrt war, und der Film auf Peter Davids Buch basiert. Er baut auf Koepps Vorlage auf, vertieft sie, und schafft es so, den ohnehin schon sehr guten Film zu übertreffen. Vor allem der kurze Einblick in Peters Kindheit – nachdem Tod seiner Eltern – hatte es mir angetan. Aber auch danach gibt es zahlreiche gelungene Erweiterungen, welche die Story für mich nochmal aufwertete. Und nicht zuletzt war meine Bindung zu Peter Parker hier im Vergleich zum Film stärker, da Peter David hier ausführlich auf sein Innenleben eingeht. Es hilft zweifellos auch, dass ich generell ein großer Fan von Peter Davids Schreibstil bin, und auch "Spider-Man" wieder ausgesprochen gut geschrieben fand. Und trotz aller Erweiterungen ist der Roman von Anfang bis Ende flott erzählt; im Gegensatz zu, beispielsweise, "X-Men²", wo die Handlung teilweise zum Stillstand kam, weil es Chris Claremont mit der Vertiefung von einzelnen Momenten einfach völlig übertrieben hat. Zwar nehmen mit fortlaufender Seitenzahl die eigenen Akzente, die Peter David setzt, merklich ab, und verliert der Roman damit zum Ende hin ein bisschen an Reiz. Dennoch ist "Spider-Man" ein großartiger Roman, der Spider-Mans Prädikat "amazing" nochmal um einiges mehr gerecht wird, als der Film.