Kurzinhalt:
Ein paar Jahre nachdem sein Onkel Bilbo nach der Feier seines einundelfzigsten Geburtstags – selbst für Hobbits ein stattliches Alter – sein Heim und das Auenland verließ, erfährt Frodo Beutlin vom Zauberer Gandalf, dass es sich bei jenem Ring, der ihm damals unter anderem hinterlassen wurde, um den einen Meisterring des dunklen Herrschers Sauron handelt. Einst in den Feuern des Schicksalsberges geschmiedet, um alle anderen Ringe – und damit auch sämtliche Völker Mittelerdes – zu unterjochen. Vor tausend Jahren wurde er zwar von einem Bündnis aus Elben und Menschen besiegt, doch ein Teil Saurons überlebte. Nun ist er wieder in seine Festung in Mordor zurückgekehrt, wo er seine Macht seither stetig ausgebaut hat. Das einzige, was ihm nun noch fehlt, um Mittelerde wieder in die Dunkelheit zu stürzen, ist der eine Ring. Frodo Beutlin wird deshalb mit der so bedeutsamen wie gefährlichen Aufgabe betreut, den Ring nach Bruchtal zu bringen, wo man in Elronds Rat entscheiden will, was mit dem Ring geschehen soll. Der Weg dorthin ist bereits mit zahlreichen Gefahren geebnet – wobei ihn Frodo zumindest nicht ganz allein gehen muss, wird er doch von seinem treuen Freund Sam, den beiden Hobbits Merry und Pippin, sowie dem Waldläufer Streicher begleitet. In Bruchtal wird dann schließlich entschieden, dass man versuchen will, den Ring zu zerstören – was jedoch nur in den Feuern des Schicksalsberges gelingen kann. Dafür wird die Gemeinschaft des Rings gebildet, die neben Frodo, Sam, Merry, Pippin und Streicher – bei dem es sich in Wahrheit um Aragorn handelt, einem Nachfahren der Könige Numenors – noch aus dem Zwerg Gimli, dem Elb Legolas, dem aus Gondor stammenden Menschen Boromir, sowie Zauberer Gandalf, besteht. Und so brechen die Gefährten zu ihrem so aufregenden wie gefährlichen Abenteuer auf…
Review:
Zu "Der Herr der Ringe" kam ich erst relativ spät, nämlich – motiviert durch die anstehende Veröffentlichung des ersten Teils der Filmtrilogie – 2001, im Alter von 21 Jahren. Damals gelang es dem Roman allerdings, nach einer kleinen Eingewöhnungsphase ("Über Hobbits" ist halt doch ein sehr eigenwilliger Einstieg – zugleich aber irgendwie auch ein guter Gradmesser, ob man mit Tolkiens ausschweifendem Erzählstil etwas anfangen kann. Und ist man da mal durch, hat man auch das schlimmste schon hinter sich, da danach die eigentliche Geschichte ins Rollen kommt), mich voll und ganz zu verzaubern. Damals hatte ich noch die Angewohnheit, mit dem Lesen bestimmte Synchronstimmen vorzustellen, und schon allein die vielen Rollen zu besetzen hat mir sehr viel Spaß gemacht. Und generell regte die Beschreibung von Mittelerde meine Fantasie an. So gesehen war es vielleicht doch nicht so schlecht, die Trilogie noch vor der Veröffentlichung von "Die Gefährten" gelesen zu haben – auch wenn ich es dann insofern bereute, als ich mich im Kino unweigerlich fragte, um wie viel spannender ich das alles finden würde, wenn ich nicht schon wüsste, wie es weitergeht. Jedenfalls: Nachdem die Trilogie abgeschlossen war und auch alle Extended Editions veröffentlicht wurden, habe ich ihn mir noch ein zweites Mal vorgeknöpft. In beiden Fällen griff ich dabei zur für mich einzig wahren Übersetzung von Margaret Carroux. Die Neuübersetzung von Wolfgang Krege kommt für mich nicht nur generell schon einem Affront gleich – immerhin war J.R.R. Tolkien Linguist, und hat sich für diese altertümliche Sprache ja bewusst entschieden; die modernisierte Variante ist daher für mich in etwa so, als wenn du Faust als Prosa nacherzählen würdest, und ist für mich so gesehen eigentlich mehr eine Adaption als eine Übersetzung, die in meinen Augen eigentlich immer so werksgetreu wie möglich sein sollte – es geht für mich dabei aufgrund der einfacheren Sprache viel zum Zauber der Vorlage verloren. Nun war es jedoch nach all den Jahren endlich an der Zeit, mir "Der Herr der Ringe" noch einmal – und diesmal in der englischen Originalausgabe (in der schönen Hardcover-Edition mit Illustrationen von Alan Lee) – vorzuknöpfen. Im Gegensatz zu vielen anderen Sachen, die ich so nebenbei lese, war "Die Gefährten" nun wochenlang mein Betthupferl, und wurden vor dem Schlafen gehen – wo ich eben ohne Ablenkung so richtig in die Geschichte eintauchen konnte (unterstütz von Howard Shores Filmmusik, die mich bei dieser Reise begleitete) – jeweils immer ein bis zwei Kapitel gelesen. Und, was soll ich sagen: Mich hat das auch diesmal wieder genau so fasziniert, wie damals vor knapp zwanzig Jahren.
Für mich ist "Der Herr der Ringe" ein bisschen das "2001 – Odyssee im Weltraum" der Fantasy-Literatur. Es gibt jene, denen es zu lang und -weilig ist, die es einschläfernd finden, und einfach keinen Zugang finden. Und dann gibt es jene, so wie mich, die in dieser faszinierenden, umfangreichen Welt, die Tolkien hier erschaffen hat, versinken, und praktisch von der ersten bis zur letzten Seite von ihr verzaubert werden. In beiden Fällen freut es mich jedenfalls, mich zu letzterer Gruppe zählen zu können. Was nicht heißt, dass ich die Kritik von einigen nicht nachvollziehen könnte, weil leicht macht es Tolkien seinen Lesern sicherlich nicht. Angefangen beim schon erwähnten ersten Kapitel, dass eher einer wissenschaftlichen Dissertation gleichkommt, über die so eigenwillige wie altertümliche Sprache, die "Der Herr der Ringe" zu einem doch eher gehobenen, anspruchsvolleren Lesevergnügen macht, bis hin zur ausschweifend erzählten Handlung voller Umwege, Figuren die so schnell auftauchen wie sie dann auch wieder verschwunden ist, sowie Erwähnungen von fernen Ländern und/oder längst vergangenen Personen, die einen in diesem Detail sicherlich erschlagen und überfordern können. Bei mir hingegen war genau das Gegenteil der Fall. Denn all diese – vermeintlich beliebigen – Details weisen darauf hin, dass wir nur einen sehr kleinen Blick auf die faszinierende Welt von Mittelerde erhaschen, es aber "hinter dem Hügel" eine lebendige, komplexe Welt gibt – und zudem einen weitreichende Geschichte, deren Auswirkungen eben bis in die "Gegenwart" spürbar ist. Sprich, man merkt, dass J.R.R. Tolkien hier die Welt Mittelerdes in einem Detailgrad ausgearbeitet hat, die in der Literatur seinesgleichen sucht; und eben dies gibt dem Text eine Tiefe, und damit zugleich der Geschichte eine Authentizität, die "Der Herr der Ringe" für mich so einzigartig macht. Und auch die ganzen Umwege stören mich nicht im Geringsten. Klar kann man argumentieren, was denn ein Tom Bombadil eigentlich zur Geschichte beiträgt. Die Antwort darauf ist, wenn man ehrlich ist: Nichts. So gesehen verstehe ich auch voll und ganz die Entscheidung, den aus der Verfilmung draußen zu lassen. Jedoch, letztendlich machen all diese – beliebigen, willkürlichen – Details und Begegnungen für mich einen weiteren ganz großen Reiz von "Der Herr der Ringe" aus. Weil es eben nicht nur um die Geschichte, die Aufgabe, die Quest, geht, sondern auch darum, zusammen mit den Gefährten Mittelerde zu erkunden.
Neben der Erzähltiefe besticht nicht zuletzt auch die Sprache. "Der Herr der Ringe" ist ganz bewusst und absichtlich in einer altertümlichen Sprache gehalten, die ebenfalls viel dazu beiträgt, uns in diese andere, längst vergangene Welt, eintauchen zu lassen. Die Figuren sind ebenfalls sehr sympathisch. Zugegebenermaßen sind diese zwar der eine Aspekt, wo man einwenden könnte, dass noch etwas mehr möglich gewesen wäre – gerade auch wenn man sich ansieht, wie Tolkien was die Welt um sie herum betrifft in die Tiefe geht. Weil so richtig beleuchtet wird letztendlich nur Frodo, der Rest wird doch eher oberflächlich abgehandelt. Trotzdem bekommt man bereits innerhalb dieses ersten Bandes einen sehr guten (ersten) Eindruck von den Figuren, vom treuen Sam über den weisen Gandalf bis hin zum zwiegespaltenen – und vom Ring verführten – Boromir. Und natürlich darf man auch nicht vergessen, dass dies erst der erste Teil der Reihe ist, und sich ihre Charakterentwicklung –die hier teilweise bereits beginnt, siehe die Annäherung zwischen Gimli und Legolas, oder auch Aragorn, der seinen Waldläufer zunehmend hinter sich und immer mehr das Königliche durchblitzen lässt – natürlich in den anderen beiden Bänden noch fortsetzt. Aber ja, ich denke, es ist fair, festzuhalten, dass Tolkien bei den Gefährten selbst, abseits von Frodo, nicht ganz so in die Tiefe geht, wie dies möglich gewesen wäre. Die Geschichte an sich gefällt mir dafür nach wie vor ausgesprochen gut. Schon allein das Setup ist einfach grandios, mit diesem kleinen Ring, der droht, Mittelerde in den Untergang zu stürzen. Mit den neun Gefährten, die quasi gegen eine ganze Welt antreten müssen, haben wir zudem den klassischen David gegen Goliath-Effekt – der dadurch, dass es sich bei der Hauptfigur um einen kleinen Hobbit handelt, noch einmal verstärkt wird. Aber auch die Geschichte an sich hat es mir angetan. Eben vielleicht mit Ausnahme des ersten Kapitels, wo man mit Informationen zu Hobbits und der Geschichte Mittelerdes förmlich erschlagen wird, gelingt es Tolkien ausgesprochen gut, zwischen Aufrollung von Hintergrundinformationen (und damit einer Vertiefung der Mythologie), der Erkundung Mittelerdes, sowie der Aufgabe an sich – mit einigen wirklich spannenden Momenten, und auch schon dem ersten ganz großen Verlust, den die Gemeinschaft hier verkraften muss – hin- und herzuwechseln. Die teils wirklich wunderschön geschriebenen Dialoge sind dann noch das Tüpfelchen auf dem i. Da ich das Ganze im Hardcover und nicht am Kindle – wo man direkt markieren kann – gelesen habe, kann ich zwar leider nicht mit einem Beispiel dienen, aber es gab so manche schöne Textzeile, die mich innehalten ließ. All dies zusammen macht "Der Herr der Ringe – Die Gefährten" dann eben zum ersten Teil des für mich absoluten Meisterwerks der Fantasy-Literatur.
Fazit:
Ja, gut, ok, das erste Kapitel ist gerade auch wenn man "Der Herr der Ringe" zum ersten Mal in die Hand nimmt schon ein bisschen ein Kraftakt, und ich verstehe, wenn einige hier gleich sehr früh abgeschreckt wurden. Generell leuchtet mir schon ein, warum viele mit diesem sehr ausschweifenden und zudem in altertümlicher Sprache gehaltenen Text nichts anfangen können. Und die Figuren bekommen nicht ganz jene Aufmerksamkeit, die Tolkien der Welt um sie herum angedeihen lässt. All dies verblasst für mich letztendlich aber gegenüber der meisterlichen Leistung, die "Der Herr der Ringe" für mich letztendlich darstellt. Der erste Band findet, abseits des ersten Kapitels, genau die richtige Mischung aus der Erkundung Mittelerdes, dem Erforschen der dahinterliegenden Mythologie, sowie dem im Zentrum stehenden Abenteuer rund um den einen Ring. Sowohl die Sprache als auch die Erzähltiefe, die dem ganzen auch eine bestechende Authentizität verleihen, schafften es auch diesmal wieder, mich praktisch von Anfang an zu verzaubern, und mich in diese faszinierende Fantasy-Welt eintauchen zu lassen. Insbesondere – wenn auch nicht nur – was Letzteres betrifft, ist "Der Herr der Ringe" im Bereich der Fantasy-Literatur für mich unübertroffen. Und das gilt eben für den ersten Band, "Die Gefährten", genauso wie für die weiteren, welche die Handlung dann auf spannende und oftmals auch durchaus überraschende Art und Weise fortführten.
Bewertung: 5/5 Punkten
Christian Siegel
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