Kurzinhalt:
Die Bewohner der Scheibenwelt befinden sich in heller Aufregung: Denn Great A'Tuin, die Welt-Schildkröte, auf dessen Panzer jene vier Elefanten stehen, auf deren Rücken wiederum die Scheibenwelt ruht, bewegt sich unaufhaltsam auf einen großen roten Punkt im Sternenhimmel zu. Um den drohenden Weltuntergang doch noch zu verhindern, wenden sich die Zauberer der Unsichtbaren Universität an das Octavo, ein Buch voller Magie, mit sieben der acht mächtigsten Zaubersprüchen der Welt. Doch der achte davon hat sich vor Jahren im Kopf des nur mäßig begabten Zauberers Rincewind eingenistet – der jedoch gerade vom Rand der Scheibenwelt gefallen ist und nun von ihr wegtreibt. Kurz darauf findet er sich jedoch plötzlich – zusammen mit seinen Begleitern, dem Touristen Twoflower und dessen magische Truhe, die auf hunderten von Beinen herumspaziert – wieder mitten auf der Scheibenwelt wieder. Denn Rincewind hat eine wichtige Aufgabe zu erfüllen – ist er doch der Einzige, der den drohenden Untergang der Scheibenwelt verhindern kann…
Review:
"The sun rose slowly, as if it wasn't sure it was worth all the effort." Mit diesem wundervollen, amüsanten Satz beginnt einer der besten Romane, die ich in meinem Leben bisher gelesen habe. "The Light Fantastic" ist eine in allen Bedeutungen des Wortes "phantastische" Fortsetzung von "The Colour of Magic". Um den einzigen potentiellen Kritikpunkt gleich aus der Scheibenwelt zu schaffen: Ja, die Auflösung des Cliffhangers ist etwas einfallslos. Dass der Zauberspruch Rincewind rettet, mag noch ansatzweise plausibel sein – aber warum sollte er dabei auch Twoflower wieder auf die Scheibenwelt teleportieren? Das war doch etwas beliebig, und hier hatte ich den Eindruck, als hätte sich Terry Pratchett mit dem Ende von "The Colour of Magic" in eine Sackgasse geschrieben, und wusste nun nicht so recht, wie er da wieder rauskommen soll. Ein Kritikpunkt, der jedoch für mich angesichts der Qualität des restlichen Romans verblasst wie ein sich langsam wieder entfernender roter Punkt am Sternenhimmel.
Einer meiner (wenigen) Kritikpunkte am Vorgänger war ja, dass mir ein konkretes Ziel und ein damit einhergehender roter Faden gefehlt hat. Rincewind und Twoflower erlebten ein Abenteuer nach dem anderen, die jedoch eher unabhängig voneinander waren, und wo man nicht so recht wusste, wo das ganze denn nun eigentlich hinführen soll. Einen ähnlichen "Fehler" macht Terry Pratchett in "The Light Fantastic" nun nicht mehr. Mit dem großen roten Stern und Great A'Tuin der/die sich darauf zubewegt, und der Kenntnis dass ein schlimmes Schicksal mit Hilfe der acht Zaubersprüche aus dem Octavo abgewendet werden muss, ist von vornherein klar, was auf dem Spiel steht, und wo sich die Reise in etwa hinbewegen wird. Zwar folgen auch danach viele einzelne, mehr oder weniger unabhängige Abenteuer, die Rincewind und Twoflower erleben, aufgrund des klaren Ziels das wir vor Augen hatten hat mich dies bei "The Light Fantastic" aber nicht im Geringsten gestört. Zumal ich jedes dieser einzelnen Abenteuer phantastisch fand. Beim Vorgänger fiel ja für mich persönlich das Kapitel rund um die imaginären Drachen etwas ab. Diesmal fand ich jedes einzelne Abenteuer ungemein unterhaltsam, und auch wieder sehr phantasievoll – wobei es mir Rincewinds kurzer Besuch im Reich des Todes ganz besonders angetan hat. Aber auch alles rund um die Trolle fand ich wunderbar.
"The Light Fantastic" bezog viel von seinem Humor wieder aus dem wunderbaren Zusammenspiel zwischen den Figuren. Vor allem Rincewind und Twoflower waren dank ihrer konträren Persönlichkeiten wieder ein Quell steten Humors. Auch die Truhe bekommt zahlreiche wunderbare Momente geschenkt. Das bekannte Figurenensemble rund um die beiden wird zudem um einige köstliche Neuankömmlinge ergänzt. Ganz besonders stach dabei für mich Cohen hervor, offenkundig eine Parodie auf Conan, die bei mir dank des alten, verrunzelten aber immer noch praktisch unbesiegbaren Helden wunderbar funktioniert hat. Und natürlich reißt er sich eine hübsche junge Frau auf, die er vor einem grausamen Schicksal gerettet hat – wie könnte es ja auch anders sein? Auch den Einblick in die Unsichtbare Universität und die Intrigen zwischen den Zauberern fand ich sehr interessant. Auch das Finale hat mir dann sehr gut gefallen; es war spannend geschrieben und überzeugte mit einigen tollen Höhepunkten. Und am Ende gelang es Terry Pratchett mit dem Abschied zwischen Rincewind und Twoflower, mich sogar ein wenig zu berühren.
Die größte Stärke ist aber nach wie vor Terry Pratchetts humorvoller, gewitzter Schreibstil. Es gab zahlreiche Momente, bei denen ich laut aufgelacht habe. In erster Linie waren dafür wieder Rincewinds trocken-zynische Kommentare verantwortlich ("Do you think there's anything to eat in here?" "Yes. Us." … "What should we do?" "Panic?"), aber auch in der Art und Weise, wie Pratchett die Geschichte erzählt, steckt ungemein viel Humor. Vor allem seine wunderbaren Beschreibungen haben es mir dabei immer wieder angetan, wie z.B. wenn er erklärt, dass die Dunkelheit nicht das Gegenteil von hell ist, sondern vielmehr nur die Abwesenheit von Licht. Oder auch: "'Well?' said Death, in a voice with all the warmth and colour of an iceberg." Oder: "There was a long silence. Then a slighty shorter silence." Und als letztes Beispiel noch: "The luggage said nothing, but louder this time." Zudem strotzt auch "The Light Fantastic" wieder nur so vor originellen Ideen und grandiosen Einfällen, wie das Verbot zur poetischen Umschreibung, die sprechenden Bäume, der Besuch des Lebkuchenhauses von Hänsel und Gretel, der Bibliothekar der Unsichtbaren Universität, und noch viele mehr. Insgesamt macht das einen grandiosen, phantasievollen, und ungemein witzigen und unterhaltsamen Roman.
Fazit:
Rund 2-1/2 Jahre hat Terry Pratchett die "Discworld"-Fangemeinde auf die Fortsetzung zum ersten Scheibenwelt-Roman "The Colour of Magic" warten lassen – und das Warten hatte sich absolut gelohnt. Als größte Stärke erweist sich dabei erneut Pratchetts ungeheurer Sprach- und Wortwitz und seine höchst amüsante Art, zu Schreiben. Auch die Figuren sind wieder einmal phantastisch. Aus den Gegensätzen zwischen Rincewind und Twoflower zieht "The Light Fantastic" neuerlich viel Humor, zudem wird das Ensemble um ein paar tolle neue Figuren, wie den alten Barbaren Cohen, bereichert. Da diesmal nicht weniger als das Schicksal der Scheibenwelt auf dem Spiel steht, gehört auch der von mir beim Vorgänger vorgebrachte Kritikpunkt des mangelnden dramaturgischen Fadens der Vergangenheit an. Zahlreiche großartige Momente sowie ein rundum gelungener Showdown runden das phänomenale Gesamtbild ab. Kurz und gut: "The Light Fantastic" ist einfach ein Genuss, und das vom ersten bis zum letzten Satz.
Bewertung:
5/5 Punkten
Christian Siegel
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