Kurzinhalt:
Seit den späten 60er Jahren bemüht sich der von Außerirdischen ausgebildete Gary Seven gemeinsam mit seiner Assistentin Roberta Lincoln und seiner geheimnisvollen Katze Isis die Menschheit davor zu bewahren, sich selbst zu vernichten. Mitte der 70er wird er auf ein geheimes Forschungsprojekt mit dem Namen "Chrysalis" aufmerksam, dass in Indien durchgeführt wird und dessen Ziel es ist, durch genetische Manipulation eine neue, verbesserte menschliche Rasse zu züchten. Es gelingt Gary Seven zwar, das Projekt zu beenden, doch die Wissenschaftler waren mit ihrer Forschung schon weiter, als er es befürchtet hatte: Es gibt bereits ein paar genetisch verbesserte Kinder. Man entschließt sich, diese auf der ganzen Welt zu verteilen – damit hofft Gary Seven, den Einfluss dieser Kinder auf das Weltgeschehen verringern zu können. Ein paar Jahre später wendet sich Gary an einen der genetischen Jungen, den indischen Teenager Noon. Dieser soll ihm bei einer schwierigen Mission helfen. Gary hofft insgeheim, den jungen Knaben für seine Sache begeistern zu können und ihn in einigen Jahren ins Team aufzunehmen. Schon bald wird Gary allerdings klar, dass er einen schweren Fehler begangen hat, ist der Junge doch viel zu gewalttätig, arrogant und ungestüm. Doch Khan Noonien Singh glaubt, nun endlich seine Bestimmung gefunden zu haben, und verschreibt sich, wie auch Gary Seven, dem Ziel, die Menschheit vor sich selbst zu retten – jedoch mit deutlich radikaleren Mitteln…
Review:
Ich hatte die Khan-Duologie "The Eugenics Wars" sowie den Nachfolger "To Reign in Hell" ja bereits vor Jahren mal gelesen. Dass diese nun dank Cross Cult auch den Weg in deutsche Bücherregale gefunden hat – und dabei neben einer sehr sorgfältigen Übersetzung auch mit zwei phantastischen Covern von Martin Frei aufwarten kann, welche die englische Veröffentlichungen weit in den Schatten stellen – nahm ich mir zum Anlass, sie mir nach all der Zeit ein weiteres Mal durchzulesen. Und zumindest vom ersten Teil war ich dabei mindestens wieder genauso begeistert, wie damals. Ja, möglicherweise sogar eine Spur mehr, da ich mir die klassische Serie ja vor einigen Jahren noch einmal komplett angesehen hatte, und mir diese daher diesmal deutlich besser in Erinnerung war, als damals, als ich mir die Romane zum ersten Mal vorgeknöpft habe. Was mir persönlich dabei auch diesmal wieder sehr gut gefallen hat – wobei mir bewusst ist, dass dies der eine oder andere anders sehen mag – ist die originelle Zugangsweise. Viele hätten sich wohl dazu entschlossen, den Roman aus Khans Perspektive zu erzählen bzw. ihn in den Mittelpunkt zu stellen, und ihn bei seinem Werdegang zu begleiten. Stattdessen stehen aber vielmehr Gary Seven, Roberta Lincoln und Isis im Mittelpunkt des Geschehens – die jedoch im Zuge ihrer Arbeit auf der Erde seine Wege mehrmals kreuzen, und denen letztendlich auch große, wichtige Rollen in den eugenischen Kriegen zukommen werden. Dies macht die Romanreihe nicht nur zu einem Prequel zu "Der schlafende Tiger", sondern auch zu einem Sequel von "Ein Planet, genannt Erde" – was ihm für mich einen zusätzlichen Reiz verschaffte.
In erster Linie dient die Reihe rund um die eugenischen Kriege dabei natürlich dazu, die tatsächliche Geschichte mit der von "Star Trek" 1967 präsentierten "Zukunfts"vision in Einklang zu bringen. Denn während der 05. April 2063 ja immer noch vor uns liegt und daher nicht auszuschließen ist, dass an diesem Tag die Vulkanier bei uns landen (wobei ich sehr darauf hoffe, dass uns der diesem Ereignis vorangehende dritte Weltkrieg erspart bleiben wird), bezogen sich die Vorhersagen aus "Der schlafende Tiger" auf die damals zwar zukünftigen aber mittlerweile historischen 90er, wo die titelspendenden, weltumspannenden eugenischen Kriege gewütet haben sollen. Anno 1967 rechnete natürlich niemand damit, dass "Star Trek" einmal ein derart popkulturelles Phänomen werden würde, dass man auch 30 (oder mittlerweile fast 50) Jahre später noch darüber spricht. Der moderne Trekkie, der "Star Trek" gerne als Extrapolation unserer Gegenwart verstehen würde, kommt jedoch nicht umhin, die Diskrepanzen zwischen der damaligen Zukunftsvision und der Realität anzumerken. Anfang der 0er-Jahre stellte sich Greg Cox nun der herkulischen Aufgabe, eben diese Diskrepanzen zu beseitigen, und "Star Trek" ganz klar in der tatsächlichen Geschichte zu verankern. So finden sich in "Die eugenischen Kriege 1" zahlreiche Anspielungen auf tatsächliche historische Ereignisse, die von Cox teilweise uminterpretiert und/oder ausgeschmückt werden, oder aber als Katalysator für bestimmte für die weitere "Star Trek"-Geschichte (insbesondere natürlich Khans Entwicklung) wichtige Ereignisse dienen. Zugegeben, die weitaus größere Herausforderung stand ihm dann bei Band zwei bevor (da Band 1 ja erstmal nur die Vorgeschichte zu den eugenischen Kriegen erzählt), dennoch war dies zweifellos eine große Herausforderung – die er mit Bravour meistert.
Generell sorgt die Tatsache, dass der Roman eben nicht so wie 99% der "Star Trek"-Bücher in der Zukunft, sondern der Vergangenheit angesiedelt ist, für einen ganz eigenen Flair – den Cox durch zahlreiche popkulturelle Anspielungen auf die damalige Zeit noch zusätzlich verstärkt. Darüber hinaus baut er zudem neben den beiden Folgen "Der schlafende Tiger" und "Ein Planet, genannt Erde", die ihm natürlich als Hauptinspirationsquelle dienten, noch ein paar weitere Referenzen auf die bekannte "Star Trek"-Geschichte ein, und beweist damit sein fast enzyklopädisches Wissen rund um die Serie. Eine weitere wesentliche Stärke des Romans sind die Figuren. So erhält der Leser hier bereits erste faszinierende Einblicke in Khan Noonien Singh, welche die Anschaffung allein schon lohnen. Sehr interessant fand ich es zudem, auch etwas mehr Zeit mit Gary Seven zu verbringen und so mehr über den Beschützer der Menschheit zu erfahren. Und vor allem auch seine Assistentin Roberta Lincoln, die in "Ein Planet, genannt Erde" noch nicht viel mehr war als schmückes Beiwerk, profitiert von "Die eugenischen Kriege I" enorm, da sie sich hier als wichtige und kompetente Stütze erweist. Sehr interessant fand ich auch Gary Sevens ursprüngliche Absicht, Khan für ihre Organisation zu rekrutieren – einen Plan, den er jedoch gleich nach ihrer ersten gemeinsamen Mission in der Arktis ad acta legt. Nichtsdestotrotz macht er Khan damit auf sich und die von ihm genutzte fortschrittliche Technologie aufmerksam, und führt die Figur – wenn auch unbeabsichtigt – auf jenen Weg, der Khan schließlich seine – selbsternannte – Bestimmung finden lässt, als gütiger Führer über die Erde zu herrschen und alles richtig zu stellen, was auf unserem Planeten falsch läuft. Er übernimmt damit quasi Sevens Mission – jedoch auf verzerrte, korrumpierte Art und Weise, bei der nicht das Wohl der Menschheit, sondern die Macht des Individuums, im Zentrum steht.
Neben dem Inhalt selbst kann auch Greg Cox Schreibstil durchaus gefallen. Er findet die richtige Mischung aus charakterorientierten Momenten und einem Vorwärtsmomentum bei der Geschichte, so dass zumindest mir beim Lesen nie langweilig wurde. Die ganz große Spannung sucht man zwar überwiegend vergeblich – hier stechen in erster Linie die Kapitel in Rom bzw. in der Chrysalis-Basis hervor – aber zumindest ich fand die Geschichte interessant und faszinierend genug, um auch ohne große Bedrohungsszenarien bestens unterhalten zu werden. Insgesamt gelang es Greg Cox in "Die eugenischen Kriege I" jedenfalls, eine epische, mehrere Jahrzehnte umspannende Geschichte auf durchwegs interessante und unterhaltsame Art und Weise zu erzählen. Außerdem würzt er seinen Roman mit einer ordentlichen Portion Humor, und vergisst trotz der natürlich im Mittelpunkt stehenden Handlung sowie den geschichtlichen Referenzen eben auch nicht auf Charaktertiefe. Insgesamt wirkt Teil 1 der Reihe um die eugenischen Kriege jedenfalls weder zu oberflächlich noch zu ausschweifend, und versteht es aufgrund des packend-humorvollen Schreibstils trotz der fast 600 Seiten umfassenden und auf mehrere Jahrzehnte verteilten Handlung, zu fesseln und zu unterhalten. Die einzige nennenswerte Schwäche des Romans ist in meinen Augen die Rahmenhandlung rund um Kirk und eine Kolonie aus genetisch verbesserten Menschen, die – zumindest im ersten Band – sehr konstruiert, beliebig und vor allem völlig überflüssig erscheint, nichts zu seinem Gelingen beiträgt, und vielmehr teilweise doch ziemlich störend wirkt – einfach, da ich immer wieder aus dem interessanten und faszinierenden Narrativ in der Vergangenheit herausgerissen wurde. Möglicherweise hatte Greg Cox ja auch einfach zu großen Bammel davor, eine Geschichte nur mit "Nebenfiguren" zu erzählen, und meinte deshalb, unbedingt auch noch Kirk einbauen zu müssen. Vielleicht hatte bei dieser Entscheidung auch der Verlag seine Finger im Spiel. Wie auch immer, ich fand diesen Nebenplot hier leider gänzlich unnötig.
Fazit:
Zukunftsvisionen wie "Star Trek" haben ein großes Problem: Voraussagen zu Ereignissen, die während der Produktion noch weit in der Zukunft zu liegen scheinen, erweisen sich oftmals als falsch. Eines der prominentesten Beispiele hierfür ist wohl die beliebte TOS-Folge "Der schlafende Tiger", wo von den eugenischen Kriegen berichtet wird, die sich angeblich in der letzten Dekade des 19. Jahrhunderts zugetragen haben sollen. Greg Cox hat sich nun der herausfordernden Aufgabe angenommen, eben diese historische Lücke zu füllen – und dabei auch gleich einige andere offene Kapitel aus der "Star Trek"-Historie auf logische und nachvollziehbare Art und Weise zu schließen. Das Ergebnis ist ein überaus spannender, interessanter und unterhaltsamer Roman, den sich "Star Trek"-Fans nicht entgehen lassen sollten – gelingt es ihm doch auf grandiose Art und Weise, angebliche Ereignisse aus der "Star Trek"-Geschichte mit der tatsächlichen (und von Cox hervorragend recherchierten) Geschichte des letzten Jahrhunderts zu verschmelzen, und dabei zugleich einen interessanten Einblick nicht nur in die Persönlichkeit des wohl nach wie vor besten "Star Trek"-Schurkens aller Zeiten zu geben, sondern vor allem auch Gary Seven und Roberta Lincoln (aus "Ein Planet, genannt Erde") näher zu beleuchten. Einzig die Nebenhandlung rund um Kirk hätte er sich meines Erachtens sparen können. Davon abgesehen ist "Die eugenischen Kriege I" aber ein phantastischer "Star Trek"-Roman, der dank Cross Cult – in einer überaus sorgfältig übersetzten und mit grandiosen neuen Titelbildern veredelten deutschen Erstauflage – nun hoffentlich (und endlich) auch deutsche Trekkies faszinieren wird.
Christian Siegel
Bewertung: 4.5/5 Punkten
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