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"Die Eylandt-Recherche": Interview mit Regisseur Don Miguel Drucken E-Mail
"Der Film betrachtet die Geschichte eher skeptisch." Kategorie: Interviews - Autor: Martin Wenzel - Datum: Dienstag, 28 Oktober 2008
 
"Die Eylandt Recherche" ist eine Mystery-Doku, für die Regisseur Don Miguel viele Möglichkeiten des modernen Filmemachens nutzte. Wie bei einem geheimnisvollen Mosaik setzt er nach und nach die einzelnen Steinchen zu einem großen Ganzen zusammen, wechselt die Schauplätze, stellt Szenen nach, wo es notwendig erscheint, und kann darüber hinaus voll und ganz auf die Dramaturgie, die sich durch die Recherche-Ergebnisse zwangsläufig ergibt, bauen. Die deutsch-spanische Ko-Produktion, deren Entstehung schon seit Monaten durch einen Internet-Auftritt begleitet wird (www.eylandt.de) und bis Mitte September 2008 bereits mehr als 200.000 Besucher verzeichnen konnte, kommt am 6. November 2008 in die Kinos. Übrigens: Zum Kinostart des Films präsentieren wir bei fictionBOX ein Gewinnspiel, in dem Bücher, Soundtracks, T-Shirts und Freikarten verlost werden.

Im folgenden Interview erzählt der Regisseur Don Miguel über die Arbeit an "Die Eylandt Recherche" und äußert sich dazu, was davon wahr und was fiktiv ist.



Plakat Eylandt RechercheInhalt von "Die Eylandt Recherche"

Nach dem Tod seiner Schwester erhält der New Yorker Rechtsanwalt William Singer am 5. Juni 2007 einige persönliche Dinge aus ihrem Nachlass. Darunter befindet sich auch ein Koffer seines Vaters Arthur, der unter anderem drei, durch Verbrennungen stark in Mitleidenschaft gezogene Briefe enthält. Sie stammen von Josefine Eylandt, einer damals in Deutschland lebenden Cousine von Singers Vater. Als der Anwalt diese Zeilen liest, glaubt er seinen Augen nicht zu trauen. Denn in den Schreiben behauptet Josefine, dass sie seit dem Zweiten Weltkrieg im Keller ihres Hauses in Duisburg drei Menschen Jahrzehnte lang versteckt gehalten hat. Singer lässt diese kuriose wie absurd klingende Geschichte keine Ruhe. Deshalb beauftragt er im August des Jahres 2007 einen privaten Ermittler aus Deutschland, der Sache auf den Grund zu gehen. Nach und nach kommen Hinweise ans Tageslicht, die darauf hindeuten, dass es sich bei den drei Personen, die über einen unglaublich langen Zeitraum in ihrem dunklen Verlies leben mussten, um ganz besondere “Gäste” gehandelt haben muss. Doch kann etwas sein, was nicht sein sollte ...?



Das Interview wurde fictionBOX vom film.konsortium zur Verfügung gestellt.

Wie sind Sie zum ersten Mal auf den Fall Eylandt gestoßen?

Über Karsten Vüllings, einen Journalisten aus Duisburg.

Warum wollten Sie unbedingt eine Dokumentation über dieses Thema machen?
Das hat sich eher zufällig ergeben. Ich hatte schon lange im Kopf, Karsten Vüllings, der so eine ganz typische Lokalpolitiker- und Regionaljournalisten-Karriere hingelegt hat, eine Zeit lang mit der Kamera zu begleiten. Es sollte so eine Art Reality Soap werden. Als die Geschichte konkreter wurde, haben wir uns entschlossen, einfach mal mit der Kamera mitzugehen und dann hat sich die ganze Sache verselbstständigt.

Welcher der Beteiligten zeigte sich besonders kooperativ respektive unkooperativ?
Wir haben ja da auf der einen Seite den Singerschen Zweig, also die in Amerika lebenden Verwandten, die das Ganze auch ins Rollen gebracht haben. Und die sind natürlich entsprechend 100 Prozent kooperativ gewesen, während die deutsche Restverwandtschaft von Frau Eylandt das Gegenteil von kooperativ war.

Warum verhielten sich die beiden Parteien so extrem unterschiedlich?
Herr Singer hat ja die Briefe von Josefine Eylandt gefunden und auch den privaten Ermittler in Deutschland damit beauftragt, nachzuforschen, ob es tatsächlich einen wahren Kern dahinter gibt. Damit hatte er natürlich ein ganz großes Interesse an der Aufklärung, während die Enkeltochter aus welchen Gründen auch immer überhaupt gar keine Kooperation angeboten hat.

Warum mussten Sie ein Mitglied der Familie Eylandt unkenntlich machen?
Im Film gibt es ja eine Szene mit eben diesem Herrn Stendahl, die mit einem Schauspieler nachgestellt worden ist. Am Anfang bekommt man ja auch mit, dass er von dem Ermittler und dem Journalisten erwartet, dass – wie er sich ausdrückt – dieses Gespräch niemals stattgefunden hat. Trotzdem haben wir diese Situation für den Film dann doch nachgestellt. Damit sind der Journalist und der Ermittler in gewisser Weise wortbrüchig geworden, auch wenn wir als Filmemacher natürlich letztendlich die Schuld daran tragen. Ich weiß auch nicht, was in der Ehe zwischen den beiden gelaufen ist. Jedenfalls gab es nur von seiner Seite Bemühungen, dass er in dem Film nicht auftauchen möchte. Und von daher vermuten wir, dass es zurzeit bei den beiden im Zweifel ein bisschen schief läuft.
 
Droht Ihnen jetzt irgendwelcher Ärger von juristischer Seite?
Wir haben das Gesicht unkenntlich gemacht, wir haben die Stimme verfremdet, und damit ist diesbezüglich eigentlich klar. Ansonsten droht uns natürlich keine Ungemach, zumal ich ja hier mittlerweile in Südamerika sitze und Sie mich nur über eine Telefonweiterleitung gefunden haben. Aber Scherz beiseite, die Sache ist damit geregelt.

Mit welchen Sanktionen hätten Sie im schlimmsten Fall rechnen müssen?
Dann hätte es ein Aufführungsverbot für den Film gegeben. Das wäre die Höchststrafe gewesen. Wir hätten die Szenen natürlich auch raus schneiden können, aber das wäre ein bisschen schade gewesen.

Apropos Schnitt. Ihre Dokumentation unterscheidet sich von ähnlich gearteten Filmen. Warum haben Sie diese Produktionsweise gewählt?
Das hat sich aus der Geschichte ergeben, zumal ich auch nicht der klassische Dokumentarfilmemacher bin. Es gab schon sehr früh die Idee,  die Geschichte mit einem Kontrapunkt zu versehen. Und dazu trägt auch maßgeblich der Score bei, bei dem es sich doch weniger um Dokumentarfilmmusik, sondern um klassische szenische Musik handelt.

Was sagen Sie selbst zu dieser erstaunlichen Geschichte der Josefine Eylandt, haben Sie sie sofort geglaubt?
Wenn Sie den Film gesehen haben, dann werden Sie merken, dass der Film eher eine skeptische Position zu der Geschichte einnimmt. Das ist natürlich logischerweise auch meine Position. Ich bin also weit davon entfernt, das zu glauben, was da aufgedeckt wurde.

Wie geht die Geschichte Ihrer Meinung nach weiter?
Es gibt mittlerweile eine Stiftung in den USA – das lief auch über die Singer Connection. Die hat sich nun der Recherche angenommen und mittlerweile die Ergebnisse bestätigt. Und darüber hinaus gibt es nach wie vor den offenen Fall der Josefine Eylandt, von der man immer noch nicht weiß und möglicherweise auch nie erfahren wird, wo sie denn nun abgeblieben ist. Das heißt: für mich persönlich ist die Sache beendet. Ich werde dennoch Augen und Ohren offen halten und sehen, ob jemand zu neuen Erkenntnissen kommt.

Was hat es mit dem ominösen Stromausfall von vor zwei Jahren auf sich?
Das möchte ich an dieser Stelle nicht verraten. Wenn ich das jetzt hier auf den Tisch lege, dann ist ja ein ganz interessanter Recherchekern schon veröffentlicht. Das muss ja nicht sein. Da müssen Sie schon ins Kino gehen, wenn Sie das wissen wollen. Und Journalisten können den Film ja schon vorab sehen, und die können sich ja dann überlegen, ob sie diese Sache schon breit treten wollen oder nicht.

Parallel zum Film gibt es auch eine Internet-Seite, wie sind die Reaktionen?
Die Seite haben wir schon sehr frühzeitig ins Netz gestellt – auf der einen Seite, weil es Sinn macht, mit Werbung frühzeitig zu beginnen, auf der anderen Seite haben wir natürlich auf diese Weise nach Menschen gesucht, die die Familie Eylandt kennen oder etwas von der Geschichte gehört haben. Das ist ein ganz wichtiges Forum, um Informationen zu erhalten.

Und man kann dort ja auch schon erste Rechercheergebnisse verkünden...
Richtig. Wir haben dann auch auf der Internetseite in unserem kleinen Produktionstagebuch in unregelmäßigen Abständen ein paar Infos raus gegeben, haben auch für die Leute, die Interesse angemeldet haben, Newsletter verfasst und mittlerweile den elften verschickt. Das Ganze soll ja ein Geben und Nehmen sein. Auf der einen Seite wollten wir zu einem möglichst frühen Zeitpunkt Informationen bekommen, auf der anderen Seite haben wir natürlich auch ein ganz klares Interesse, dass sich möglichst viele Leute für die Sache interessieren. Man macht ja einen Film auch nicht, damit ihn hinterher keiner guckt.

Hinter Don Miguel verbirgt sich ein Pseudonym – möchten Sie dieses Geheimnis lüften?
Das ist eine Sache, die sich in den sieben Jahren, die ich in Spanien gelebt habe, entwickelt hat. Zum einen bin ich dort immer Miguel genannt worden, die spanische Form von Michael, weil kein Spanier meinen Namen wirklich aussprechen konnte. Und das „Don“ ist eine offizielle Anrede in formellen Dokumenten, so dass dann irgendwann jemand anfing, mich spaßeshalber Don Miguel zu nennen. Und als ich dann bei einer Dokumentarfilmproduktion sowohl Produzent als auch Protagonist war, da haben wir in den Credits aus dem Produzenten spontan „Don Miguel“ gemacht, um die „Doppelrolle“ ein wenig zu verschleiern. Und als ich beim nächsten Film das Pseudonym als Regisseur benützt habe, hat sich das mehr oder weniger verselbständigt.

Was hat sie denn nach Spanien getrieben, die Arbeit, die Liebe oder das Wetter?
Wenn man es so vereinfacht darstellen will: das Wetter. Ich glaube jeder, der in Deutschland lebt, sagt sich mindestens einmal im Leben: ich würde gerne da leben, wo Sonne ist. Das habe ich auch gedacht und als ich mich Ende der 90er Jahre selbstständig gemacht habe, mir ein Häuschen auf Mallorca gemietet und mal ausprobiert, den Traum zu leben. Zunächst nur testweise. Später bin ich dann immer länger da geblieben, habe dann auch angefangen, dort Filme zu machen, und plötzlich war ich nur noch dort.

Und was hat es mit der Filmhochschule auf sich?
Ja, wir haben dort 2003 die Mallorca Film Akademie gegründet und vier Jahre betrieben, bis wir das Projekt aus finanziellen Gründen an den Nagel gehängt haben. Das war kein schlechtes Unternehmen, wir hatten auch einen prominenten Beirat, zu dem Dieter Wedel,  Detlev Buck, Hannes Jaenicke sowie von spanischer Seite ein Oscar-Preisträger und Isabel Coixet gehörten. Aber weil die Spanier am liebsten gar nichts für etwas
bezahlen wollen und die deutschen Studenten in einem Land, dessen Sprache sie nicht sprechen, keine Nebenjobs, die sie dringend für ihren Lebensunterhalt benötigt hätten, bekommen haben, waren das doch ganz schlechte Voraussetzungen für eine privat geführte Filmschule.

Zurück zu DIE EYLANDT RECHERCHE. Gab es irgendwelche Vorbilder für Ihr Projekt?
Im Internet wird ja behauptet, wir würden „Blair Witch Project“ nachmachen. Das könnte man insofern unterstützen, als dass auch wir im Vorfeld der Filmproduktion das Thema schon im Internet thematisiert haben. Wenn man den Film jedoch gesehen hat, dann merkt man schnell, dass das DIE EYLANDT RECHERCHE mit „Blair Witch Project“ ungefähr so viel zu tun hat wie Batman mit der „Lindenstraße“. Ansonsten gab es einfach die Idee, ein dokumentarisches Projekt zu machen. Und es wurde dann schnell klar, dass das ganz spannend werden könnte. Gleichzeitig wollten wir einen Film mit dokumentarischen Touch realisieren, der aber dennoch – zum Beispiel durch die Filmmusik – eine Wirkung wie bei einem Spielfilm erzeugen sollte. Ob das letztlich funktioniert, können wir erst sagen, wenn eine ganze Menge Leute den Film gesehen haben.
 
Wie weit kann man Ihrer Meinung nach gehen, wenn es um die Verballhornung der Menschen durch die Medien geht?
Ich denke mal, der Film so wie er ist, hält eigentlich alles parat, dass jeder aus dem Kino gehen kann und weiß, was mit ihm geschehen ist. Man muss sich nur den Film ganz ansehen, dann wird man schon fest stellen, mit was für einem Film man es zu tun hat. Grundsätzlich gibt es, was die Verballhornung der Menschen durch die Medien betrifft, zwei Möglichkeiten. Einmal, dass man bewusst aus Unterhaltungs-Gründen hinters Licht geführt wird. Das finde ich natürlich vollkommen legitim, weil es sich hierbei einfach um ein Spiel handelt.

Für wen bzw. für welches Publikum ist DIE EYLANDT RECHERCHE gedacht?
Da ist natürlich auf dem Weg vom ersten Kontakt mit dem Thema übers Drehen bis hin zur Fertigstellung des ersten Skribblings eine Menge passiert. Das Publikum hat sich dadurch ein bisschen geändert. Ganz am Anfang wäre es eine klassische Dokumentation gewesen, mit starkem Aspekt auf den Zweiten Weltkrieg. Da hätte man es mit einem Publikum zu tun gehabt, das sich für Geschichte interessiert. Für den klassischen Mystery- und Fantasy-Fan ist der Film möglicherweise einen Takt zu dokumentarisch und für den klassischen Dokumentarfilmzuschauer einen Takt zu mystisch...Deswegen ist meine Quintessenz: er ist eigentlich für beide etwas. Auf jeden Fall wird er die Gemüter polarisieren, da bin ich mir sicher.

Letzte Frage: Ist bei der EYLANDT RECHERCHE alles erfunden oder gibt es irgendwo ein Körnchen Wahrheit?
Natürlich steckt Wahrheit dahinter. Ein Großteil der Dinge, die hier beschrieben werden, sind wahr. Natürlich gab es den Zweiten Weltkrieg, natürlich gab es den großen Luftangriff auf Duisburg, natürlich gibt es eine „area 51“, natürlich gibt es die SETI, die sich mit der Suche nach außerirdischen Lebewesen auseinandersetzt, natürlich gibt es die Aussagen der Psychologin, die sich mit Klaustrophobie beschäftigt. Es gab auch eine Familie E. in Duisburg-Rheinhausen, die einen Friseursalon dort hatte. Natürlich sind auch manche Sachen fiktiv, es gibt Wahrheiten in dem Film, aber eben auch Teilwahrheiten...


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