Kurzinhalt:
Ein paar Monate nach ihrer Rückkehr zur Erde überlegt Raffi Musiker, welchen Weg sie einschlagen soll. Admiral Picard, der den Posten als neuer Vizedirektor der Sternenflottenakademie angenommen hat, bietet ihr eben dort ebenfalls eine Stelle an. Allerdings spielt Raffi auch mit dem Gedanken, nun da sie im Hinblick auf ihren Verdacht gegenüber den Romulanern bestätigt wurde, wieder in ihren alten Posten im Geheimdienst der Sternenflotte zurückzukehren. Bevor sie ihre Entscheidung trifft, erklärt sie sich aber erstmal dazu bereit, einen inoffiziellen Auftrag von JL anzunehmen. Dieser führt sie zum Planeten Ordeve zurück, einer cardassianischen Kolonie, die sie kurz nach dem Ende des Kriegs gegen das Dominion besucht hat – eine Mission, die einen eher tragischen Ausgang fand. Nun soll sie zwischen den Cardassianern und den romulanischen Flüchtlingen, die dort angesiedelt wurden, vermitteln. Zumindest offiziell. In Wahrheit ist dies jedoch nur ein Vorwand, um nach einem cardassianischen Kriegsverbrecher zu suchen, den die Bajoraner schon lange in die Finger bekommen wollen, und der auf Ordeve vermutet wird: Elim Garak. Begleitet von Elnor, reist Raffi auf der neuen U.S.S. Stargazer unter dem Kommando von Captain Cristobal Rios nach Ordeve, wo nicht nur auf sie die Schatten der Vergangenheit lauern…
Review:
Nach zwei "Picard"-Romanen von anderen Autoren kehrt für "Second Self" mit Una McCormack wieder jene Autorin zurück, die mit "Die letzte und einzige Hoffnung" das so gelungene wie essentielle Prequel zur Serie abgeliefert hat. Und obwohl "Second Self" grundsätzlich zwischen den ersten beiden Staffeln angesiedelt ist, wagt sie auch hier wieder einen ausführlichen Blick in die Vergangenheit. Dieser dient einerseits dazu, uns mehr über die Vergangenheit von Raffi Musiker zu verraten, und so dafür zu sorgen, dass wir sie besser kennenlernen. Ein weiterer so wichtiger wie interessanter Aspekt ist, wie "Second Self" an das Finale von "Deep Space Nine" anknüpft, und sich mit den Auswirkungen des Ende des Dominion-Kriegs beschäftigt. Etwas, dem man sich mit den ursprünglichen Fortsetzungsromanen zur Serie natürlich bereits ausführlich gewidmet hat, allerdings wissen wir ja nun seit "Coda" (bzw. genau genommen ja eigentlich schon "Picard"), dass diese in einer anderen Zeitlinie stattgefunden haben. Wobei ich auf dem ersten Blick hier nichts entdeckt hätte, dass verhindern würde, dass man jene Kapitel die in der Vergangenheit angesiedelt sind nicht auch als Teil des alten Romankanons ansehen könnte. Dies gilt insbesondere für den letzten wichtigen Teil, in dem dann schließlich ein wichtiges Kapitel aus der Vergangenheit von Elim Garak erzählt wird. Zumindest auf den ersten Blick hätte ich hier nichts erkennt, was beispielsweise "Ein Stich zur rechten Zeit" widersprechen würde. In jedem Fall fand ich diesen Einblick in die Vergangenheit des mysteriösen Schneiders aber ungemein faszinierend.
Darüber hinaus profitiert "Second Self" auch wieder von Una McCormacks unbestreitbaren Qualitäten als Schriftstellerin – sowie davon, dass sie sich in ihrer langen Karriere als "Star Trek"-Autorin auch immer wieder den Cardassianern zugewandt hat (unter anderem auch im leider nach wie vor nicht auf Deutsch erschienenen "The Never-Ending Sacrifice", der für mich zu den besten "Star Trek"-Romanen überhaupt zählt), und mit deren Kultur dementsprechend gut vertraut ist. Ich fand die Einblicke in ihre Vergangenheit und Denkweise jedenfalls sehr interessant. Darüber hinaus gelang es ihr in meinen Augen aber auch, Raffi Musiker aufzuwerten. Aus meiner Sicht macht sie hier für die Figur mehr, als die "Picard"-Autoren in zwei Staffeln. Aber auch Elnor profitiert von seinem Auftritt hier. In der Serie konnte ich mit der Figur bisher herzlich wenig anfangen, hier macht er aber letztendlich eine nicht uninteressante Entwicklung durch, als er lernt, dass immer die Wahrheit zu sagen ja nicht zwingend bedeutet, dass man unbedingt allen immer alles auf die Nase binden muss (wenn ich auch zugebe, dass der Begriff der unbedingten Offenheit durchaus dafür sprechen würde, dass die Philosophie der Qowat Milat durchaus auch so gemeint ist). Mit der größte Clou von "Second Self" ist jedoch ein ganz bestimmter, Twist. Ich werde mich hüten, hier zu viel zu verraten, aber für mich hat diese Wendung nachträglich vieles von dem was davor erzählt wurde nochmal aufgewertet; tatsächlich freue ich mich jetzt schon darauf, wenn ich mir den Roman in ein paar Monaten oder Jahren – im Wissen ob dieser Offenbarung – nochmal zur Brust nehme.
Trotz dieser positiven Aspekte, ganz kam Una McCormack für mich hier nicht ganz an den Prequel-Roman "Die beste und einzige Hoffnung" heran. So fand ich insbesondere den Auftritt von Cristobal Rios eher unnötig. Er spielt hier letztendlich keine wesentliche Rolle; da hätte man genauso gut einen x-beliebigen anderen Captain nehmen können. Der Aufbau hatte zudem insofern einen wesentlichen Haken, als ich zwei Mal gerade als es jeweils spannende wurde aus der Handlung gerissen und die Vergangenheit geschleudert wurde, wo es dann wiederum jeweils etwas dauerte, ehe die Story so richtig Fahrt aufnahm und mich zu packen vermochte. Zwar verstehe ich, warum der Aufbau in dieser V-Form (mit jedem Sprung dringen wir tiefer in die Vergangenheit vor, bis wir dann schließlich in Stufen wieder an den Ausgangspunkt zurückgelangen) notwendig war, und wüsste selbst nicht, wie man es hätte anders/besser machen und trotzdem die Geschichte in dieser Form hätte erzählen können. Trotzdem brauchte ich nach den ersten zwei Zeitebenen-Wechsel halt immer etwas Zeit, um wieder in die (neue) Story reinzufinden. Das Verwirrspiel rund um Elim Garak hat zudem in beiden Fällen nicht lange funktioniert; hier hätte die Autorin ruhig offener mit den Lesern umgehen dürfen. Darüber hinaus spricht Una McCormack wieder einmal Admiral Picards Entscheidung an, aus Prinzipiengründen den Dienst zu quittieren – jedoch nicht etwa kritisch (dahingehend, dass er sich wie eine beleidigte Leberwurst auf das Weingut seiner Familie zurückgezogen hat, statt seine Anstrengungen, so viele Romulaner wie möglich zu retten unabhängig von der Sternenflotte fortzuführen), sondern so, als ob das eine Heldentat gewesen. Und Raffis (und Unas?) Kritik an der bekannten SF-Kurzgeschichte "The Cold Equations" teile ich ebenfalls nicht. Der größte Kritikpunkt ist aber, dass sich vereinzelt doch ein paar Längen einschleichen, und einzelne Handlungsstränge etwas mehr Platz einnehmen, als das in meinen Augen zwingend notwendig gewesen wäre. Trotz dieser Schwächen kann "Second Self" aber allen Fans der Serie uneingeschränkt empfohlen werden!
Fazit:
Nach zwei doch eher mäßigen Einträgen von anderen Schriftstellern findet die Romanreihe zu "Star Trek: Picard" dank "Die letzte und einzige Hoffnung"-Autorin Una McCormack wieder zu alter Stärke zurück. Zwar fand ich den allerersten Band noch die Spur stärker, und vor allem auch für die Geschichte der Serie essentieller, dennoch profitieren insbesondere Raffi und Elnor sehr von der hier enthaltenen näheren Betrachtung ihrer Figuren. Aber auch alles rund um den Einblick in die Zeit unmittelbar nach dem Dominion-Krieg, sowie in die Vergangenheit von Elim Garak, hatte es mir angetan. Und nicht zuletzt ein echt cooler Twist wertete "Second Self" für mich noch einmal wesentlich auf. Zwar gab es auch ein paar Kritikpunkte – insbesondere die eine oder andere Länge, die sich einschleicht – insgesamt ist "Second Self" aber ein sehr guter Roman, der nicht zuletzt dank Una McCormacks schriftstellerischem Talent auch all jenem empfohlen werden kann, die sich (so wie ich) mit der Serie bislang doch eher schwer taten.