Beklemmendes Kammerspiel mit SF-SettingKategorie: Filme - Autor: Christian Siegel - Datum: Donnerstag, 04 Dezember 2025
Originaltitel:
The Assessment
Produktionsland/jahr:
UK/D/USA 2024
Bewertung:
Studio/Verleih:
Number 9 Films/Capelight Pictures
Regie:
Fleur Fortune
Produzenten:
U.a. Julie Goldstein, Grant S. Johnson, Maximilian Leo,Shivani Rawat & Stephen Woolley
Drehbuch:
John Donnelly, Nell Garfath Cox & Dave Thomas
Filmmusik:
Emilie Levienaise-Farrouch
Kamera:
Magnus Nordenhof Jønck
Schnitt:
Yorgos Lamprinos
Genre:
Science Fiction/Drama
Kinostart Deutschland:
03. April 2025
Kinostart USA:
21. März 2025
Laufzeit:
114 Minuten
Altersfreigabe:
FSK ab 16
Mit: Elizabeth Olsen, Himesh Patel, Alicia Vikander, Charlotte Ritchie, Leah Harvey, Nicholas Pinnock, Minnie Driver u.a.
Kurzinhalt:
In einer dystopischen Zukunft ist aufgrund extrem begrenzter Ressourcen wurde die Menschheit grundsätzlich sterilisiert. Nur ausgewählten Paaren ist es erlaubt, Kinder auf die Welt zu bringen. Mia und Agryan haben einen entsprechenden Antrag gestellt – und wurden für das Beurteilungsverfahren ausgewählt. Kurz darauf trifft Virginia bei ihnen ein. Die Frau wird eine Woche bei ihnen verbringen, um zu testen, inwiefern sie sowohl individuell als insbesondere auch als Paar dazu geeignet sind, ein Kind groß zu ziehen. Immer wieder schlüpft Virginia dabei in die Rolle eines kleinen Kindes, um ihre Erziehungsmethoden auf die Probe zu stellen. Dann wiederum gilt es, über die Nacht eine Behausung für ihren Nachwuchs aufzubauen. Anfangs halten Mia und Aaryan ihre Beziehung für perfekt, und sind dementsprechend optimistisch, die Beurteilung erfolgreich abschließen zu können. Doch im Verlauf der sieben Tage treibt Virginia sie an den Rand der Verzweiflung – und zuletzt auch darüber hinaus…
Review:
Vorab: "The Assessment" ist nur sehr bedingt ein "Science Fiction"-Film. Denn der Film ist letztendlich an der Welt, in der die Geschichte angesiedelt ist, nicht sonderlich interessiert. Zwar bekommen wir im Verlauf des Films ein paar Informationen dazu, wie es zur aktuellen Lage gekommen ist. Und ganz am Ende steckt das größere Bild dann nochmal ein bisschen stärker in den Fokus. Dennoch liefert alles rund um die dystopische Welt letztendlich nur die Rahmenbedingungen für die eigentlich im Mittelpunkt stehende, titelspendende Beurteilung. Es geht darum, wie hier die Beziehung zwischen Mia und Aaryan – und auch die beiden als Individuen – auf die Probe gestellt, und die beiden im Verlauf dieser sieben Tage auch zunehmend an ihre Grenzen gebracht werden. Mit wenigen Änderungen am Setup hätte sich die Story somit auch in unserer Gegenwart erzählen lassen. Ich verstehe, wenn sich einige daran stören, wie die Science Fiction-Elemente hier letztlich nur Mittel zum Zweck sind. Für mich war das Endresultat aber packend genug, um mich wohlwollend darüber hinwegsehen zu lassen.
Einen wesentlichen Anteil daran haben die Darsteller:innen (wobei ich die Betonung hier definitiv auf das "innen" legen würde; Himesh Patel ist zwar keinesfalls schlecht, kommt aber gegen die beiden Hauptdarstellerinnen nicht an). Elizabeth Olsen begeistert mich ja nun schon seit fünfzehn Jahren, und das egal, ob innerhalb des MCU, oder in kleineren Indie-Filmen. Auch hier zeigt sie wieder eine bestechende Leistung. Die noch bestimmendere (und zugegebenermaßen auch auffälligere) Rolle hat jedoch Alicia Vikander, auf die ich das erste Mal vor rund zehn Jahren in "Ex Machina" aufmerksam wurde (wo sie als menschlicher Roboter Ava brillierte). Dabei wird erst am Ende deutlich, dass sie nicht nur als ihr vermeintliches Kind, sondern praktisch von Beginn an, eine Rolle spielte; die "echte" Victoria (eigentlich Grace) lernen wir erst am Ende kennen. Bis es soweit ist, erleben wir jedoch ein Psychospiel zwischen der Beurteilerin und dem vermeintlich glücklichen Paar. Mir gefällt dabei, wie es hier gelingt, uns in den ersten paar Minuten den Eindruck zu vermitteln, dass Mia und Aaryan ein unerschütterliches Paar ist, welches sich aufrichtig und tief empfunden liebt – und eben dies im Verlauf der darauffolgenden rund 100 Minuten dann zunehmend auf die Probe gestellt wird. Wenn es dann am Ende kracht, trifft es einen eben deshalb, weil man den Eindruck hatte, dass Mia und Aaryan eigentlich das perfekte Paar waren. Wenn sie es schon nicht schaffen, welche Hoffnung besteht dann für uns? Das fand ich durchaus eindringlich. Auch die Offenbarung am Ende war spannend. Und nicht zuletzt die Endpunkte, an die alle drei im Mittelpunkt stehenden Personen letztendlich erreichen, hatten es mir angetan. Zwar ist "The Assessment" in Teilbereichen etwas vorhersehbar (ich sag nur "Blume"). Zudem mutet Virginias Verhalten mitunter doch etwas gar extrem (und seltsam) an; beispielsweise, wenn sie im brennenden Gewächshaus zurückbleibt. Als psychologisches Kammerspiel mit Science Fiction-Einschlag hatte es mir Fleur Fortunes Spielfilmdebüt aber durchaus angetan.
"The Assessment" ist die meiste Zeit über ein typisches, klassisches Kammerspiel: Wenige Figuren auf begrenztem Raum, und das Drama, welches sich aus dieser spezifischen Konstellation – ein vermeintlich felsenfestes Paar, und die Begutachterin, die testen soll, ob sie sich als Eltern eignen – ergibt. Dass dies für mich auch größtenteils sehr gut funktioniert hat, ist einerseits dem Drehbuch von Nell Garfath Cox, Dave Thomas und John Donnelly, andererseits der Inszenierung von Fleur Fortune, insbesondere aber den darstellerischen Leistungen von Alicia Vikander, Elizabeth Olsen und Himesh Patel zu verdanken. Vor allem erstere hat mich – in der zugegebenermaßen auffälligsten Rolle – insofern beeindruckt, als man einfach nie wusste, was von ihrer Figur nun als nächstes zu erwarten ist. Ich fand "The Assessment" auch zunehmend beklemmend – insbesondere, wenn die vermeintlich glückliche Beziehung dann aufgrund dieser Erfahrung doch in die Brüche zu gehen droht. Dessen ungeachtet hatte es mir aber dann auch das Ende, welches der Film für die drei Hauptfiguren bereithält, angetan. Zwar kann man es zweifellos kritisch sehen, dass der Film an der Welt rund um die drei zentralen Protagonist:innen nicht wirklich interessiert ist. Virginias Verhalten wirkt zudem teilweise etwas gar übertrieben. Und ein bisschen kürzer hätte der Film auch ruhig sein können/dürfen. Insgesamt zählt er für mich aber durchaus zu den kleineren SF-Genreperlen der letzten Jahre.