Kurzinhalt:
Vor drei Jahren wurde der Küstenort Amity von einem weißen Hai heimgesucht – ein Ereignis, das mittlerweile nur mehr als "die Schwierigkeiten" bezeichnet und so weit als möglich totgeschwiegen wird. Dennoch hat sich der Tourismus – und damit allgemein die finanzielle Lage des Sommer-Urlaubsorts – wieder erholt; ja tatsächlich könnte die Berühmtheit, die man aufgrund des weißen Hais erlangt hat, tendenziell nachdem dieser endlich zur Strecke gebracht wurde sogar geholfen haben. Die daraus resultierende Aufbruchsstimmung, in der in Amity einige neue Hotels gebaut und sogar Casinos errichtet werden sollen, führt jedoch nun Haie der anderen Art in die Stadt: Denn aufgrund der Schlagzeilen – und auf der Suche nach einer neuen potentiellen Einnahmequelle – ist das organisierte Verbrechen auf Amity aufmerksam geworden. Sehr zum Missfallen des Polizeichefs Martin Brody, der als Einziger bereit zu sein scheint, diesem die Stirn zu bieten. Inmitten dieser angespannten Lage bekommt es Brody dann jedoch plötzlich mit einer weiteren Bedrohung zu tun, als die Strände Amitys ein weiteres Mal von einem weißen Hai heimgesucht werden…
Review:
Angesichts des damals beispiellosen Erfolgs des Films an den Kinokassen war es natürlich nur eine Frage der Zeit, bis Universal eine Fortsetzung in Auftrag geben würden. Um das Drehbuch zu schreiben, wendete man sich an Howard Sackler, der bereits an jenem des Vorgängers mitgewirkt hatte, sowie Dorothy Tristan. Vermeintlich, weil es zum Vorgänger ja auch ein Buch gab (auch wenn dort der Roman zuerst da war), wollte man nun auch zur Fortsetzung einen Roman zum Film in den Regalen stehen haben. Deshalb beauftragte man Hank Searls damit, das zu diesem Zeitpunkt vorliegende Drehbuch zu einem Buch umzuwandeln. Ich habe in meinen Reviews zu anderen Filmromanen ja bereits erwähnt: Für mich kann es einen wesentlichen Reiz ausmachen, Unterschiede zwischen Drehbuch und fertigem Film auszumachen. Seien es Szenen, die zwar gedreht aber dann herausgeschnitten wurden, oder aber, weil der Roman generell auf einem früheren Drehbuchentwurf basiert, und an diesem in weiterer Folge noch herumgedoktert wurde. "Der weiße Hai 2" könnte hierfür fast als ein Paradebeispiel gelten – wenn man nicht in dieser Hinsicht meines Erachtens sogar schon übers Ziel hinausschießen würde. Ihr mögt mich für verrückt halten, aber aus meiner Sicht ist Steven Spielbergs Verfilmung Peter Benchleys "Jaws" näher, als dies hier nun bei Hank Searls auf dem Drehbuch basierenden Filmroman der Fall ist.
Mein Hauptkritikpunkt ist dabei, dass der titelspendende weiße Hai eine absolut untergeordnete Rolle spielt. Er (oder genauer gesagt, sie, handelt es sich doch um ein schwangeres weibliches Exemplar) tritt ganz zu Beginn in Erscheinung, taucht dann zwischendurch immer wieder mal kurz auf, und dominiert dann die letzten 20-30 Seiten. Dazwischen stehen aber die politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen in Amity, und hier eben ganz besonders das Auftauchen eines Mafia-Paten, der ein Casino bauen will, im Mittelpunkt. Nun mag dieser Plot grundsätzlich ebenfalls nicht uninteressant und/oder schlecht sein. Nur liest man hier halt eben "Der weiße Hai 2", und nicht einen Polizeithriller, in dem es Martin Brody mit dem organisierten Verbrechen aufnimmt. Ich verstehe ja grundsätzlich, warum dieser Handlungsstrang da ist; der entsprechende Teil rund um Larry Vaughn und seine möglichen Verbindungen zur Mafia war in Peter Benchleys Roman enthalten, wurde jedoch bei der Filmadaption (so wie Ellen Brodys Affäre mit Matt Hooper) aus dem Film gestrichen, um sich stärker auf den Kampf Mensch gegen Tier zu fokussieren (aus meiner Sicht die richtige Entscheidung). Nun wollte man dieser Storyline in der Fortsetzung Rechnung tragen (wo es ebenfalls wieder aus dem fertigen Film entfernt wurde) – aber übertreibt es einfach, da dieser Teil der Geschichte viel zu viel Raum einnimmt. Erschwerend kommt hinzu, dass der mit Abstand beste Teil des Films (von dem ich, nur zur Erinnerung, nun wahrlich kein Fan bin) hier fehlt: Nämlich, dass sich Brody diesem Schrecken, den er besiegt glaubte, ein weiteres Mal stellen muss. Sowie vor allem auch, dass er lange Zeit nicht sicher ist, ob es denn überhaupt wieder einen Hai gibt, oder er die Gespenster seines früheren Traumas sieht. Das war spannend und interessant – und fehlt hier völlig, da Martin erst kurz vor dem Ende von der Existenz des Hais erfährt, und dann die Rettung seiner Söhne im Mittelpunkt steht. Er hat gar keine Zeit, sich damit auseinanderzusetzen, dass er sich seiner Angst ein weiteres Mal stellen muss. Auch das ist für mich ein erhebliches Mankos des Romans im Vergleich zum Film.
Was ich demgegenüber durchaus interessant fand, ist wie Hank Searls der Spagat gelingt, dass sein Buch sowohl als Fortsetzung zu Peter Benchleys Roman als auch Steven Spielbergs Film funktioniert. So wird zwar nicht dezidiert auf die Affäre von Ellen und Matt eingegangen, es ist aber durchaus möglich, dass diese stattgefunden hat. Und nicht zuletzt wird Hooper hier nicht, wie im Film, kurz angerufen; denn im Roman hat er die Begegnung mit dem weißen Hai ja nicht überlebt. Damit überlässt es Searls den Leser:innen, ob es sich hier um eine Fortsetzung zum Film oder zum Buch handelt. Das fand ich schon ziemlich nett gemacht. Sehr gelungen zweifellos auch der Auftakt, der sich mit jenem aus dem Film deckt. Alles rund um die Taucher war spannend umgesetzt. Aber auch eine der besten Szenen aus dem Film – nämlich das mit der Wasserschiläuferin – setzt Searls durchaus packend um. Und das Finale mochte ich dann ebenfalls. Rund um die Regatta, und die Kinder und Jugendlichen die vom Hai bedroht werden, kommt dann einiges an Spannung auf, wobei der Roman davon profitiert, dass man im Gegensatz zum Film nicht minutenlang ihr Geschrei ertragen muss (welches mich mit der Zeit dann fast schon den Hai anfeuern ließ, damit endlich a Ruh' is). In erster Linie finde ich an "Der weiße Hai 2" aber beachtlich, wie es aus diesem Drehbuch gelang, doch noch eine halbwegs solide Fortsetzung zu Steven Spielbergs Klassiker zu schmieden. Der Einblick, den Hank Searls Roman dazu bietet, ist für mich dann auch mit Abstand das Beste an "Der weiße Hai 2" – auch wenn ihn dies noch lange nicht zu einem guten Buch macht.
Fazit:
Aus meiner Sicht liegt so ziemlich der einzige Grund, um sich Hank Searls "Der weiße Hai 2" vorzuknöpfen darin, zu sehen, welchen Film wir als Fortsetzung zu Steven Spielbergs Meisterwerk hätten bekommen können. Denn abseits des Einstiegs und Ausklangs, sowie einzelnen Momenten dazwischen, haben Film und Buch hier wenig bis gar nichts miteinander gemein, und unterscheiden sich – obwohl Searls Roman ja auf dem ursprünglichen Drehbuch zum Film basierte – in meinen Augen auch stärker, als dies beim Roman und der Verfilmung des ersten Teils der Fall war. Der titelspendende Hai spielt hier einfach noch einmal eine deutlich geringere Rolle, als in Peter Benchleys Buch. Für sich genommen mag die Story rund um Martins Kampf gegen die Mafia nicht uninteressant sein; aber es nimmt hier einfach einen viel zu großen Stellenwert ein. Und da er viel zu spät erfährt (oder auch nur zu vermuten beginnt), dass es einen weiteren Hai gibt, kann der Roman auch die größte Stärke des (in meinen Augen ohnehin schon schwachen) Films nicht ausspielen. Einzig die Art und Weise, wie "Jaws 2" sowohl als Fortsetzung zum Film wie auch zu Peter Benchleys Roman funktioniert, fand ich gelungen (und interessant). Davon abgesehen sehe ich aber keinen Grund, diesem längst vergriffenen Filmroman auf dem Gebrauchtmarkt hinterherzujagen.