Michael Hanekes Home Invasion-MeisterwerkKategorie: Filme - Autor: Christian Siegel - Datum: Mittwoch, 29 Oktober 2025
Originaltitel:
Funny Games
Produktionsland/jahr:
Österreich 1997
Bewertung:
Studio/Verleih:
Wega Film/EuroVideo
Regie:
Michael Haneke
Produzenten:
Veit Heiduschka
Drehbuch:
Michael Haneke
Filmmusik:
-
Kamera:
Jürgen Jürges
Schnitt:
Andreas Prochaska
Genre:
Horror/Thriller
Kinostart Deutschland:
11. September 1997
Kinostart Österreich:
11. September 1997
Laufzeit:
108 Minuten
Altersfreigabe:
FSK ab 16
Mit: Susanne Lothar, Ulrich Mühe, Arno Frisch, Frank Giering, Stefan Clapczynski, Doris Kunstmann, Christoph Bantzer, Wolfgang Glück u.a.
Kurzinhalt:
Gerade erst sind Anna und Georg mit ihrem kleinen Sohn Schorschi im Ferienhaus angekommen, da klopft es auch schon an der Tür. Der junge Mann stellt sich als Peter vor, wohnt nebenan, und seine Mutter hat ihn losgeschickt, um zu fragen, ob sie vielleicht ein paar Eier übrig hätten. Selbstverständlich, gerne, meint Anna, und gibt ihm ein paar. Ob er nicht vielleicht lieber eine Verpackung dazu hätte? Nein, nein, das geht schon so. Jedoch, wie könnte es auch anders sein: Auf dem Weg zur Tür hinaus geschieht das Malheur, und die Eier landen auf dem Boden. Könnte er vielleicht noch welche haben? Na ja, das ist jetzt ein bisschen blöd, weil die restlichen brauchen sie eigentlich selbst. Generell geht Peter ihr langsam doch etwas auf die Nerven, und ist ihr die ganze Situation zunehmend unangenehm. Umso mehr, als Peters Freund Paul auf den Plan tritt. Als dann auch noch Georg zurückkommt, eskaliert die Lage. Kurz darauf findet sich nicht nur das Ehepaar in einem perversen Spiel mit "Tom und Jerry" wieder – sondern auch die Zuschauer:innen…
Review (kann Spoiler enthalten):
Mitte der 90er war Michael Haneke zunehmend angepisst, was die Art und Weise betrifft, wie Gewalt – insbesondere im Hollywood-Kino – dargestellt wurde. "Funny Games" ist somit als klare Antithese zu jener Art von Film angelegt, welche Gewalt zelebriert, und wo sich das Publikum an eben dieser ergötzen soll (das US-Remake war dann auch stark davon motiviert, dass in seinen Augen genau jene Leute, für die er den Film gemacht hatte – insbesondere in Amerika – ihn zuvor ignoriert hatten). Dabei verzichtet er eben ganz bewusst auf jeden Voyeurismus, und stellt statt der Darstellung von Gewalt vielmehr den Terror den diese auslöst in den Vordergrund – und sorgt dafür, dass sich dieser von Beginn an auf die Zuschauer:innen überträgt. Die mit lauter Punkmusik – nachdem zuvor ruhige, klassische Töne dominierten – unterlegte Titeleinblendung ist dabei zugleich Warnung wie auch Ankündigung dessen, was uns in den darauffolgenden hundert Minuten erwarten wird: Kino/Film nicht als Unterhaltung, sondern als Tour de Force, um nicht zu sagen als Zumutung.
Sobald Peter auftaucht und Anna um Eier bittet, beschleicht einen sofort – ohne, dass man eigentlich benennen könnte, warum – ein ungutes Gefühl. Mit der Ankunft von zuerst Paul und schließlich Georg verstärkt sich dieses noch – und dann eskaliert die Lage auch schon. Haneke hält sich hier somit nicht lange auf, ehe die Spannung bereits den Höhepunkt erreicht – und dann auch bis zuletzt nicht mehr loslässt. Zwar mag diese teilweise ein bisschen auf- und abebben, grundsätzlich ist "Funny Games" aber sobald Peter und Paul – bzw. Tom und Jerry – loslegen, durchgehend packend, und vor allem auch enorm bedrückend. Haneke lässt uns den Terror, den Anna und Georg empfinden, nachfühlen. Besonders erschütternd ist dabei eine ganz bestimmte Szene – nachdem "Tom und Jerry" die beiden kurz verlassen haben – die ohne Schnitt auskommt, und in der sich die Verzweiflung der beiden so richtig ausbreitet. Einen enormen Anteil eben daran haben natürlich auch die Darsteller:innen. Susanne Lothar und Ulrich Mühe legen hier eine schauspielerische Tour de Force ab. Arno Frisch begeisterte mich vor allem mit der für Österreich so typischen aufgesetzten (sprich: falschen) Höflichkeit, die für mich seine Figur letztendlich sogar nochmal bedrohlicher machte. Zudem wirkt er von den beiden nochmal kälter, kalkulierter – und kurioserweise dennoch zugleich auch unberechenbarer. Frank Giering ist für mich vergleichsweise unscheinbar, spielt seine Figur aber ebenfalls sehr gut – wobei mir vor allem gefällt, wie deutlich sich Peter und Paul, trotz ihrer gemeinsamen Agenda, voneinander unterscheiden. Und dann ist da noch die reine Willkür, mit der sie ihre Opfer auswählen. Auch dies verleiht "Funny Games" viel von seinem Schrecken, da der Film uns deutlich macht, dass es jederzeit jeden treffen kann, und niemand – auch wir – vor ihnen (oder Personen wie ihnen) nicht sicher sind.
Das letzte wesentliche Element ist dann die Art und Weise, wie Michael Haneke mit vielen Genre- sowie generell erzählerischen Konventionen bricht. Wobei eben dies wohl zugleich jener Punkt ist, an dem sich die Geister im Hinblick auf den Film am meisten scheiden. Der erste Bruch der vierten Wand ist für mich aber nach wie vor einfach nur ein ungemein radikaler Moment, durch den "Funny Games" nochmal zusätzlich an Reiz gewinnt. Zugleich verstehe ich aber auch jene, die es entweder hier oder später dann beim "Zurückspülen" aus dem Film reißt, und dieser somit nicht mehr funktioniert. Gerade Letzteres finde ich aber insofern extrem arg, als man in diesem Moment kurz Hoffnung schöpft – nur damit diese auf brutale (und absurde) Art und Weise entrissen wird. Es verstärkt das Gefühl der völligen Hoffnungslosigkeit, und dass wir – so wie auch Anna und Georg – ihnen (und Haneke) hilflos ausgeliefert sind. Und auch auf "Chekov's Messer" soll nicht vergessen werden. Es sind vor allem diese Elemente, die "Funny Games" für mich so außergewöhnlich machen.
Fazit:
Mit "Funny Games" schafft es Michael Haneke, ganz ohne explizite Gewaltdarstellung einen der brutalsten und härtesten Thriller aller Zeiten vorzulegen, an dem nicht zuletzt besticht, dass er mit dem Publikum mindestens so sehr spielt, wie Tom und Jerry mit ihren Opfern. "Funny Games" hält uns einen Spiegel vor, hinterfragt unsere Faszination mit Gewalt, und scheint uns in der Art und Weise, wie weit wir mit dem Film zu gehen bereit sind, auf die Probe zu stellen. Was den Film dabei nicht zuletzt so erschreckend macht, ist die Willkür, durch die Anna und Georg ins Fadenkreuz der beiden jungen Psychopathen geraten. Es gibt zahlreiche Momente, die einem unter die Haut gehen – insbesondere natürlich die minutenlange Sequenz ohne Schnitt, nachdem Peter und Paul das Haus verlassen haben, und sie ihre Opfer in ihrer Verzweiflung zurücklassen. Wie sich diese hier minutenlang ausbreitet und auf das Publikum überträgt, ist absolut bemerkenswert. Last but not least besticht "Funny Games" mit der radikalen Art und Weise, in der er mit unzähligen Regeln des Genres, oder auch von Filmen generell, bricht. Für mich ist "Funny Games" jedenfalls ein absolutes Meisterwerk.