Review zum lange verschollenen HorrorfilmKategorie: Filme - Autor: Christian Siegel - Datum: Samstag, 25 Oktober 2025
Originaltitel:
The Keep
Produktionsland/jahr:
UK 1983
Bewertung:
Studio/Verleih:
Associated Capital/Paramount Pictures
Regie:
Michael Mann
Produzenten:
U.a. Gene Kirkwood & Hawk Koch
Drehbuch:
Michael Mann, nach dem Roman von F. Paul Wilson
Filmmusik:
Tangerine Dream
Kamera:
Alex Thomson
Schnitt:
Dov Hoenig
Genre:
Horror/Thriller
Video-Premiere BRD:
Mai 1985
Kinostart USA:
16. Dezember 1983
Laufzeit:
96 Minuten
Altersfreigabe:
FSK ab 16
Mit: Scott Glenn, Alberta Watson, Jürgen Prochnow, Robert Prosky, Gabriel Byrne, Ian McKellen, William Morgan Sheppard, Royston Tickner, Michael Carter, Phillip Joseph, John Vine, Jona Jones, Wolf Kahler u.a.
Kurzinhalt:
1941 im von den Nazis besetzten Rumänien: Kapitän Woermann erhält den Auftrag, mit seinen Männern Stellung in einem Bergfried zu beziehen, um den nahegelegenen Gebirgspass zu bewachen. Der dortige Priester, Father Fonescu, warnt ihn davor, nie im Gebäude die Nacht zu verbringen, und vor allem auch die Kreuze an der Wand nicht zu berühren. Als die Soldaten im Wachdienst diese jedoch genauer ansehen, erkennen sie, dass sie aus Silber gefertigt wurden. Gierig entfernen sie eines nach dem anderen – nicht ahnend, dass sie damit einen alten Schrecken befreien, der dort für immer und ewig eingesperrt bleiben sollte. Als in den darauffolgenden Nächten immer wieder Männer sterben, wird Woermann von Sturmbannführer Kaempffer abgelöst. Parallel dazu wird Dr. Theodore Cuza, ein jüdischer Historiker, aus dem Konzentrationslager befreit und zum Bergfried gebracht, um die Inschriften dort zu übersetzen. Dieser schließt daraufhin einen Pakt mit jenem Teufel, der von den Nazis befreit wurde…
Review (kann Spoiler enthalten):
Eigentlich wäre ich nun ausführlich auf die problemgebeutelte Produktionsgeschichte eingegangen – bis ich gesehen habe, dass sich mein Kumpel Harry in seinen Horror-Hintergründen ausführlich damit auseinandergesetzt hat. Insofern sei nur erwähnt, dass ich den Film, der ja lange als verschollen galt, vor ein paar Jahren beim besagten Screening im Gartenbaukino gesehen habe. Danach gab es Bootleg-DVDs in mäßiger Qualität, bis vor rund zwei Jahren dann auf einmal eine qualitativ halbwegs akzeptable Version auf diversen Streaming-Portalen (u.a. Amazon Prime Video) auftauchte. Dieses Jahr wurde der Film nun schließlich zuerst in den USA und dann Australien in einem neu restaurierten 4k-Master (für das eine vor Jahren von Fans aufgetriebene alte 35mm-Kinokopie gescannt wurde), welches den Film in bislang ungeahnter Qualität neu erstrahlen lässt. Dies ist nicht zuletzt auch deshalb relevant, als die audiovisuelle Ebene für mich zu den größten Stärken des Films gehört – und die ließ sich halt eben in den bislang verfügbaren Versionen nur sehr bedingt genießen.
Aber ja: Auch wenn ich verstehen kann, dass Michael Mann an diesen Film aufgrund der Einmischung des Studios und der zerstückelten Version die in die Kinos kam nicht gern zurückdenkt, er selbst hat sich jedenfalls nichts vorzuwerfen – ist seine Inszenierung doch eine der größten Stärken des Films. Optisch ist "The Keep" einfach nur eine Wucht – zu der sich dann auch noch die eindringliche Synthie-Musik von Tangerine Dream hinzugesellt, und zu einem audiovisuellen Rausch vereint, der seinesgleichen sucht. Eben daraus entwickelt sich eine ganz besondere, alptraumhafte Atmosphäre, die es bei jeder Sichtung eine ungeheure Sogwirkung bei mir entfaltet. Aber auch inhaltlich finde ich "Die unheimliche Macht" enorm interessant. Sei es, wenn er im Hinblick auf den "guten" und den "bösen" Nazi ein differenzierteres Bild der deutschen Wehrmacht des Zweiten Weltkriegs zeigt, als dies sonst oft der Fall ist. Oder auch, wie sich der Dämon deren finstere Taten zu Nutze macht, um Dr. Cuza auf seine Seite zu ziehen – und daraufhin dann wiederum für seine eigenen Zwecke zu missbrauchen. Und doch, trotz aller Stärken, sowie der Faszination, die er seit der Erstsichtung bei mir auszulösen vermochte, ist der Film in seiner jetzigen Form doch etwas frustrierend. Denn: Wer auch immer hier für die letzte Schnittfassung verantwortlich war, er hat den Film geradezu zerstückelt. Figuren tauchen auf einmal auf, und sind ebenso plötzlich wieder weg. Ganze Handlungsstränge werden aufgemacht, und dann auf einmal wieder fallen gelassen, während andere Entwicklungen aus dem Nichts kommen. Dies gilt nicht zuletzt für die Romanze zwischen Glaeken und Eva, die einfach nicht genug Raum bekommt, um a) plausibel zu sein und b) Eindruck zu hinterlassen. Zugegeben, Manns ursprüngliche Drei-Stunden-Fassung klingt dann wiederum nach zu Viel des Guten. Seine zweite, zweistündige Version klingt aber rein von der Länge her ziemlich optimal. Umso bedauerlicher, dass diese scheinbar nicht mehr existiert, und wir sie somit auch nie zu Gesicht bekommen werden. Denn mit ein paar zusätzlichen Szenen, welche die Lücken füllen, sowie einem stimmigeren Erzählfluss, hätte "Die unheimliche Macht" das Zeug zum kleinen Horror-Meisterwerk gehabt.
Fazit:
"The Keep – Die unheimliche Macht" lebt in erster Linie von der Inszenierung sowie der Musik. In audiovisueller Hinsicht ist der Film einfach eine Wucht, und entwickelt zusammen mit seiner alptraumhaften Stimmung eine Sogwirkung, der ich mich selbst bei der Sichtung der qualitativ mäßigen Bootlegs nicht entziehen konnte. Aber auch die Story besitzt selbst in dieser zerstückelten Form noch genug interessante Elemente, dass mich auch diese durchaus in ihren Bann ziehen kann. Auch die coole Besetzung wertet ihn zweifellos auf. Und als Fan der entsprechenden Film-Epoche profitiert er zweifellos auch vom starken 80s-Flair, den er von Beginn an verströmt. Zwar ist bei jeder meiner Sichtungen nicht einfach nur trotz, sondern vielmehr wegen der vielen faszinierenden und gelungenen Elemente auch immer ein gewisser Frust dabei, weil man den Eindruck hat, dass in diesem schnitttechnischen Massaker irgendwo ein kleines Horror-Meisterwerk schlummert. Ein saucooler Film ist aber auch so.
Wertung: 7 von 10 Punkten
Christian Siegel
Harrys Horror-Hintergründe: Titel:
Der Titel an sich, also "The Keep", mag ja doch ein wenig unspektakulär sein, verglichen mit dem dazugehörigen, sensationellen Film. Wohlgemerkt, dass ich solche kurzen Titel generell nicht so sehr favorisiere. ABER! Was der Film dann mit diesem Titel in den Opening Credits macht, das ist einfach grenzgenial. Nur Großbuchstaben. Knallrote Lettern. Und das alles ganz, ganz klein in der Mitte des Bildschirms auf schwarzem Hintergrund. Ein krasser Gegensatz zum massiven Bollwerk, um welches sich der Film dreht. Ich hatte vor Jahren mal die Ehre, eine 35mm Kopie auf der Riesenleinwand im Gartenbaukino zu sehen. Selbst hier sah der Titel noch verhältnismäßig winzig aus. Designtechnisch eine wahre Meisterleistung!
Der deutsche Titel stinkt da naturgemäß ab. "Die unheimliche Macht" klingt eher nach einem John Sinclair Heft. Oder vielleicht nach einem reißerischen Leitartikel in der "News", oder so. Das Buch von F. Paul Wilson, auf dem der Film passiert, kam im deutschsprachigen Raum ursprünglich als "Das Kastell" heraus, was vielleicht ein wenig altbacken klingt, aber als Filmtitel irgendwie doch passender gewesen wäre, denk zumindest ich.
Fassungen:
Regisseur Michael Mann’s ursprüngliche Fassung war ganze 210 Minuten lang! Paramount war das viel zu lang, also wurde der Film von Mann auf 120 Minuten runtergekürzt. Diese Fassung wiederum fiel bei diversen Test-Screenings durch, also legte Paramount nochmal selbst Hand an und, ohne Mann miteinzubeziehen, kürzte nochmal ordentlich, diesmal runter auf 96 Minuten und ab dafür ins Kino. Der Film wurde ein finanzieller Reinfall. Paramount warf das Teil schnell auf Video, um finanziell nicht ganz blöd dazustehen. Mann distanzierte sich völlig von "The Keep" und schaffte es in Folge mit sensationellen Regie-Werken ("Manhunter", "Heat", "Collateral") und revolutionären TV Produktionen ("Miami Vice", "Crime Story") mehr als zwei Jahrzehnte lang einer der erfolgreichsten, kreativsten Filmemacher Amerikas zu sein.
Ende der Geschichte? Mitnichten. Was damals ein Flop war, wurde im Laufe der Zeit schön langsam ein absoluter Kult-Film, einerseits weil es nach VHS (80er) und Laserdisc (90er) bis 2024 keine offiziellen DVD oder BluRay Veröffentlichungen gab (was zu vielen ganz soliden Bootlegs führte, sowie zu einem gewissen Ruf als "bester Film den es nicht zu kaufen gibt"), andererseits, weil sich im Internet-Zeitalter sagenumwobene Mythen um die sagenhafte 210-Minuten-Fassung rankten (Gibt es sie? Gibt es sie nicht? Sollte es sie geben, existiert sie noch? Hat sie überhaupt jemand jemals gesehen? etc.), was damit zu tun hatte, dass nach und nach Aufnahmen diverser alter TV-Ausstrahlungen auftauchten, die sowohl alternative Enden, als auch ganz neue Szenen mit an Bord hatten. Auch im Kinotrailer wurden Szenen verwendet, die es nicht in die fertige Fassung schafften. All das selbstverständlich eindeutige Hinweise darauf, dass es definitv mehr "The Keep" geben muss.
Leider sieht es nicht gut aus, dass wir diese Version jemals zu sehen bekommen. Mann hat sich im Laufe der Jahrzehnte nur selten zu "The Keep" geäußert, und das immer negativ. Er hat kein Interesse daran sich mit dem Film noch auf irgendeine Art und Weise zu beschäftigen; das Teil ist für ihn in etwa so abgehakt wie "Alien³" für David Fincher. Auch vermutet er, dass das geschnittene Material sowieso gar nicht mehr existiert - was ich zu bezweifeln wage, wenn man sich so ansieht, welche sensationellen Funde in den letzten 10, 15 Jahren gemacht wurden. Ich denke da an "Nightbreed", "The Exorcist III", "The Amusement Park" etc. Die Hoffnung stirbt also zuletzt. Hoffentlich…
Meinung:
Ich verstehe jeden der mit "The Keep" nichts anfangen kann. Pacing und Struktur sind aufgrund der Kürzungen mehr als holprig. Die halbe Geschichte macht keinen Sinn. Es tummeln sich Logiklöcher und Ungereimtheiten. Alles irgendwie frustrierend. Und doch ist es möglich irgendwie in den Film so reinzufallen, dass er einem trotzdem gefällt – oder vielleicht sogar genau deswegen, denn all diese Absurditäten erzeugen, zusammen mit der zum Sterben schönen Musik von Tangerine Dream und den absolut atemberaubenden Bildern, eine traumartige Sogwirkung, die so dermaßen eigenwillig und einzigartig ist, dass sie, wenn man es zulässt, oder zulassen kann, einen völlig von den Socken haut. Mir ist es exakt so ergangen bzw. geht es mir bei jeder einzelnen Sichtung so. Das ist so ein bizarrer Film, es ist nur schwer in Worte zu fassen. Ich persönlich würde alle meine Organe hergeben, um einmal die vollständige Fassung zu sehen, aber… wer weiß, ob Sie dann letztendlich so gut wäre, wie diese verstümmelte Fassung, die aber gerade wegen ihrer Verstümmelungen so einen grandiosen Reiz ausübt.