Kritik zu Roman Polanskis Genre-KlassikerKategorie: Filme - Autor: Christian Siegel - Datum: Mittwoch, 01 Oktober 2025
Originaltitel:
Rosemary's Baby
Produktionsland/jahr:
USA 1968
Bewertung:
Studio/Verleih:
William Castle Productions/Paramount Pictures
Regie:
Danny Philippou & Michael Philippou
Produzenten:
William Castle & Dona Holloway
Drehbuch:
Roman Polanski, nach dem Roman von Ira Levin
Filmmusik:
Krzysztof Komeda
Kamera:
William A. Fraker
Schnitt:
Sam O'Steen & Bob Wyman
Genre:
Horror/Thriller
Kinostart BRD:
17. Oktober 1968
Kinostart USA:
12. Juni 1968
Laufzeit:
137 Minuten
Altersfreigabe:
FSK ab 16
Mit: Mia Farrow, John Cassavetes, Ruth Gordon, Sidney Blackmer, Maurice Evans, Ralph Bellamy, Victoria Vetri, Patsy Kelly, Elisah Cook Jr., Emmaline Henry, Charles Grodin, Hanna Landy, Phil Leeds, D'Urville Martin, Hope Summers, Marianne Gordon, Wende Wagner u.a.
Kurzinhalt:
Das frisch verheiratete Ehepaar Rosemary und Guy Woodhouse erfüllt sich einen Traum, als sie in ein gerade frei geworfenes Apartment im legendären Bramford-Gebäude in New York ziehen. In den darauffolgenden Tagen lernen sie nacheinander ihre Nachbarn kennen, von Terry – die Rosemary in der Waschküche im Keller kennenlernt – bis hin zum älteren Ehepaar Minnie und Roman Castevet, die direkt nebenan wohnen. Kurz nach ihrem Einzug geht dann ein weiterer Wunsch der beiden in Erfüllung: Rosemary wird schwanger. Von den Castevets werden sie an den angesehenen Gynäkologen Dr. Sapirstein verwiesen. Doch schon bald kommt es zu Komplikationen in Form von heftigen Schmerzen, von denen Rosemary geplagt wird. Sie ist gerade dabei, eine zweite Meinung einzuholen, als diese endlich von einem Moment auf den nächsten verschwinden. Allerdings kommt es daraufhin dann immer wieder zu Vorfällen, die sie im Hinblick auf die Castevetes zunehmend misstrauisch machen. Als sie nach dem Tod eines guten Freundes von ihm ein Buch über Hexerei erhält, welches scheinbar von Romans Vater geschrieben wurde, befürchtet sie, dass die Castevetes einem satanischen Kult angehören – und es auf ihr Baby abgesehen haben…
Review (kann Spoiler enthalten):
Selbst die größten Filmbegeisterten haben ihre blinden Flecke; jene großen Filme, die man noch nicht kennt, weil sie einem irgendwie nie untergekommen sind. In meinem Fall werden es zwar von Jahr zu Jahr immer weniger, dennoch gibt es sie nach wie vor. Im Horrorbereich war einer der größten bis vor kurzem sicherlich "Rosemarys Baby", denn ja, tatsächlich: Denn hatte ich bislang nicht gesehen. Wirklich einen Grund gibt es dafür nicht. In meiner Jugend ist er mir irgendwie im Fernsehen nie untergekommen, und im zuerst DVD- und Blu-Ray- und aktuell nun Streaming-Zeitalter waren dann irgendwie immer andere Filme wichtiger. Nun war es aber endlich so weit, und auch wenn die Wertung deutlich macht, dass ich jetzt nicht vollständig begeistert von ihm war, ist "Rosemarys Baby" zweifellos ein sehr guter Horrorfilm, der zurecht zu den großen Klassikern des Genres gezählt wird. Nach meiner Erstsichtung des Films habe ich mir dann auch gleich noch die Romanvorlage von Ira Levin vorgeknöpft. Dies machte deutlich, dass Roman Polanski dieser sehr nah geblieben ist (ganz ehrlich: Ich habe Romane gelesen, die auf Filmen bzw. ihren Drehbüchern basieren, die sich stärker voneinander unterschieden haben, als dies hier der Fall ist), und sie höchst werksgetreu verfilmte. Insofern darf bei allem Lob für den Film auch Ira Levins Beitrag zu diesem nicht vergessen werden.
Trotz aller Vorschusslorbeeren war ich im Vorfeld zugegebenermaßen im Hinblick auf die Laufzeit ein bisschen skeptisch. Über zwei Stunden für einen "slow burn", bei dem noch dazu mittlerweile wohl selbst jene, die den Film so wie ich bislang nicht gesehen haben, den großen Twist am Ende kennen? Kann das funktionieren? Ja, es kann – und tut es auch. Roman Polanski versteht es von Beginn an, für eine beunruhigende Stimmung zu sorgen, die sich dann im Verlauf des Films kontinuierlich steigert. Dabei besticht nicht zuletzt die Idee einer a) relativ bodenständigen Bedrohung, die sich vor allem auch b) direkt nebenan befindet. Wir sind es gewohnt, dass der Horror in abgeschiedenen Hütten im Wald auf uns lauert – aber zu Hause, noch dazu im urbanen Raum, direkt bei den Nachbarn? Heutzutage mag zwar auch das keine ganz neue Idee mehr sein, dank des Aufkommens des "Home Invasion"-Genres – dies kam aber erst später. Insofern war das definitiv etwas, dass damals bei Erscheinen des Romans bzw. Films hervorstach. Wunderbar auch, wie sich zwar sowohl unser (als auch Rosemarys) Verdacht langsam steigert, es immer wieder Hinweise gibt, es aber bis zuletzt nicht wirklich etwas Konkretes gibt, und wir uns daher fragen: Ist die Bedrohung real, oder bildet sie sich Rosemary nur einNeben dem Spannungsaufbau sticht in inszenatorischer Hinsicht dann nicht zuletzt auch die wirklich fantastisch gemachte, unheimlich-surreale "Traum"-Sequenz hervor. Wie es in weiterer Folge generell auch abseits der zunehmend bedrückenden Grundstimmung ein paar hervorstechende Spannungsmomente gibt – wie nicht zuletzt die Szene in der Telefonzelle. Und die Musik von Krzysztof Komeda trägt ebenfalls zur unheimlichen Stimmung des Films bei.
Vor allem aber versteht es "Rosemarys Baby" fantastisch, dafür zu sorgen, dass man sich als Zuschauer:in mit Rosemary identifiziert. Dafür sorgt einerseits der von Ira Levin beim Roman gewählte und von Roman Polanski für den Film übernommene Zugang, dass wir die gesamte Geschichte nur aus ihrer Perspektive verfolgen. Was immer sich abseits von ihrer eigenen Wahrnehmung abspielt, bekommen wir nicht mit. Damit zwingt man uns förmlich, in sie hineinzuversetzen, und ihre Gedanken und Gefühle nachzuvollziehen. Der zweite wesentliche Aspekt ist dann Mia Farrow, die dafür sorgt, dass wir von Beginn an eine Bindung zu Rosemary aufbauen. Wie ich ihre schauspielerische Leistung hier generell einfach nur sensationell fand; ungemein intensiv und extrem präzise in ihrer Mimik und Gestik. Auch ohne dass sie es aussprechen muss, wissen wir immer gleich, was in Rosemarys Inneren los ist. Für mich definitiv eine der besten Performances, die mir im Horrorbereich jemals unterkommen sind. Wahnsinn!
Allerdings, bei allem Lob, die Gesamtwertung zeigt es schon: Ich war zwar von "Rosemarys Baby" insgesamt sehr angetan – aber nicht vollends begeistert. Eine (noch) höhere Bewertung wird dabei für mich insbesondere durch zwei Punkte verhindert. Einerseits ist das Rosemarys teilweise doch etwas naive Vorgehensweise (auch wenn diese zugegebenermaßen 1:1 aus dem Buch entnommen wurde). Sie beginnt ja recht früh zu vermuten, dass es mit den Castevets irgendetwas auf sich hat. In weiterer Folge glaubt sie sogar, dass es diese auf ihr Baby abgesehen haben, um es für ein satanistisches Ritual zu opfern. Warum zum Teufel geht sie dann aber immer noch zu jenem Arzt, der ihr von ihnen empfohlen wurde? Zumal sie ja auch bereits davor, als sie wochenlang starke Schmerzen empfand, zunehmend das Vertrauen ihm gegenüber verloren hat? Aber auch im Hinblick auf ihren Ehemann verhält sie sich teilweise zu blauäugig, und scheint trotz aller Verdachtsmomente auf die sie stößt (wie z.B., dass die Castavetes etwas mit der Erblindung seines Schauspiel-Konkurrenten zu tun haben; oder auch das mit Hutchs Handschuh) viel zu spät in Erwägung zu ziehen, dass er in die Sache verwickelt ist. Etwas konstruiert wirkte dann auf mich die Reaktion von Dr. Hill. Ich meine, dass dieser ihr nicht glaubt, ist ja eh klar, und auch verständlich. Aber wenn ich eine Patientin in einem derart aufgelösten Zustand vor mir habe (was ja auch für das Baby eine Gefahr darstellt), wende ich mich doch um Himmels willen nicht genau an jene Personen, gegen die sie ihre (vermeintliche) pränatale Paranoia entwickelt hat?! Vor allem aber war ich mit den Ausgang nicht ganz glücklich. Damit meine ich jetzt auch weniger, dass es "schlecht" ausgeht (wobei das sicherlich Interpretationssache ist); nicht jeder (Horror-)Film bietet ein Happy End, und das ist auch ok. Aber auf mich wirkte es so, als hätte Rosemary hier aufgegeben – da sie jenen, die ihr all dies angetan haben, letztendlich aktiv dabei hilft, ihr Ziel zu erreichen (und sie so quasi dafür "belohnt"). Und damit tat ich mir dann doch etwas schwer.
Fazit:
Keine Frage: "Rosemarys Baby" zählt völlig zu Recht zu den ganz großen Klassikern des Horror-Genres. Roman Polanskis Film, in dem er sich extrem nah an der Romanvorlage von Ira Levin bewegt, besticht dabei vor allem was den Spannungsaufbau betrifft. Von Beginn an sorgt er für eine beunruhigende Stimmung, die sich dann im Verlauf des Films kontinuierlich verstärkt, und immer wieder in einzelnen Spannungsspitzen ihren Höhepunkt findet. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist sicherlich auch, dass wir konstant bei Rosemarys Perspektive bleiben, was unweigerlich dafür sorgt, dass wir uns mit ihr identifizieren. Und dann ist da noch Mia Farrow, die den Film mit einer Wahnsinns-Performance enorm aufwertet. Zwar war mir ihre Figur insbesondere im Hinblick auf Dr. Silberstein und ihren Ehemann zu lange zu vertrauensselig. Und der Ausgang des Geschehens tat für mich zu wenig, um sie aus der Opferrolle – in die sie der Film ja praktisch die gesamte Laufzeit über steckte – herauszubefördern. Davon abgesehen ist "Rosemarys Baby" aber ein großartiger Horrorfilm, bei dem der Schrecken nicht an irgendeinem fernen Ort, sondern gleich in der Wohnung nebenan lauert.