Mit: Florence Pugh, Sebastian Stan, Julia Louis-Dreyfus, Lewis Pullman, David Harbour, Wyatt Russell, Hanna John-Kamen, Olga Kurylenko, Geraldine Viswanathan, Wendell Pierce u.a.
Kurzinhalt:
Yelena Belova ist ihrer Arbeit als Agentin/Auftragskillerin für die CIA-Direktorin Valentina Allegra de Fontaine zunehmend müde. Sie teilt ihr mit, aussteigen zu willen, wird von Valentina jedoch noch auf eine allerletzte Mission geschickt: Sie wird auf eine bestimmte Person angesetzt, die sich in einer streng geheimen Lagerhalle der O.X.E.-Group befinden soll. Dort angekommen, steht sie gleich vier anderen Auftragskiller:innen gegenüber. Schnell wird deutlich: Sie wurden alle aufeinander angesetzt; so will Valentina alle, die von ihren illegalen Machenschaften – und ihrer Kooperation mit der O.X.E.-Group – wissen, ausschalten. Und für den Fall, dass jemand von ihnen die Beegegnung überlebt, wird in Kürze die Verbrennungsanlage gestartet, um all die dort gelagerten Artefakte und Beweise zu vernichten. Wie durch ein Wunder gelingt es Yelena, Bucky Barnes, John Walker und Ava Starr, sich zusammenzuraufen, und zusammen mit Robert Reynolds, der in einer Kälteschlafkammer eingesperrt war, zu entkommen. Als sie erkennen, dass sie von Valentina hereingelegt wurden, schließen sie sich zu einer wilden Superhelden-Truppe zusammen, für die schließlich auch Yelenas Vater Alexei Shostakov rekrutiert wird. Zusammen ziehen sie los, um Valentina das Handwerk zu legen, und den von ihr zwischenzeitlich gefangen genommenen Bob zu befreien…
Review:
Ich gebe zu, im Vorfeld an "Thunderbolts*" keine großen Erwartungen gehabt zu haben. Teilweise liegt dies sicherlich daran, dass er die Fortsetzung des ersten "direct to streaming"-Films aus dem MCU ist – wenn auch natürlich ungeplanterweise. Denn eigentlich hätte "Black Widow" ja sehr wohl ins Kino kommen sollen; dann jedoch kam die Pandemie dazwischen, und man beschloss, statt noch mehrere Monate auf ihm sitzen zu bleiben, die Gunst der Stunde zu nutzen und Disney+ damit zu promoten. Rückblickend fand ich die Entscheidung auch insofern richtig, als der Film mit den großen Highlights des MCU sicher nicht mithalten konnte, und doch eher eine kleinere Angelegenheit war. Er war tatsächlich dem üblichen Streaming-Output näher, als jenem Spektakel, welches man zu diesem Zeitpunkt vom MCU zu erwarten gelernt hatte. Vom Nachfolger erwartete ich mir – auch anhand des Trailers – ähnliches, weshalb ich ursprünglich auch geplant hatte, ihn so wie "Captain America: Brave New World" im Kino auszulassen. Als mich jedoch ein Freund fragte, ob ich nicht mitkommen will, ließ ich mich doch überreden – und habe den Entschluss keinesfalls bereut.
Ich verweise an dieser Stelle nochmal auf mein Review zu "Captain America: Brave New World", und die dort erwähnten Kritikpunkte. Vieles von dem, was dort falsch gemacht wurde, macht man hier nun richtig. Einer der wichtigsten Punkte ist dabei: Wo "Captain America: Brave New World" extrem einfallslos und generisch wirkte, und nur altbekanntes wiederkäute, traut sich "Thunderbolts*", eine andere Richtung einzuschlagen. Möglicherweise liegt dies am geringeren Budget, sowie auch daran, dass bei eher unbekannten Helden aus der zweiten Reihe (im Vergleich zu Sam Wilson, den es als Steve Rogers' Nachfolger zu etablieren galt) einfach mehr Mut da war, die mittlerweile altbekannte (und trotz der zuletzt nachlassenden Einnahmen halt immer noch bewährte) Formel zu verlassen. Jedenfalls fällt auf, dass "Thunderbolts*" einerseits sehr charakterorientiert ist, und andererseits eine starke psychologische Komponente hat, die so bislang im MCU kaum bis gar nicht wahrnehmbar war. Man könnte es auch so formulieren: Bisher waren die Kämpfe doch überwiegend mit Bedrohungen von außen; hier hingegen ringen die (Anti-)Helden mit sich selbst, und ihren inneren Dämonen. Das allein hebt ihn schon mal vom Rest des MCU wohltuend ab. Überhaupt, die Figuren. Ihr wisst wohl mittlerweile, dass ich eine Vorliebe für "redemption stories" habe; also solche Geschichten, wo Charaktere, die in der Vergangenheit Mist gebaut haben, die Chance erhalten, Wiedergutmachung zu leisten. Eben dies ist hier ein wesentlicher Schwerpunkt. Yelena Belova kämpft, so wie ihre Schwester vor ihr, mit ihrer Vergangenheit als Schwarze Witwe; der brutalen Erziehung, und den Taten, die sie seither verübt hat. Bucky Barnes hat seine Winter Soldier-Tage, wo er auf der falschen Seite kämpfte, immer noch nicht vollständig überwunden. John Walkers Fehltritt haben alle, die "The Falcon and the Winter Soldier" gesehen haben (eine Serie, die ich kurioserweise für "Thunderbolts*" sogar als wichtiger erachte, als für "Brave New World"), live mitverfolgt. Ava Starr aka Ghost war die Widersacherin in "Ant-Man & the Wasp". Und Alexei ringt mit seinem Versagen als Vater.
Und dann ist da noch der uns bislang unbekannte Robert Reynolds. Auch er wird, wie sich herausstellt, von schlimmen inneren Dämonen geplagt, die auf psychischen und physischen Missbrauch in seiner Kindheit zurückgehen. Schon allein, dass man sich im MCU einem solch schweren (und schwierigen) Thema annimmt, sticht hervor. Mir gefiel aber vor allem auch, wie man hier die Möglichkeiten des Genres nutzt, um Roberts Kampf zu visualisieren. Dies gilt dann natürlich insbesondere für den Showdown, wo sich Yelena und die anderen quasi in seinem gequälten Bewusstsein wiederfinden. Generell sollte sich The Void für mich als einer der bisher furchterregendsten Schurken des MCU erweisen. Vor allem aber hatte es mir die Art und Weise angetan, wie dieser letztendlich besiegt wird. Die betreffende Szene war das erste Mal seit dem Tod von Tony Stark, dass ich bei einem (reinen, sprich "No Way Home" nicht mit eingerechnet) MCU-Film tief berührt war. Die durch die Bank weg gelungenen schauspielerischen Leistungen, das großartige Zusammenspiel zwischen ihnen, die optisch teils interessante Inszenierung durch Jake Schreier, der Score von Son Lux, sowie nicht zuletzt die wunderbare Songauswahl runden das überaus positive Gesamtbild dann schließlich ab.
Natürlich ist der Film – so wie seine (Anti-)Helden – nicht perfekt. Bei einer derartigen Fülle an Figuren in Verbindung mit einer überschaubaren Laufzeit von nur knapp über zwei Stunden (womit "Thunderbolts*" unter dem MCU-Durchschnitt liegt) müssen notgedrungen einige von ihnen auf der Strecke bleiben. Vor allem Ghost kommt kaum zur Geltung (was angesichts ihres Namens nicht einer gewissen Ironie entbehrt, wirkt sie doch teilweise tatsächlich wie ein Geist). Aber auch John Walkers Wiedergutmachungs-Story wird nur sehr oberflächlich behandelt. Und Bucky Barnes ist zwar zweifellos eine wichtige Präsenz, die den Film aufwertet, ich hatte aber jetzt nicht unbedingt den Eindruck, dass er hier eine große Entwicklung durchmacht. Im Gegensatz zu The Void wird es zudem die Strippenzieherin Valentina Allegra de Fontaine eher nicht in die Hall of Fame der MCU-Bösewichte schaffen. Bislang immer eher nur im Hintergrund, war der Film als vermeintlich großer Höhepunkt ihrer Schurken-Karriere doch eher enttäuschend. Vor allem aber fand ich es schade, dass letztendlich auch hier wieder gleich das Schicksal von mindestens mal New York, wenn nicht gar der gesamten Menschheit, auf dem Spiel stehen musste. Zum bis dahin sehr reduzierten und charakterorientierten Film wollte das nicht wirklich passen; vor allem aber war "Thunderbolts*" bis dahin eben wunderbar anders, weshalb dieses sehr generische Elemente für mich umso negativer hervorstach. Hätte nicht einfach "nur" das Leben der Thunderbolts sowie von Bob auf dem Spiel stehen können? Mir persönlich hätte das nicht einfach nur gereicht, sondern wohl auch besser gefallen. Zumal in dem Moment, wo alle möglichen unschuldigen Zivilisten – inklusive Kindern – von The Void verschlungen werden, kein Zweifel mehr besteht, dass es gelingen wird, ihn nicht einfach nur aufzuhalten, sondern diesen Prozess umzukehren, was dem Showdown an Spannung nimmt. Letztendlich sind all diese Kritikpunkte aber keine große Sache. Und so sollten sich just diese (Anti-)Helden aus der zweiten Reihe als Retter des MCU erweisen; wenn schon nicht an den Kinokassen, so doch zumindest im Hinblick auf die Qualität.
Fazit:
Ich hatte mir im Vorfeld von "Thunderbolts*" nicht viel erwartet – und war daher umso positiver überrascht. Im Gegensatz zu "Black Widow", der zwar solide, aber wenig hervorstechend war, gelingt es dem Film von Jake Schreier, aus dem MCU-Einheitsbrei – und damit zugleich dem Trott der aktuellen MCU-Phase – auszubrechen. Er macht vieles von dem richtig, was bei "Captain America: Brave New World" zuvor falsch lief. Allein Beteiligten scheint bewusst gewesen (oder geworden) zu sein, dass sich das MCU im Hinblick auf Spektakel nicht ständig übertreffen, zugleich man aber auch nicht immer die gleichen Geschichten – noch dazu mit weniger Action und Schauwerten – wiederholen kann. Als Antwort darauf präsentiert man eine wunderbar charakterorientierte Geschichte rund um Anti-Held:innen, die allesamt für irgendetwas aus ihrer Vergangenheit Wiedergutmachung leisten wollen. Hinzu kommt dann noch ein überraschender Psychologie-Einschlag, mit dem man auf bestechende Art und Weise die Möglichkeiten des Genres nutzt, um interne Traumata visuell darzustellen, und so auch spür- und greifbar zu machen. All dies kulminiert in einer der schönsten "Siege" über den Bösewicht im MCU seit langem, wenn nicht gar überhaupt. Kleinere Schwächen mögen zwar verhindern, dass es die "Thunderbolts" mit den ganz großen Highlights des MCU aufnehmen können. Als potentielle "New Avengers" hat mich ihre "Bewerbung" aber ungleich mehr überzeugt, als jene des vermeintlichen Konkurrenten Sam Wilson.