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The Substance Drucken E-Mail
Fulminanter Body-Horror von Coralie Fargeat Kategorie: Filme - Autor: Christian Siegel - Datum: Dienstag, 01 Oktober 2024
 
Halloween-SPECiAL

 
The Substance Marcus Johnson
Originaltitel: The Substance
Produktionsland/jahr: UK/F/USA 2024
Bewertung:
Studio/Verleih: Working Title/The Match Factory/MUBI
Regie: Coralie Fargeat
Produzenten: U.a. Tim Bevan, Eric Fellner & Coralie Fargeat
Drehbuch: Coralie Fargeat
Filmmusik: Raffertie
Kamera: Benjamin Kracun
Schnitt: Jerome Eltabet, Valentin Féron & Coralie Fargeat
Genre: Horror/Thriller
Kinostart Deutschland: 19. September 2024
Kinostart USA: 20. September 2024
Laufzeit: 141 Minuten
Altersfreigabe: FSK ab 16
Trailer: YouTube (Englisch)
Kaufen: Noch nicht verfügbar
Mit: Demi Moore, Margaret Qualley, Dennis Quaid, Hugo Diego Garcia, Alexandra Barton, Oscar Lesage, Joseph Balderrama, Robin Greer, Tiffany Hofstetter, Gore Abrams u.a.


Kurzinhalt: Lange Zeit war Elisabeth Sparkle eine der größten Stars Hollywoods. Mit zunehmendem Alter nehmen jedoch die Aufträge ab, und scheint sie auch im Auge der Öffentlichkeit immer mehr in Vergessenheit zu geraten. Just an ihrem fünfzigsten Geburtstag erfährt sie dann, dass der Fernsehproduzent Harvey ihre tägliche Fitness-Sendung – die letzte Bastion ihres einstigen Erfolgs, die ihr noch geblieben war – einstellen, oder genauer gesagt, an eine jüngere und attraktivere Moderatorin abgeben will. Unmittelbar darauf landet Elisabeth nach einem Autounfall im Krankenhaus, wo ihr der Krankenpfleger eine Karte zusteckt. Über diese erfährt Elisabeth vom "Substance"-Programm, welches ihr eine schönere, jüngere und bessere Version von sich selbst verspricht. Dafür wird mit Hilfe eines revolutionären Mittels, Activator genannt, ein Klon von ihr erschaffen. Doch die Prozedur geht mit einigen strengen Regeln einher; nicht zuletzt, da die beiden Varianten nicht zugleich existieren, und sich zwingend alle sieben Tage abwechseln müssen. Schon bald fühlt sich ihr jüngeres Ich, welches als Sue dabei ist, in Hollywood voll durchzustarten, jedoch an eben diese Regel nicht mehr gebunden – mit verheerenden Konsequenzen für Elisabeth…

Review (kann Spoiler enthalten): Szenenbild. Ich war ja schon von Coralie Fargeat Erstling "Revenge" ziemlich angetan; dieser leistete sich zwar einzelne Blödheiten (wie das spiegelverkehrte Branding), als weibliche Interpretation des bis dahin fast ausschließlich in männlicher Hand befindlichen Rape-Revenge-Thrillers war er aber nicht einfach nur sehr interessant (und definitiv eine Bereicherung des Subgenres), sondern auch höchst unterhaltsam. Allerdings: Abseits der so erhellenden wie verurteilenden Männer-Typen, die sie dort präsentierte, hatte "Revenge" vergleichsweise wenig Aussagekraft. Demgegenüber hat ihr jüngstes Werk – man verzeihe mir das Wortspiel – deutlich mehr Substanz. Fargeat thematisiert hier natürlich in erster Linie den – vor allem in unserer patriarchisch geprägten Gesellschaft – allgegenwärtigen Schönheits- und Jugendwahn. Am Beispiel von Elisabeth Sparkle, die pünktlich zu ihrem fünfzigsten Geburtstag vom Sender gefeuert wird, um sie durch ein jüngeres, knackigeres und attraktiveres Modell (bzw. Model) zu ersetzen, macht Fargeat auch deutlich, dass wir zwar auf der einen Seite natürlich alle bis zu einem gewissen Grad nach Jugend und Schönheit streben, der entsprechende Druck in der Unterhaltungsbranche im Allgemeinen und der vermeintlichen Traumfabrik im Besonderen aber nochmal ungleich größer ist.

Natürlich trifft letztendlich Elisabeth von sich die Entscheidung, sich der Prozedur zu unterziehen – Fargeat stellt jedoch die Frage in den Raum, inwiefern ihr die Gesellschaft um sie herum denn überhaupt eine Wahl gelassen hat. Einer der einprägsamsten – und bedrückendsten – Momente von "The Substance" war für mich jene Szene, wo sich Elisabeth bereit macht, auf ein Date zu gehen, jedoch aufgrund des Schönheitsideals ihrer eigenen jüngeren Version jegliches Selbstwertgefühl verliert, und stattdessen verzweifelt zu Hause am Boden hocken bleibt. Es gibt allerdings auch noch ein paar weitere spannende Themen, die sich hier hineininterpretieren lassen. So lässt sich die Verdoppelungsprozedur nicht nur als Analogie auf Schönheitsoperationen, sondern auch auf die menschliche Fortpflanzung im Allgemeinen lesen. Dann scheint "The Substance" als Warnung zu dienen, bei allem so verständlichen wie lobenswerten Willen, für unsere Kinder da zu sein, sie zu unterstützen, und ihnen das bestmögliche Leben zu ermöglichen, auch nicht auf uns selbst und unsere eigenen Bedürfnisse zu vergessen – und Elternschaft nicht (nur) mit Opferbereitschaft gleich zu setzen. Und im Hinblick darauf, wie Elisabeth zunehmend verfällt, lässt sich "The Substance" auch als Thematisierung davon verstehen, wie sich manche Frauen im Versuch, die eigene Schönheit und Jugend festzuhalten, eher verschandeln (eines der jüngsten, erschreckendsten Beispiele hierfür war für mich Erin Moriarty; Schande über jene Gesellschaft, die ihr eingeredet hat, diese Prozedur nötig zu haben!). Generell gab es ein paar wunderbare Momente, welche allein über die Bilder ungemein viel aussagten; als Beispiel sei gleich der Auftakt mit Elisabeths Stern am Hollywood-Boulevard genannt. Eingebettet sind all diese thematisch spannenden (wenn auch sicher nicht unbedingt revolutionären) Elemente in ein famos getrickstes Body Horror-Konstrukt, welches den Meistern des Fachs – insbesondere natürlich David Cronenberg – Tribut zollt. Es geht eigentlich schon sehr früh los, mit der Verdoppelung an sich, und danach gab es immer wieder Einlagen, die mich zusammenzucken ließen, wobei vor allem dann das letzte Drittel ein paar Momente bot, die mir doch ordentlich eingefahren sind.

Szenenbild. Überhaupt, das letzte Drittel. Ich gebe zu, irgendwann zwischendurch – bei einer von Elisabeths "Zwischenstufen" – dachte ich mir "jetzt übertreibt es Fargeat aber langsam". Dabei war das in Wahrheit noch gar nichts! Und auch wenn ich jeden verstehe, dem es dann irgendwann zu viel wurde, aber: Ich persönlich habe die kompromisslose Art und Weise, in der "The Substance" dann ins grotesk-absurde abgleitet, einfach nur abgefeiert – nicht zuletzt, als ich es beachtlich fand, wie weit Fargeat all dies getrieben hat. Vom Blutbad am Ende ganz zu schweigen. Neben Fargeat, die sich hier sowohl als Drehbuchautorin und vor allem auch Regisseurin hervortut (mit einer ungemein präzisen Inszenierung, beispielsweise in der Art und Weise, wie sie durch die übertriebene Zelebrierung des "male gaze" eben diesen anprangert), erweisen sich aber natürlich auch die schauspielerischen Leistungen als wesentliche Stärke. In den Medien wird hier vor allem Demi Moore immer hervorgehoben, und ja, diese zeigt hier definitiv eine der besten Leistungen ihrer Karriere. Bei allen verdienten Lobs für sie bitte ich aber, nicht auf die nicht minder bestechende Performance von Margaret Qualley zu vergessen. Und auch der Score von Raffertie stach positiv hervor. Vor allem aber: Im Vorfeld war ich ob der Laufzeit von über zwei Stunden doch etwas besorgt. Letztendlich war "The Substance" aber um einiges kurzweiliger und unterhaltsamer als so mancher 90-Minüter.

Fazit: Nach ihrem vielversprechenden Debüt "Revenge" legt Coralie Fargeat mit "The Substance" einen der besten, auffälligsten und nicht zuletzt auch verrücktesten Horrorfilme des Jahres vor. Neben der Geschichte an sich – die sich natürlich in erster Linie kritisch mit dem Schönheits- und Jugendwahn unserer (patriarchalisch geprägten) Gesellschaft auseinandersetzt, sich jedoch letzten Endes durchaus vielseitig interpretieren lässt, was ich enorm spannend fand – sowie den starken schauspielerischen Leistungen von Demi Moore und Margaret Qualley (sowie Dennis Quaid in einer herrlich überdrehten Performance), hatte es mir dabei vor allem auch ihre kompromisslose Umsetzung angetan. Insbesondere im letzten Drittel, wo das Geschehen dann endgültig ins absurd-bizarre abdriftete, macht Fargeat diesbezüglich dann keinerlei Gefangenen. Manche (viele?) mögen spätestens dort dann aussteigen, oder zumindest finden, dass weniger mehr gewesen wäre; ich hingegen habe die Art und Weise, wie sie hier "All In" geht, abgefeiert. Vor allem aber fand ich "The Substance", trotz der überdurchschnittlichen Laufzeit, durchgehend – und im wahrsten Sinne des Wortes wahnsinnig – unterhaltsam!

Wertung: 9 von 10 Punkten
Christian Siegel
(Bilder © 2024 MUBI)


Weiterführende Links:
Halloween-SPECiAL 2024
Review zu "Revenge"





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