Originaltitel: Remembrance Episodennummer: 1x01 Bewertung: Erstausstahlung USA: 23. Januar 2020 (CBS) Erstausstahlung D: 24. Januar 2020 (Amazon Prime) Drehbuch: Akiva Goldsman & James Duff Regie: Hanelle M. Culpepper Hauptdarsteller:
Patrick Stewart als Jean-Luc Picard,
Isa Briones als Dahj Asha,
Alison Pill als Agnes Jurati,
Harry Treadaway als Narek.
Gastdarsteller:
Brent Spiner als Data,
Orla Brady als Laris,
David Carzell als Dahj's Boyfriend,
Merrin Dungey als Richter,
Jamie McShane als Zhaban,
Sumalee Montano als Dahj's Mother,
Maya Eshet als Index,
Douglas Tait als Tellarite u.a.
Kurzinhalt:
Vor zehn Jahren hat sich Admiral Picard – nachdem seine Bemühungen, eine Rettungsflotte zusammenzustellen um Romulus und Remus zu evakuieren, ehe diese von einer Supernova vernichtet wurden, scheiterten – enttäuscht und verbittert aus der Sternenflotte zurückgezogen. Nun wird er einerseits aufgrund des Jubiläums, und andererseits wegen eines Interviews, wieder an diese schicksalhaften Tage erinnert. Tags darauf steht eine junge Frau vor ihm, und bittet ihn um Hilfe. Sie wurde am Vorabend in ihrem Apartment von Unbekannten angegriffen, wobei ihr Freund ums Leben kam. Ihr selbst gelang es jedoch mit bislang ungeahnten Kräften, sie auszuschalten und zu entkommen. Direkt darauf sah sie in einer Art Vision Picards Gesicht – und dieser versichert ihr, alles in seiner Macht stehende zu tun, um sie zu beschützen. Nicht zuletzt, als er schon bald einen Verdacht im Hinblick auf ihre Herkunft hegt…
Denkwürdige Zitate:"Why are you stalling, Captain?" "I don't want the game to end."
(Schon allein dieser eine Austausch zwischen Data und Picard ist besser, als alle Dialoge aus "Discovery" zusammengenommen. Wunderschön!)
"You have no idea what Dunkirk is, right? You're a stranger to history. You're a stranger to war. You just wave your hand and it all goes away. Well, it's not so easy for those who died. And it was not so easy for those who were left behind."
(Starke Worte von Ex-Admiral Picard.)
"I haven't been living. I've been waiting to die."
(Jean-Lucs kritische Selbstreflexion.)
Review (Achtung, enthält Spoiler!):
Trotz meiner wohl bekanntermaßen geringschätzigen Meinung im Hinblick auf "Discovery", sowie der Überschneidung zwischen beider Serien im künstlerischen Team, kam ich nicht umhin, im Hinblick auf "Picard" großes Interesse und auch einiges an Vorfreude zu empfinden. Jean-Luc Picard ist einfach eine derart wundervolle Figur; und generell fand ich die Idee, in die Ära von TNG zurückzukehren, sehr reizvoll (auch wenn dies halt leider unweigerlich bedeutet, dass man die nach "Nemesis" entstandenen Romane kübeln kann, da sich die Autoren der Serie natürlich an die dortigen Geschichten nicht gebunden sehen. Gut, damit hatte ich gerechnet, durchaus überrascht war ich aber, dass "Picard" selbst den Comic "Countdown" ignoriert – insofern, als dieser damals als offizielles Prequel zum Film veröffentlicht wurde, und Alex Kurtzman die Story zu diesem lieferte. Dass er sich somit nicht einmal an sein eigenes Wort gebunden sieht, erfüllt mich im Hinblick auf die Kontinuität mit Sorge; auch wenn zumindest "Gedenken" diesbezüglich mal löblich war). Und vor allem auch die ersten paar Minuten haben, wie im Vorfeld erhofft, einfach nur mein Herz erwärmt. Das Wiedersehen mit der guten alten Enterprise D (noch dazu zu "Blue Skies" – siehe "Nemesis"), wie Data und Jean-Luc in Zehn Vorne Poker spielen, das Wiedersehen mit den beiden, ihr Austausch – da ging es mir echt so wie Picard: "I don't want the game to end." Die Szene allein war schon besser als alles, was man uns bei "Discovery" bislang bescherte. Gänsehaut!
Aber auch nach diesem herrlichen Einstieg versteht es "Gedenken" immer wieder, gekonnt auf den Nostalgie-Nerv zu drücken. So gibt es wenig später noch einen weiteren "Besuch" von Data, wo dieser und Picard sogar ihre alten TNG-Uniformen tragen, in Jean-Lucs Privatarchiv wimmelt es dann nur so vor Memorabilia (für alteingesessene TNG-Fans hat das fast schon was von einem Wimmelbild- bzw. Suchspiel), sein typisches Lieblingsgetränk hat hier natürlich ebenfalls seinen Auftritt (wenn auch mittlerweile entkoffeiniert), und zum Ende hin wird dann mit Bruce Maddox auch noch eine Nebenfigur aus der Serie erwähnt (wo man übrigens – auch das sehr erfreulich – darauf verzichtete, Picard daraufhin eine Tirade über ihn loszulassen, damit auch allfällige neue Zuschauer gleich wissen, wer das sein soll; vielmehr vertraut man darauf, dass jene, welche sich die Serie ansehen, mit der Erwähnung seines Namens etwas anfangen werden können). In einem Punkt gelingt es dabei sogar, einen potentiellen Kritikpunkt aus "Nemesis" nachträglich auszumerzen – denn nicht nur ich war damals wohl enttäuscht, dass man sich mit B-4 für eine allfällige Rückkehr Datas eine Falltür offenhielt. Was einerseits die Bedeutung seines Opfers reduzierte, und zudem halt enorm an Spock erinnerte. Hier jedoch stellt sich heraus, dass B-4 nach wie vor in einer Schublade steckt, da sein positronisches Gehirn halt einfach nicht hoch genug entwickelt ist, um Data auf diese Weise zu ermöglichen, weiterzuleben. Das fand ich sehr schön (wobei ich zugleich nicht ausschließe, dass Data in weiterer Folge nicht doch noch auf die eine oder andere Weise zurückkehren könnte; mit dieser Aussage rund um ein einziges Neuron seines positronischen Gehirns schien man mir eine solche potentielle Entwicklung schon vorzubereiten – wird aus der ersten "Picard"-Staffel also vielleicht ein "Auf der Suche nach Mr. Data"?). Jedenfalls sehe ich in dieser Nostalgie eine der größten Stärken der Episode.
Eine weitere ist zweifellos Patrick Stewart, der schauspielerisch halt jeden aus der "Discovery"-Besetzung gnadenlos an die Wand spielen würde. Man merkt, dass dies nicht einfach nur ein Projekt ist, zu dem er sich aufgrund der Kohle überreden ließ, sondern dass er hier wirklich mit Herzblut bei der Sache war. Sowohl in der schon erwähnten Anfangsszene, als dann auch später – u.a. beim Interview – besticht er mit einer wundervollen Performance. Generell zeigt Jean-Luc Picard bereits in der ersten Episode seines Comebacks gleich wieder, warum er zu recht zu den beliebtesten Figuren aus "Star Trek" zählt. Die Menschlichkeit, das Mitgefühl, und der hohe moralische Kompass, den er sowohl im Interview (als er sich an die damals gescheiterte Rettungsmission erinnert) als dann auch später in der Interaktion mit Dahj (bin ich eigentlich der einzige, der während der Folge dachte, ihr Name wäre "Dash"?) zeigt. Jedenfalls kann ich mir keine bessere und passendere Bezeichnung für die Serie vorstellen als eben einfach nur "Picard" – steht dieser doch zumindest in der ersten Folge mal voll und ganz im Mittelpunkt. Auch dies trägt natürlich zur oben angesprochenen Nostalgie bei – es ist einfach schön, ihn wieder zu sehen, mehr über sein Leben nach "Nemesis" zu erfahren, und generell endlich wieder Zeit mit ihm zu verbringen.
Trotzdem ist "Gedenken" nicht nur in der Vergangenheit gefangen, sondern bietet insgesamt eine so gelungene wie überzeugende Mischung aus Nostalgie und Modernisierung. Letzteres bezieht sich einerseits auf die neuen Figuren – denn bis auf Picard und Data müssen wir vorerst auf ein Wiedersehen mit bekannten Gesichtern verzichten – und andererseits auf die ganze Optik. Im Gegensatz zu "Discovery", welches nicht nur mir optisch zu sehr an J.J.-Trek (oder auch Kelvin-Trek, wie man es heutzutage wohl passender nennt) angelehnt war (was halt gerade auch zu TOS einen starken Bruch darstellte), findet man bei "Picard" eine gelungene Mischung aus alt und neu. Ja, man verpasst TNG optisch eine Frischzellenkur und passt sie an moderne Sehgewohnheiten an. Und zumindest eine Szene gab es – den Kampf am Dach – wo ich mich an die Filme von J.J. Abrams (insbesondere die Szenen auf der Erde aus "Star Trek Into Darkness") erinnert fühlte. Insgesamt ist das aber wesentlich stimmiger, und vor allem auch deutlich heller, als noch bei "Discovery" (wo man teilweise das Gefühl hatte, die hätten vergessen, die Stromrechnung zu bezahlen). Was die neuen Figuren betrifft, hinterlässt hier erstmal nur Dahj richtig Eindruck (letztendlich steht halt doch Jean-Luc sehr deutlich im Mittelpunkt, und bleibt daher für andere nicht mehr viel Platz – auch wenn es zweifellos interessant ist, zu sehen, dass er offenbar zwei romulanische Flüchtlinge angestellt hat); umso bedauerlicher eine ganz bestimmte Entwicklung, aber dazu später noch. Inhaltlich gibt "Gedenken" erstmal noch nicht so viel her, was für eine solche Pilotfolge aber auch logisch ist. Es gilt, aufzuzeigen, wo die Figuren stehen, und der Story quasi die Initialzündung zu geben. Und eben das gelingt "Gedenken" durchaus gut, wobei ich vor allem positiv überrascht war, dass so manche hier aufgeworfene Frage auch gleich beantwortet wurde (wie z.B. rund um Dahjs Herkunft). Als jemand, der es gerade auch bei Serien mit fortlaufender Handlung gewohnt ist, dass solche Offenbarungen ewig herausgezögert werden, war dies sehr erfrischend (zumal die Fans ja ohnehin die letzten Monate schon damit verbracht haben, fleißig zu spekulieren).
Inwiefern das Ganze ein wirklich stimmiges und überzeugendes Ganzes ergibt, wird sich natürlich erst beurteilen lassen, wenn die Staffel abgeschlossen ist (und sowohl aufgrund von Kurtzman als auch Goldsman wird hier bis zur letzten Sekunde der letzten Episode ein Rest-Bauchweh verbleiben). Erste Ansätze, dass es auch schiefgehen könnte, waren jedenfalls – leider – auch durchaus bei "Gedenken" schon vorhanden. So war z.B. alles rund um die Synthetics wieder einmal typisch Kurtzman. Damit meine ich seine an Pippi Langstrumpf erinnerte Tendenz, nach ihrem guten alten "Ich mach mir die Welt, widde widde wie sie mir gefällt"-Motto zu agieren, und halt einfach bestimmte Dinge einzuführen und/oder willkürliche Regeln aufzustellen, die man besser nicht hinterfragen sollte, sondern einfach als gegeben hinnehmen muss. Wie eben z.B. die Geschichte mit den Zwillingen, sprich dass Synthetics immer paarweise daherkommen. Wieso, weshalb, warum? Das bleibt unklar – tatsächlich versucht man sich erst gar nicht an einer Erklärung, sondern erwartet vom Zuschauer, es kommentarlos zu schlucken. Sich selbst ein Ei gelegt hat man sich auch mit der Offenbarung, dass Dahj eine "menschliche Synthetic" sein soll – sprich ein positronisches Gehirn in einem menschlichen Körper. Was dann halt wiederum die Frage aufwirft, wie die zuvor so hoch und weit hüpfen konnte.
Eher unschön sind auch die teils deutlichen Parallelen zu anderen Filmen, die ins Auge stechen. So fühlte ich mich bei "Gedenken" nicht nur optisch (was sich angesichts der dortigen, visionären futuristischen Landschaften ja kaum vermeiden lässt), sondern auch inhaltlich an "Blade Runner" erinnert, mit den Replikanten Synthethics, die sich illegalerweise auf der Erde aufhalten (und teilweise auch nicht wissen, um was es sich bei ihnen handelt), und die von einer Gruppe Blade Runner Romulanern in schwarzen Mänteln aus dem Verkehr gezogen werden. Die Szene, in der Dahj auf einmal aktiviert wird, weckte zudem starke Erinnerungen an "Die Bourne Identität". An diesen Stellen erhielt der Episodentitel "Gedenken" leider eine doch eher ironische, unfreiwillig komische Note. Auffällig ist zudem, dass hier teilweise doch einiges an Info-Dumping betrieben wird. Vor allem beim Interview wird man mit Hintergrundinformationen förmlich erschlagen; und das so sehr, dass ich den Konnex zwischen der Evakuierungsmission im romulanischen System und dem Angriff der Synthetics auf den Mars beim ersten Mal ansehen völlig verpasst hatte. Hier geht man teilweise doch etwas ungeschickt, lieblos und vor allem unelegant vor, und macht sich zudem der TV-Sünde "Tell, don't show" schuldig. Nach wie vor kein großer Fan bin ich zudem von Jeff Russo. Seine Musik hier mag zwar immerhin besser sein als noch bei "Discovery" (vor allem den Einsatz der Flöte in der Titelmelodie – eine Anspielung auf "Das zweite Leben" – fand ich nett), ist mir aber nach wie vor zu unauffällig, und wenig einprägsam. Mein größter Kritikpunkt ist aber der frühe Tod von Dahj. Einerseits, weil es hier gelungen ist, nicht nur Jean-Luc, sondern auch mich in kürzester Zeit eine Bindung zu ihr aufbauen zu lassen (die ich zu Soji eben noch nicht verspüre), und andererseits, als der dadurch erforderliche Zwillings-Twist halt schon ziemlich mau war – und zudem Dahj vorangegangenen Tod als reine Effekthascherei offenbarte. Wollen wir hoffen, dass solche Misstöne bei "Picard" (im Gegensatz zu "Discovery") eher die Ausnahme als die Regel darstellen werden!
Fazit (Spoilerfrei):
Die Auftaktfolge von "Star Trek: Picard" lebt in erster Linie von der Rückkehr von Patrick Stewart, der hier mit einer wirklich starken Performance auftrumpft, sowie der inhärenten Nostalgie, die von "Gedenken" teilweise auch sehr gezielt – und erfolgreich – geschürt wird. Vor allem die Anfangsszene war – sowohl im bildlichen als auch im wortwörtlichen Sinne – einfach nur ein Traum. Aber auch danach gibt es noch einige wundervolle Anspielungen auf die TNG-Serie und -Filme. Sehr interessant war es zweifellos auch, hier zu erfahren, was seit "Nemesis" vorgefallen ist, und zu sehen, wo zumindest Jean-Luc Picard nach all der Zeit steht. Die plötzliche Ankunft von Dasj auf seinem Anwesen gibt ihm dann einen Grund, aus seiner Lethargie auszubrechen, und zu einem neuen, großen Abenteuer aufzubrechen. Dabei stellt er auch bereits in dieser ersten Episode wieder unter Beweis, warum Jean-Luc Picard völlig zu Recht zu den beliebtesten Figuren aus "Star Trek" zählt. Die Anleihen an Filmen wie "Blade Runner" (nicht nur optisch, sondern eben durchaus auch inhaltlich) und "Die Bourne Identität" hätten zwar ruhig etwas weniger offenkundig sein dürfen, das Info-Dumping etwas eleganter und teilweise nicht so geballt erfolgen müssen (zumal man dabei überwiegend mit der guten alten "Show, don't tell"-Regel bricht), vorerst bleiben noch einige Fragen offen und muss sich erst weisen, ob das diesmal auch wirklich ein schlüssiges und stimmiges Ganzes ergeben wird (wobei mich die Tatsache, dass die erste Staffel von Trubel hinter den Kulissen wie dem Austausch eines Showrunners mitten während der Season verschont blieb, diesbezüglich hoffnungsfroh macht), und vor allem eine spätere Entwicklung inklusive End-Twist hätte man sich schenken sollen. Insgesamt war das aber ein durchaus vielversprechender Auftakt, dem der Spagat zwischen dem Alten und dem Neuen sehr gut gelang, und der in 44 Minuten mehr "Star Trek"-Feeling verströmte als "Discovery" in den kompletten bisherigen zwei Staffeln.