Mit: Yalitza Aparicio, Marina de Tavira, Diego Cortina Autrey, Carlos Peralta, Marco Graf, Daniela Demesa, Nancy García García, Verónica García, Andy Cortés, Fernando Grediaga, Jorge Antonio Guerrero u.a.
Kurzinhalt:
Mexico City in den frühen 70ern: Cleo arbeitet als Haus- und Kindermädchen im Anwesen einer vermögenden Familie. Da beide Eltern beruflich tätig sind und vor allem ihr Vater oft verreist ist, ist sie für die Kinder eine wichtige Bezugsperson. Mehr noch, als sich abzeichnet, dass die Ehe zwischen den Eltern zerrüttet ist, und in einer Scheidung münden könnte – was jedoch zugleich Cleos berufliche Zukunft ungewiss macht, da zweifelhaft erscheint, dass sich Sofia ihre Dienste alleine leisten könnte. Doch dies ist längst nicht Cleos einzige Sorge, denn auch, wenn sie viel Lebenszeit für die Familie für die sie arbeitet aufopfert, hat sie nichtsdestotrotz auch noch ein eigenes Leben, und damit auch ihre eigenen Sorgen und Probleme – von denen sich nicht wenige um ihren wankelmütigen Freund drehen. Als ein schwerer Schicksalsschlag für Cleo und die drohende Scheidung fast zeitgleich passieren, sind Cleo und die Familie für die sie arbeitet mehr aufeinander angewiesen, als je zuvor…
Review:
Ich habe mir schon lang mit einer Inhaltsangabe nicht mehr so schwer getan, wie mit jener zu "Roma". Denn erst wenn man sich hinsetzt und beginnt, die Geschichte zusammenzufassen, wird einem eigentlich erst bewusst, dass – abseits bestimmter dramaturgischer Wendungspunkte, die man jedoch in einer solchen Synopsis besser nicht vorwegnimmt – bei "Roma" genau genommen nicht viel passiert. Der Film lebt definitiv mehr von seiner Stimmung, den Figuren, ihrer Dynamik, der Rekonstruktion von Mexico City der 70er Jahre – und natürlich vor allem der auffälligen Inszenierung. Sowohl die mangelnde Handlung, als auch die doch eher ungewöhnliche Art und Weise, wie Alfonso Cuarón diese sehr persönliche Geschichte erzählt, wird sicherlich nicht jedermanns oder -fraus Sache sein. Und tatsächlich sehe ich in der Inhaltsarmut, die zusammen mit der nicht gerade geringen Laufzeit von zwei Stunden und fünfzehn Minuten schon eine gewisse Geduld vom Zuschauer erfordert, so ziemlich den einzigen markanten Kritikpunkt an "Roma", der auch verhinderte, dass ich vom Film ganz so begeistert war, wie das insbesondere viele Kritiker waren.
Völlig an Bord bin ich hingegen wiederum, was die Inszenierung betrifft – so ungewöhnlich die auch war. Und da rede ich nicht einmal vom schwarz/weiß-Bild – wenn dies auch eine interessante Wahl ist, die den Aspekt des Films einer Art Erinnerung des Filmemachers an seine eigene Kindheit noch verstärkt – sondern eher davon, dass den Film über eine sich beständig drehende Kamera dominiert. Eben dies gibt dem Film einen ungewöhnlichen Look, und auch irgendwie eine ganz eigene Identität. Wie gesagt, ich verstehe jeden, der von dem Stilmittel nach zehn Minuten die Nase voll hatte, und es danach entweder noch zwei weitere Stunden notgedrungen ertrug oder den Film auf Netflix abgedreht hat. Mir jedoch hat dies überwiegend gut gefallen. Wie ich generell den Film optisch ungemein imposant fand – wenn auch auf andere Weise als z.B. "Gravity", der ja mit seinen langen Kamerafahrten ohne erkennbaren Schnitt bestach. Hier ist es nicht minder verspielt, aber halt auf eine andere Art und Weise. Vor allem aber waren die schwarz/weiß-Bilder ungemein schön anzusehen – weshalb ich auch sehr froh darüber war, dank der Viennale die Möglichkeit bekommen zu haben, den Film auf der großen Leinwand zu betrachten. Inhaltlich braucht man hingegen wie schon erwähnt zweifellos eine gewisse Geduld. Es gibt im letzten Drittel dann drei wirklich markante, hervorstechende dramaturgische Höhepunkte, die mich dann sowohl zu packen, mitreißen und zu berühren vermochten – doch bis es soweit ist, erleben wir den doch recht unaufgeregten Alltag von Cleo und der Familie, für die sie tätig ist. Entweder man schafft es, sich hier fallen zu lassen, diese Alltagsereignisse über sich hinwegwaschen zu lassen, und in der "Geschichte", den Figuren und der Inszenierung zu versinken – oder man wird sich zu Tode langweilen. Einige mögen sich auch daran stören, dass der Standesunterschied zwischen Cleo und ihren Arbeitgebern eher gezeigt als direkt ausgesprochen wird – ich fand's aber so fast noch effektiver, als wenn man die Figuren direkt darüber hätte reden lassen. Sehr schön fand ich auch die Rekreation des damaligen Mexico City (wobei ich natürlich nicht beurteilen kann, wie akkurat diese ist). Und auch schauspielerisch sticht der Film, der gänzlich ohne bekannten Gesichter auskommt, hervor – wobei mich vor allem Yalitza Aparicio mit ihrer Natürlichkeit beeindruckte. Wie gesagt, völlig begeistert hat mich "Roma" zwar zugegebenermaßen auch nicht – aber vor allem zum Ende hin bot er einige Momente, die mir noch lange in Erinnerung bleiben werden. Schon allein deshalb, sowie der hervorstechenden Inszenierung, bin ich froh, ihn (noch dazu im Kino) gesehen zu haben.
Fazit:
"Roma" mag mich zwar nicht ganz so beeindruckt haben wie andere, oder auch wie so manches frühere Werk von Alfonso Cuarón ("Harry Potter und der Gefangene von Askaban", "Children of Men", und insbesondere natürlich "Gravity"), dennoch finde ich es schön, dass er dank Netflix die Gelegenheit bekam, diese sehr persönliche Geschichte zu erzählen. Ansatzweise autobiographisch, handelt "Roma" vom Aufwachsen einer Familie im titelspendenden Stadtteil Mexikos. Doch statt den Kindern oder ihrer Eltern steht hier vielmehr die Hausmagd im Mittelpunkt. Somit erweist sich "Roma" letztendlich als Liebeserklärung an jene Frau, die maßgeblich dabei geholfen hat, Alfonso Cuarón groß zu ziehen. Die Inszenierung ist dabei – wie man es sich von Cuarón ja auch gar nicht anders erwartet – wieder einmal brillant. "Roma" präsentierte einige der schönsten Bilder des vergangenen Filmjahres – wenn es diesmal auch (trotz des häufigen Einsatzes einer sich drehenden Kamera) nicht ganz so verspielt ist wie bei Cuaróns früheren Filmen. Zugegebenermaßen braucht "Roma" zwar ein bisschen, ehe er Fahrt aufnimmt, und ich kann jeden verstehen, den der Film zwischendurch verlor, zum Ende hin ereignen sich dann aber ein paar hochdramatische, tragische und/oder berührende Ereignisse, welche die gewünschte emotionale Wirkung bei mir nicht verfehlten. Insgesamt ist "Roma" ein sehr persönlicher und eigentlich sehr reduzierter Film, der jedoch trotzdem – oder gerade deshalb? – bei mir große Wirkung entfalten konnte.