Mit: Viggo Mortensen, Mahershala Ali, Linda Cardellini, Sebastian Maniscalco, Dimiter D. Marinov, Mike Hatton u.a.
Kurzinhalt:
Tony "Lip" Vallelonga arbeitet 1962 in New York als Rausschmeißer in einem Club. Als dieser – aufgrund der Unzufriedenheit eines Mafiabosses – wegen Renovierung kurzzeitig geschlossen ist, sucht Lip nach einer Stelle, um die Zeit bis zur Wiedereröffnung zu überbrücken. Zugleich sucht der Pianist Dr. Don Shirley nach einem Chauffeur, der ihn auf seine geplante Tournee durch den Mittleren Westen begleitet. Das prekäre daran: Shirley ist afroamerikanischer Abstammung – und begibt sich somit genau in die rassistische Hochburg der USA. Shirley lädt Tony zu einem Vorstellungsgespräch, und auch wenn sich Lip, getreu seines Spitznamens, auch hier wieder einmal nicht mit Ruhm bekleckert, glaubt er letztendlich doch, dass der New Yorker mit italienischen Wurzeln für diesen prekären Job genau der Richtige ist. Wirklich grün sind sich die beiden zwar anfänglich nicht – dafür sind sie charakterlich zu unterschiedlich, und kommen zudem aus zwei völlig unterschiedlichen Welten – in den Wochen, die sie auf der Straße und in laut dem Grünen Buch für Negro-Reisende für eben solche sicheren Motels verbringen, entwickelt sich zwischen den beiden aber langsam eine innige Freundschaft…
Review:
"Green Book" ist einer jener Filme, die von der Nominierung als "Bester Film" profitiert haben – sonst hätte ich mir den vermutlich erst zu Hause angesehen. Im vorliegenden Fall habe letztendlich aber auch ich davon profitiert – denn obwohl ich mir im Vorfeld jetzt nicht übermäßig viel erwartet habe, sollte sich "Green Book – Eine besondere Freundschaft" als gelungener, unterhaltsamer und trotz aller erschütternde Momente zwischendurch auch überaus herzerwärmender Film herausstellen, den zumindest ich im Vorfeld dem (Co-)Regisseur solcher Brachialkomödien wie "Dumm und dümmer" (sowie der Fortsetzung), "Verrückt nach Mary" und "Alles erlaubt" jetzt nicht unbedingt zugetraut hätte. Hier jedoch schlägt Peter Farrelly deutlich zurückhaltendere Töne an, und drängt die Zoten gegenüber der berührenden Geschichte in den Hintergrund. Was nicht heißen soll, dass es überhaupt nichts zu Lachen gäbe; allerdings ist der Humor halt ein gänzlich anderer, und entsteht in erster Linie aufgrund der interessanten Figurenkonstellation, und der Gegensätze zwischen Tony und Shirley. Mehr noch als mit dem Humor besticht der Film jedoch mit der zunehmenden Freundschaft zwischen den beiden, und den daraus resultierenden berührenden Momenten, die mit zunehmender Laufzeit zahlreicher werden.
"Green Book" wurde zwar sowohl vom Kinopublikum als auch den Kritikern überwiegend wohlwollend aufgenommen, es gibt jedoch auch kritische Stimmen, die dem Film vorwerfen, in die "white savior"-Falle zu tappen, und zudem wieder in die Kategorie jener Filme zu fallen, die sich mit der Rassenthematik und der (in diesem Fall historischen; was nicht heißen soll, dass heute schon alles eitel Wonne wäre) Diskriminierung der afroamerikanischen Bevölkerung in der USA auseinandersetzen, dabei jedoch dessen Opfer marginalisieren. Beides Vorwürfe, die sich zuletzt beispielsweise – und rückwirkend – u.a. "The Help" gefallen lassen musste. Nun ist der Einwand zweifelsohne nicht gänzlich von der Hand zu weisen, zugleich tue ich mir aber auch schwer, dem Film daraus einen Strick zu drehen. Erstens, weil die Situation in den 60ern in den USA – vor allem im Mittleren Westen – nun mal noch so war, dass die schwarze Bevölkerung stark benachteiligt war, und dementsprechend nun mal auch auf die Hilfe wohlwollender Weißer angewiesen war. Zweitens, weil der Film auf realen Begebenheiten beruht (wobei man sich selbstverständlich – das liegt in der Natur der Sache – eine gewisse künstlerische Freiheit genommen hat; wie z.B. ja auch bei "Bohemian Rhapsody", wobei ich im Gegensatz zu diesem im vorliegenden Fall nicht einschätzen kann, wie wahrheitsgetreu die Wiedergabe ist). Und Drittens, weil sich "Green Book" nun mal nicht vordergründig mit Dr. Shirley, seiner Tour, und der Rassendiskriminierung auseinandersetzt, sondern die Geschichte einer besonderen Freundschaft erzählt. Ok, zugegeben, der Film wird überwiegend aus Tonys Sicht dargestellt, und das ist dann auch im Hinblick auf die gerade vorgebrachten Einwände so ziemlich der einzige Kritikpunkt, den ich nachempfinden kann. Andererseits kann man aber halt auch argumentieren, dass die "weiße" Perspektive dazu dient, das entsprechende Publikum ins Boot zu holen, und über die sich entwickelnde Freundschaft, die auf Seiten Tonys (der in einem rassistischen Umfeld lebt) auch zu mehr Toleranz und Verständnis führt, im Idealfall auch auf den potentiell ebenfalls latent rassistischen (weißen) Zuschauer übertragen soll. Ein Ansatz, den ich für legitim – und im vorliegenden Fall auch als durchaus erfolgversprechend – erachte.
Wie man es sich bei derart hochkarätigen Schauspielern ja auch nicht anders erwartet, sind die Leistungen von Viggo Mortensen und Mahershala Ali über jeden Zweifel erhaben. Da stört es auch nicht, wenn der Abspann deutlich macht, dass beide ihren Vorlagen nur bedingt ähnlich sehen, und vor allem selbst der fülligere Mortensen dem echten Tony doch eher schmeichelt. Jedenfalls fand ich ihr Zusammenspiel wirklich perfekt (und nur als Randnotiz: Als alter "Freaks & Feeks"-Hase freue ich mich immer wieder, wenn mir Linda Cardellini über den Weg läuft). Auch dem Drehbuch von Dreigespann Nick Vallelonga, Brian Hayes Currie und Peter Farrelly kann ich – abseits des potentiellen Kritikpunkts, dass Tony der Platzhalter des Zuschauers ist und bleibt – nichts vorwerfen. Die Story hat mich rasch abgeholt, die Freundschaft zwischen Shirley und Tony entwickelte sich glaubwürdig, die Geschichte plätschert zwar übermäßig gemächlich dahin, wird dabei jedoch nie langweilig, und setzt vor allem mit einzelnen, perfekt platzierten dramaturgischen Höhepunkten zwischendurch immer wieder Akzente. Wobei vor allem die starke Szene im Regen (die wohl auch am Sonntag beim Aufruf der Nominierten gezeigt wird) hervorsticht. Und auch das Ende hatte es mir angetan – und ließ mich das Kino mit einem guten und trotz der damals noch hochwinterlichen Temperaturen warmen Gefühl verlassen.
Fazit:
Ich habe mir nicht übermäßig viel erwartet, aber viel bekommen. "Green Book" sollte sich mit zunehmender Laufzeit als die nicht nur unterhaltsame, sondern bewegende Dramatisierung einer außergewöhnlichen Freundschaft herausstellen, die für mich vom Wissen, dass sich die Story zumindest im Grundriss auch tatsächlich so zugetragen hat, noch an Wirkung gewann. Darüber hinaus profitiert der Film in erster Linie von zwei wunderbar aufspielenden und perfekt miteinander harmonierenden Hauptdarstellern, einem sehr gut strukturierten Drehbuch dass genau die richtige Mischung aus ruhigen Momenten und Vorwärtsbewegung findet, sowie einzelnen emotionalen Höhepunkten, die sowohl perfekt platziert als auch von Peter Farrelly kompetent in Szene gesetzt sind. Vor allem aber ist "Green Book" ein ungemein warmherziger Film – und letztendlich sehe ich auch genau darin seine größte Stärke: In düster-unsicheren Zeiten, wo Intoleranz und Fremdenhass eher wieder auf dem Vormarsch zu sein scheinen, und die Errungenschaften der letzten Jahren und Jahrzehnte wieder zunehmend drohen, verloren zu gehen, ein strahlendes Leuchtfeuer der Hoffnung zu sein – und uns zugleich daran zu erinnern, dass das erhoffte und angestrebte bessere Morgen bei jedem von uns beginnt.