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Eindringliches Kriegsdrama von Christopher Nolan Kategorie: Filme - Autor: Christian Siegel - Datum: Freitag, 28 Juli 2017
 
Oscar-SPECiAL

 
Dunkirk
Originaltitel: Dunkirk
Produktionsland/jahr: USA 2017
Bewertung:
Studio/Verleih: Syncopy/Warner Bros.
Regie: Christopher Nolan
Produzenten: U.a. Christopher Nolan & Emma Thomas
Drehbuch: Christopher Nolan
Filmmusik: Hans Zimmer
Kamera: Hoyte Van Hoytema
Schnitt: Lee Smith
Genre: Kriegsdrama
Kinostart Deutschland: 27. Juli 2017
Kinostart USA: 21. Juli 2017
Laufzeit: 106 Minuten
Altersfreigabe: FSK ab 12
Trailer: YouTube
Kaufen: Soundtrack
Mit: Fionn Whitehead, Mark Rylance, Tom Hardy, Tom Glynn-Carney, Barry Keoghan, Aneurin Barnard, Kenneth Branagh, James D'Arcy u.a.


Kurzinhalt: Im Mai 1940 wurden die britischen und französischen Truppen in Frankreich bis ans Ufer des Atlantiks zurückgetrieben. Am Strand von Dünkirchen versammelten sich über 400.000 Soldaten, und harrten – unter ständiger Bombardierung der Deutschen – verzweifelt darauf, es auf eines des Schiffe zu schaffen und nach Hause zu kommen. Der junge Tommy ist einer von ihnen. Währenddessen beschlagnahmte die britische Armee nicht nur einige zivile Bote, sondern ersucht zudem zivile Kapitäne, sich an der Evakuierung zu beteiligen, und nach Dünkrichen zu fahren. Einer, der dem Aufruf folgt, ist Mr. Dawson, der mit seinem Sohn und dessen Freund in ihrem kleinen Kutter in Richtung französische Küste aufbrechen. Und auch der Luftkampf ist für das Überleben der Soldaten entscheidend, da Kampfpiloten wie Farrier alles daransetzen, die deutschen Bomber abzuschießen, ehe diese die Schiffe versenken oder ihre todbringende Fracht direkt über die an Dünkirchens Strand wie Sardinen in einer Dose zusammengepferchte Soldaten abwerfen können. Zu Wasser, an Land und in der Luft, entbrennt ein verzweifelter Kampf ums Überleben…

Review: Szenenbild. Christopher Nolan ist ein ganz großer Verfechter der Kinoerfahrung. Ich mag mit seinen Brandreden über Netflix nicht übereinstimmen, da dieser und andere Streamingdienste wenigstens noch Risiken eingehen, während die großen Hollywoodstudios (mit wenigen Ausnahmen, zu denen Nolan zweifellos zu zählen ist; der Kerl ist mittlerweile das, was in den 90ern James Cameron war: Ein Kritiker- und Publikumsliebling, der scheinbar nichts falsch machen kann, und daher Carte Blanche besitzt) überwiegend nur mehr auf Nummer sicher gehen, und die großen Blockbuster mittlerweile immer mehr nach Schema F ablaufen und teilweise kaum mehr voneinander zu unterscheiden sind. In einer Zeit, wo es im Kino fast nur mehr große, sündteure Blockbuster und kleine Indie-Filme gibt, haben Netflix & Co., die sich neben reinen Indies auch den klassischen (im Kino zunehmend verschwindenden) Mid-Budgets zuwenden, definitiv ihre Daseinsberechtigung. Wo ich mit Nolan aber voll und ganz übereinstimme, ist mit seinem Bestreben, das Kinoerlebnis auch über die kommenden Jahre bis Jahrzehnte zu bewahren, da ich nun mal nach wie vor – trotz des Überangebots, dass einen zu Hause auf der Couch erwartet – gerne ins Kino gehe. Und sein neuester Film, "Dunkirk", zählt zu den eindrucksvollsten Plädoyers für das Kino der jüngeren Zeit.

Im Verlauf seiner Karriere als Regisseur hat sich Christopher Nolan mehr und mehr in Richtung des Erlebniskinos bewegt, dass weniger gesehen als vielmehr erfahren werden will. Mit "Dunkirk" erreicht dieser Trend seinen (vorläufigen?) Höhepunkt. Hier steht nicht die Geschichte im Vordergrund, sondern das Erlebnis, und die Gefühle, die es beim Zuschauer – hoffentlich – auslöst. Ich rate daher allen, die ihn sich ansehen wollen, ins technisch am besten ausgerüstete Kino in eurer Nähe zu pilgern – idealerweise natürlich IMAX mit Immersive Sound-System. Dabei solltet ihr euch allerdings darauf einstellen, dass euch nicht gerade eine gemütliche Kinoerfahrung ins Haus steht. Denn mit "Dunkirk" schickt sich an, das Grauen und den Terror des Krieges für die Zuschauer erleb- und nachfühlbar zu machen. Ein wesentlicher Aspekt davon ist der absolut brutale Soundmix. Bombeneinschläge dröhnen, laute Pistolenschüsse fetzen einem um die Ohren, über einem fliegen Bomber… mit der kompromisslos-aggressiven Tonmischung macht Christopher Nolan – zusammen mit Hans Zimmers peitschend-intensivem Score (der zwar von den Bildern losgelöst nicht gerade ein Hörgenoss sein mag, den Film jedoch perfekt unterstützt und zum beabsichtigen akustischen Terror beiträgt) – den Krieg zu einer instinktiv empfindbaren, erschütternden Erfahrung. Diese mag alles andere als angenehm sein, und ich verstehe jeden, dem es mit der Zeit zu viel wurde. Auch mir dröhnten mit der Zeit angesichts der lauten Geräusche die Ohren. Ich würde allerdings argumentieren, dass Kriegsfilme genau das sein sollten: Erschütternd, abschreckend, terrorisierend. Im Gegensatz zu einigen Vorgängern (wie Spielbergs "Der Soldat James Ryan") erreicht Nolan dieses Ziel eben nicht nur brutale Bilder, sondern vielmehr den Ton und die Musik, und die eindringlich-grauenerregende Atmosphäre, die beide zusammenergeben.

Szenenbild. Die Handlung mag vergleichsweise eine untergeordnete Rolle spielen, dennoch sticht diese was ihren Aufbau betrifft hervor. Seit Anbeginn seiner Karriere ist Nolan von Zeit fasziniert, und spielt ihrem Konzept. In "Memento" wird die Geschichte rückwärts erzählt. In "Inception" laufen die verschiedenen Traumebenen in unterschiedlicher Geschwindigkeit ab. Und in "Interstellar" sorgt die Zeitdilatation eines Schwarzen Lochs dafür, dass ein Vater zu seiner deutlich älteren Tochter zurückkehrt. Bei "Dunkirk" decken nun die drei Handlungsstränge unterschiedliche Zeiträume ab. Die Geschichte des Soldaten Tommy am Strand umfasst insgesamt eine Woche. Alles rund um Mr. Dawson, der mit seinem Boot nach Dünkirchen aufbricht, spielt sich im Lauf eines Tages ab. Und die Ereignisse rund um den Fliegerpiloten Farrier tragen sich in einer einzigen Stunde zu. Wie sich die drei Handlungsstränge im Verlauf des Films überschneiden – und letztendlich auch zusammenlaufen – ist vom Aufbau her absolut meisterlich.

"Dunkirk" präsentiert zahlreiche ungemein packende Momente, die einen das Grauen und den Terror, den die Soldaten verspürten während sie auf Rettung warteten, auf erschreckend intensive Art und Weise vermitteln. Am mitreißendsten waren aber wohl die Luftkampf-Szenen. Diese laufen erstaunlich realistisch ab, und nicht in jener überhöhten Manier, die man vielleicht noch aus Popcorn-Klassikern wie "Top Gun" gewohnt ist. Wohl aber genau deshalb fand ich gerade auch diese Szenen ungemein spannend – zudem waren sie auch mit die spektakulärsten Momente des Films. Womit wir schon bei einer weiteren wesentlichen Stärke angelangt wären: Die von Kameramann Hoyte Van Hoytema eingefangenen, rein naturbelichteten Bilder, die maßgeblich zur Authentizität des Films beitragen. "Dunkirk" wurde dabei überwiegend mit IMAX-Kameras gedreht, weshalb auch nur in IMAX-Kinos das volle – nach oben und unten geöffnete – Bild gezeigt werden kann; auf anderen Leinwänden ist dieses unweigerlich oben und unten beschnitten. Die zwischendurch immer wieder auftretenden Wechsel des Seitenverhältnisses (da einige Szenen auch in "normalem" 65mm gedreht wurden) haben zumindest mich nicht gestört. Jedenfalls waren die von Hoytema eingefangenen Bilder einfach nur wunderschön, wobei einzelne Einstellungen auch einen erstaunlichen Retro-Charme verströmten, und man da kurz glauben könnte, der Film wäre bereits damals – oder zumindest vor einigen Jahrzehnten – gedreht worden. Die Schauspieler stechen bei "Dunkirk" weniger hervor, als dies bei anderen Filmen – und auch einigen von Nolans früheren Werken – der Fall sein mag. Sie sind hier eher Mittel zum Zweck; was jedoch ihre Leistung(en) nicht schmälern soll, wobei insbesondere Cilian Murphys traumatisierter Soldat im Gedächtnis bleibt. Die wahren Stärken von "Dunkirk" liegen aber nun mal im interessanten Handlungsaufbau, und vor allem seiner technisch-inszenatorischen Brillanz.

Fazit: Szenenbild. "Dunkirk" ist Erlebniskino vom Feinsten. Dank einer großartigen Inszenierung, den wunderbaren naturbelichteten Bildern, einer weiteren Meisterleistung von Hans Zimmer sowie dem ungemein brutalen Soundmix macht Christopher Nolan den Krieg zu einer erschütternden Erfahrung, die einen dafür danken lässt, dass man diese nur in der sicheren Umgebung eines Kinos und für lediglich 105 Minuten ertragen muss. Wo andere Filme ihre "Krieg ist die Hölle"-Message über grauenerregende, brutale Bilder erreichen, ist sie bei "Dunkirk" durch den furchterregenden, terrorisierenden Ton sowie die peitschend-unangenehme Musik wesentlich instinktiver. Zudem spielt er wieder einmal mit der Zeit, und verbindet die drei Handlungsebenen auf meisterliche Art und Weise miteinander. Dabei sollte man sich jedoch darauf einstellen, dass "Dunkirk" narrativ kein Neuland betritt, und hier generell eher die Atmosphäre, die Stimmung und eben das Erlebnis im Mittelpunkt steht, statt der Geschichte. Wer sich darauf einlassen kann, den erwartet eine zwar zweifellos anstrengende, aber dennoch absolut lohnenswerte Kinoerfahrung, die idealerweise im technisch bestmöglich ausgestatteten Saal (ich rate zu IMAX mit Immersive Sound) gesehen – nein, erlebt – werden sollte.

Wertung:10 von 10 Punkten
Christian Siegel
(Bilder © 2017 Warner Bros.)


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