Kurzinhalt:
Norwegen, 1363. Vor 10 Jahren hat die Pest große Teile der Bevölkerung dahingerafft. Eine Familie streift auf der Suche nach weiteren Überlebenden durchs Land – und wird von einer Räuberbande unter dem Kommando von Dagmar angegriffen. Die 19-jährige Tochter Signe wird in deren Lager verschleppt und an einen Baum gefesselt. Bereits am darauffolgenden Morgen erwartet sie ein wenig erfreuliches Schicksal. Doch Dagmars Ziehtochter Frigg hilft Signe im Morgengrauen dabei, zu entkommen. Die beiden jungen Mädchen wagen gemeinsam die Flucht – doch als Dagmar ihr Verschwinden bemerkt, nimmt sie zusammen mit ihrer Bande unerbittlich die Verfolgung auf…
Review:
"Escape" hat beim diesjährigen /slash Filmfestival doch tatsächlich Weltpremiere gefeiert! Und ich fühlte mich durchaus geehrt und privilegiert, zu einem der ersten rund 250 Leute zu gehören, die diesen Film zu Gesicht bekamen – handelt es sich bei ihm doch um einen höchst gelungenen Survival-Thriller, der gerade auch für Fans des Genre einen absoluten Pflichttermin darstellen sollte (weshalb ich ja hoffe, dass die Kinoauswertung hierzulande nicht gar so lange auf sich warten lassen wird). Dabei sind es vor allem zwei Aspekte, die ihm helfen, sich von früheren Vertretern des Genres abzugrenzen. Einerseits die ungemein beeindruckende und wunderschöne Landschaft Norwegens, die zudem von Regisseur Roar Uthaug und seinem Kameramann John Christian Rosenlund phantastisch eingefangen wird. Andererseits ist dies das durchaus originelle Setting des Films. Denn während viele Vertreter es Genres in der Gegenwart und manche in einer dystopischen Zukunft spielen, sind entsprechende Filme, die in der Vergangenheit angesiedelt sind, doch eher rar gesät. Allein dieser kluge Einfall, sowie die imposanten Landschaftsaufnahmen, machen "Escape" zu etwas Besonderem.
Doch er hat noch viel mehr zu bieten. Auch abseits der Landschaftsaufnahmen weiß die Inszenierung von Roar Uthaug zu gefallen. So werden Schlüsselstellen durch den gezielten, überlegten Einsatz von Zeitlupen perfekt akzentuiert und zelebriert. Darüber hinaus ist seine Inszenierung durchaus stimmungsvoll, und dreht immer wieder an der Spannungsschraube. Den imposanten Bildern und der eleganten Inszenierung gesellt sich dann noch ein wunderschöner Soundtrack hinzu, und macht damit den audiovisuellen Genuss perfekt. Die Filmmusik von Magnus Beite mag zwar stellenweise an "Der Herr der Ringe" erinnern (und in en actionreicheren Passagen ein wenig an die Jason Bourne-Filme) – dies ist ihm aber nicht wirklich vorzuwerfen, und liegt vielmehr daran, dass Howard Shore viele nordische Einflüsse in seine Kompositionen einfließen ließ. Ich fand seine Musik einfach nur grandios, und hoffe auf eine baldige CD-Veröffentlichung. Die letzte wesentliche Stärke des Films sind dann die fantastischen schauspielerischen Leistungen, allen voran vom Hauptdarstellerinnen-Trio. Ingrid Bolsø Berdal hat ja bereits in Uthaugs Regiedebüt "Cold Prey" (sowie dessen Fortsetzung) die Hauptrolle gespielt, darf sich diesmal jedoch als Bösewichtin versuchen – und vermag von der ersten bis zur letzten Minuten zu überzeugen. Besonders gut gefällt mir auch, wie vielschichtig ihre Rolle angelegt ist, und dass sie gegenüber ihrer Ziehtochter Frigg durchaus auch zärtliche, fürsorgliche Charakterzüge zeigen darf. Eben diese wird von Milla Olin – vor allem auch angesichts ihres jungen Alters – sehr beeindruckend und ungemein natürlich dargestellt. Und dennoch… letztendlich würde ich sagen, dass "Escape" alles in allem Isabel Christine Andreasen gehört, die eine sehr intensive Rolle spielt, dabei immer glaubwürdig bleibt… und das in ihrem Schauspieldebüt! Eine absolut bestechende und beeindruckende Leistung.
Wenn es etwas gibt, das man an "Escape" kritisieren könnte, dann ist es das Drehbuch, welches nicht unbedingt vor originellen Ideen überschäumt. Zugegeben, es gab eine interessante Offenbarung rund um die Vorgeschichte von Dagmar, und auch der Schwenk, den die Handlung am Ende vollzieht, empfand ich als sehr nett. Eigentlich dachte ich an einer bestimmten Stelle des Films, jetzt wird abgeblendet und auf die Fortsetzung vertröstet. Stattdessen ging es gleich weiter. Manchem wird das was danach kommt etwas zu unplausibel sein, und ich gebe zu, man sollte nicht zu viel darüber nachdenken. Aber für mich war es so wie mit dem explodierenden Hai in "Der Weiße Hai": Ich war zu diesem Zeitpunkt so im Geschehen gefangen, dass ich diese Wendung bejubelt habe, und gar keine Zeit hatte, über ihre Logik und Glaubwürdigkeit nachzudenken. Von diesen positiven Aspekten abgesehen ist die Geschichte aber nichts Besonderes, und in den Grundzügen bereits aus zahlreichen anderen Vertretern des Genres bekannt. Vor allem eine Begegnung nach rund der Hälfte des Films verläuft ungemein klischeehaft und damit vorhersehbar. Inhaltliche Innovationen oder gar Wunder darf man sich von ihm jedenfalls nicht erwarten. Wen dies nicht stört, den sollte "Escape" aber glänzend unterhalten…
Fazit:
"Escape" ist ein sehr spannender Survival-Thriller aus Norwegen, der mit einer stimmungsvollen Inszenierung, wunderschönen Bildern und imposanten Landschaftsaufnahmen, überdurchschnittlichen schauspielerischen Leistungen, sowie einem wundervollen Soundtrack besticht. Inhaltlich beschreitet er jedoch – bis auf das interessante Setting – keine neuen Pfade, und ist bis auf wenige Offenbarungen und/oder Entwicklungen für Genre-Kenner daher doch recht vorhersehbar. Generell erzählt "Escape" eine sehr geradlinige, schnörkellose Geschichte, ohne viel Fett drumherum – was auch die kurze Laufzeit von unter 90 Minuten erklärt. Wer jedoch nichts dagegen hat, eine bekannte Geschichte zu erleben, so lange sie auf derart wunderschöne Art und Weise erzählt wird, der sollte mit "Escape" viel Freude haben!