Mit: Jeremy Irvine, Peter Mullan, Emily Watson, Niels Arestrup, David Thewlis, Tom Hiddleston, Benedict Cumberbatch, Celine Buckens, David Kross u.a.
Kurzinhalt:
Kurz vor dem ersten Weltkrieg kauft Ted, ein Farmer in Dartmoor, sehr zum Missfallen seiner Frau auf einer Auktion ein Pferd, dass für den Einsatz auf einer Farm kaum zu gebrauchen ist. Umso begeisterter ist jedoch sein Sohn Albert, der bereits bei der Geburt des Pferdes auf einer benachbarten Farm anwesend war, und der sehr schnell ein Band zu "Joey", wie er ihn nennt, knüpft. Tatsächlich erweisen sich die beiden als unschlagbares Team, als ihnen das unmögliche gelingt und man gemeinsam ein Feld umpflügt. Leider vernichtet ein Unwetter kurz darauf die Ernte, und Ted sieht keine andere Chance, als Joey an die britische Armee zu verkaufen. Albert würde seinem Ross am liebsten gleich in den Krieg folgen, ist jedoch noch zu jung, um sich einschreiben zu lassen – und so trennen sich ihre Wege. Nach einer fehlgeschlagenen Offensive der Briten wird Joey schließlich von den Deutschen gefangen genommen, wo er als Pferd für die Sanitäter eingesetzt wird. In den kommenden Monaten und Jahren wird er noch einige Male den Besitzer wechseln, ehe er im Niemandsland zwischen den Fronten gefangen wird. Und auch Albert schließt sich letztendlich dem Kampf an, in der Hoffnung, im Wahnsinn des ersten Weltkriegs auf Joey zu stoßen, und in weiterer Folge mit ihm gemeinsam die Heimreise antreten zu können…
Review:
Lasst uns zu Beginn gleich zwei Dinge klarstellen. 1.) Wer eine besonders niedrige Kitsch-Toleranzgrenze hat, dem dürfte "Gefährten" sauer aufstoßen. Gleiches gilt für selbsternannte Machos bzw. junge Männer in der Pubertät, die ihren Ruf darin geschädigt sehen, Gefühle zu zeigen, bzw. den weichen Kern hinter ihrer rauen Schale zu enthüllen. Zählt ihr zu dieser Gruppe, ist dieser Film – zumindest vorerst – nichts für euch. 2.) Allen, denen es bisher nicht bekannt gewesen sein sollte, bzw. jenen, die sich ein zweites, brutal-schonungsloses "Saving Private Ryan", nur halt im ersten Weltkrieg, erwarten, sei gesagt, dass "Gefährten" auf einem in erster Linie für Kinder und Jugendliche gedachten und geschriebenen Roman, sowie dem daraus resultierenden Familien-Theaterstück, basiert, und Steven Spielberg diesem Ursprung und den damit einhergehenden tonalen Implikationen – und Beschränkungen – treu bleibt. "Gefährten" ist zwar sicherlich nicht Kinderkram und verfügt über einige harte und teils auch sehr emotionale Szenen – aber er ist längst nicht so brutal wie Steven Spielbergs Epos zum 2. Weltkrieg.
Mit diesen wichtigen Warnhinweisen im Hinterkopf sei festgehalten, dass ich "Gefährten" für Spielbergs besten Film seit "München" halte. "War Horse", so der Originaltitel, bietet ganz großes, angenehm altmodisches, imposant in Szene gesetztes und mit zahlreichen grandios-eindrucksvollen Bildern geschmücktes Gefühlskino der Marke "larger than life" – und bewegt sich damit in bester Hollywood-Tradition, bzw. führt diese fort. Im Zentrum steht dabei einerseits die außergewöhnliche Freundschaft zwischen Albert und Joey – die man auch als nicht Pferde-Liebhaber durchaus nachvollziehen können sollte, zumindest wenn man irgendeine Art von Tier besonders schätzt, und vielleicht sogar selbst über eine starke Verbindung zu einem (Haus-)Tier verfügt. Andererseits vermittelt Spielberg hier eine gerade auch für Heranwachsende ganz wichtige Message (angesichts unserer Gott sei Dank weitestgehend friedlicher Zeiten), die sich teilweise auch von seinen bisherigen Filmen, die sich mit kriegerischen Auseinandersetzungen befasst haben, unterscheidet. Nämlich: Der Krieg ist grausam – die darin kämpfenden Menschen hingegen (überwiegend) nicht. Spielberg zeigt von und auf beiden Seiten ein sehr differenziertes Bild, und verteufelt den Konflikt, nicht jedoch jene, die ihn ausgefochten haben. In keinem Moment wird dies so deutlich wie in der wohl besten Szene des Films, als sich ein britischer und ein deutscher Soldat mitten im Schlachtfeld – genauer gesagt dem "Niemandsland" zwischen den beiden Gräben – treffen, um dem im Stacheldraht gefangenen Joey zu helfen. Es ist ein Moment der Menschlichkeit in einem unmenschlichen Konflikt, der ein deutliches Bild von Männern zeichnet, die in einem anderen Leben hätten Freunde werden können, doch hier aufgrund der gegensätzlichen Interessen ihres Landes dazu gezwungen werden, sich zu bekämpfen und zu töten.
Zugegeben, bis es soweit ist, dauert es eine Weile – die besagte Szene findet sich in etwa der Mitte des letzten Drittels des Films. Wenn es einen echten Kritikpunkt gibt, den ich gegenüber "Gefährten" vorzubringen habe, so ist dies wohl der noch sehr gemächlich verlaufende Einstieg. Es ist zwar richtig, dass dies notwendig war, um die starke Bindung zwischen Joey und Albert zu zeigen. Und es gibt selbst in diesem ersten Drittel, auch wenn es insgesamt das Schwächste des Films sein mag, einige starke Momente und wichtige Szenen, wie z.B. als Mensch und Tier zusammen ein kleines Wunder bewirken, und ihr eiserner Wille das scheinbar unmögliche möglich macht – ein triumphaler Moment, der den späteren Verlust der Ernte nur umso bedauerlicher und tragischer werden lässt. Dennoch glaube ich, dass Spielberg im ersten Drittel einiges hätte kürzen können, ohne im weiteren Verlauf der Handlung an emotionaler Wirkung einzubüßen. So richtig in Fahrt kommt "Gefährten" nämlich erst, als Joey an die britische Armee verkauft wird und – das Versprechen des englischen Originaltitels einlösend – zum Kriegspferd wird.
Die nachfolgende Handlung gestaltet sich sehr episodenhaft. Wir lernen Figuren kennen, und trennen uns oftmals nach recht kurzer Zeit wieder von ihnen. Da jedoch selbst diese kurzen Begegnungen über eine Art Handlungsrahmen verfügen, und fast immer einen Abschluss für die Figuren bieten, hat es mich nicht gestört. Der erste Teil beschäftigt sich mit Joeys erstem Kriegseinsatz. Als die Briten in die Schlacht ziehen, davon ausgehend einen Sieg zu erinnern, lässt Spielberg zum einzigen Mal so etwas wie ein heroisches Gefühl in Bezug auf den Krieg aufkommen. Es hat durchaus etwas erhebendes, zu sehen, wie diese Mannen in die Schlacht reiten – ein Eindruck, der jedoch sogleich Lügen gestraft wird, als die Gegenwehr der deutschen Truppen deutlich stärker ausfällt als erwartet, und der erhoffte Triumphzug in einem Debakel endet. Ohne zu viel verraten zu wollen, drehen sich die weiteren Episoden u.a. um zwei junge deutsche Deserteure, eine französische Familie (Großvater und Enkeltochter) am Rande des Krieges, sowie die für den ersten Weltkrieg so typischen Grabenkämpfe. Ein Sturm auf die gegnerischen Stellungen setzt Spielberg dabei besonders gelungen – nämlich auch abseits expliziter Gewalt ungemein erschreckend und beängstigend – in Szene. Sicherlich – gemeinsam mit dem angesprochenen Aufeinandertreffen der feindlichen Soldaten inmitten des Schlachtfelds, um Joey zu helfen – der dramaturgische Höhepunkt des Films, und jene Szene, die mit am längsten in Erinnerung bleibt und nachhallt. Über das eigentliche Ende will ich nicht zu viel verraten, aber so viel sei gesagt: "Gefährten" endet im Prinzip genau so, wie ich es erwartet hatte, und auch wenn es einigen nicht gefallen dürfte, aber… die letzte Szene mit dem Sonnenuntergang, so typisch es für diese Art von Film auch gewesen sein mag, war absolut phantastisch und ungemein imposant in Szene gesetzt, und sorgte nicht nur für einen optisch ungemein überzeugenden, sondern auch durchaus emotionalen Schlusspunkt.
Steven Spielberg ist mittlerweile an einem Punkt in seiner Karriere angelangt, wo er für jede Rolle wohl jede/n Schauspieler/in bekommen kann, die er haben will. Und trotzdem hat er sich bei "Gefährten" ganz bewusst dazu entschieden, auf überwiegend weniger bis nahezu unbekannte Gesichter zu setzen. Über den größten Wiedererkennungswert verfügen dabei wohl noch Emily Watson und David Thewlis, aber auch Benedict Cumberbatch (aus "Sherlock"), Tom Hiddleston (zuletzt als Loki in "Thor" zu sehen) und natürlich David Kross (u.a. "Der Vorleser") werden dem einen oder anderen hierzulande bekannt sein. Darüber hinaus finden sich aber überwiegend unverbrauchte Gesichter im Ensemble. Doch ganz egal ob nun bekannt oder unbekannt, die schauspielerischen Leistungen sind makellos. Besonders hervorgehoben werden muss auch die Arbeit von "Joey", bzw. seines Tiertrainers, und bis zu einem gewissen Grad auch Kameramann und Regisseur, denen es in Gemeinschaftsarbeit gelingt, diesem Pferd tatsächlich so etwas wie eine schauspielerische Leistung zu entlocken.
Besonders gelobt werden muss jedoch auch die Arbeit der Effekt-Zauberer, die an "Gefährten" mitgewirkt haben. Denn die Spezialeffekte sind, genau so wie es sein soll, nicht als solche erkennbar. Auf intellektueller Ebene ist einem bewusst, dass einige der hier gezeigten Szenen nicht mit einem echten Pferd gedreht worden sein können. In einigen wird man wohl auf ein mechanisches Pferd zurückgegriffen haben, in anderen sogar auf CGI – doch was auch immer sich an Effekten in "Gefährten" verstecken mag, man bemerkt sie nicht. Hier wurde wirklich grandiose Arbeit geleistet. Etwas, dass auch betreffend Spielbergs Inszenierung festgehalten werden kann, der hier wieder einmal eindrucksvoll unter Beweis stellt, warum er zu den größten Regisseuren unserer Zeit, bzw. genau genommen aller Zeiten, zu zählen ist. Überraschend ist dabei, trotz aller düsterer Szenen und einiger durchaus tragischer Momente, dass auch immer wieder leiser, sanfter Humor durchklingt – vor allem zu Beginn – und das Geschehen auflockert. Generell trifft er bei "Gefährten" wieder einmal genau den richtigen Ton, und findet die perfekte Balance aus verschiedensten Stimmungen. Einige mögen ihm Manipulation vorwerfen – aber… gehen wir denn nicht ins Kino, um etwas zu fühlen? Wollen wir denn nicht manipuliert werden? Wenn uns ein Regisseur einen – gelungenen – Gag präsentiert, und wir lachen, beschweren wir uns ja auch nicht darüber, manipuliert worden zu sein, oder? Genauso wenig bei einer spannenden Szene. Wieso ist dies also auf einmal bei emotionalen Szenen etwas anderes, und wird die Pathos-Keule geschwungen? Ja, "Gefährten" ist teilweise Kitsch in Reinkultur, und verfügt über eine ordentliche Dosis Schmalz und Zucker. Dafür aber nimmt uns Steven Spielberg an der Hand und mit auf eine phantastische emotionale Reise. Meinem Dafürhalten nach ist es das allemal wert.
Unterstützung erhält er dabei vor allem von zwei ganz wichtigen Kollaborateuren. Einer davon ist sein langjähriger Kameramann Janusz Kaminski. Sonst oftmals für eher kalte, düstere Bilder bekannt, schmückt er "Gefährten" an einigen Stellen mit überraschend – aber der hier erzählten Geschichte sowie dem an altmodische Hollywood-Epen erinnernde Inszenierung absolut passenden – satten Farben und wunderschönen Einstellungen, welche oft im krassen Widerspruch zum ebenfalls gezeigten Grauen des Krieges stehen. Der letzte wichtige Stein im Mosaik ist dann schließlich John Williams. Mit seiner wundervollen Filmmusik zu "Gefährten", die durchaus abwechslungsreich gestaltet ist, und bei der vor allem das wunderschöne, mit Flöte vorgetragene Hauptthema begeistern kann und in Erinnerung bleibt, und präsentiert einen der schönsten und elegantesten Scores seiner Karriere. Mit seiner Komposition fängt er auf perfekte Art und Weise genau jene Magie ein, die Spielberg und Kaminski auch auf der Leinwand verströmen lassen, und macht damit das moderne Kino-Märchen (fast) perfekt.
Fazit:
In unserer heutigen, sehr zynischen Welt, mag ein solches magisch-schwülstiges Kinomärchen wie "Gefährten" nicht mehr zeitgemäß wirken – genau dies machte Steven Spielbergs jüngsten Film für mich aber so erfrischend, bewegend, und auch empfehlenswert. Wer es schafft, sich auf diese rührende Geschichte und den warmherzigen, teils kitschigen Ton des Films einzulassen, auf den wartet ganz großes, episches Gefühlskino in bester "größer als das Leben"-Hollywood-Tradition. Steven Spielberg, sowie seine beiden langjährigen Kollaborateure Janusz Kaminski und John Williams, zeigen sich bei "Gefährten" in absoluter Höchstform, und schmücken die Erzählung mit zahlreichen beeindruckenden Bildern sowie einer wunderschönen Musik. Die – größtenteils eher unbekannten – Schauspieler stellen sich in den Dienst der Handlung, und überlassen dem tierischen Hauptdarsteller selbstlos die – cineastische – Bühne. Ein besonderes Kompliment muss zudem sowohl den Tiertrainern gemacht werden, als auch den Effektzauberern, welche Joey in den gefährlicheren Szenen "doubeln", ohne dass dies jemals auffallen würde. Einzig der etwas zu gemächliche Einstieg, wo sich mit einer strafferen Laufzeit meines Erachtens genau das gleiche Ergebnis – und genau das gleiche Maß an emotionaler Verbundenheit mit dem Geschehen – hätte bewirken lassen, trübt den positiven Gesamteindruck ein wenig. Angesichts der zahlreichen grandiosen Szenen, die darauf folgen, ist dies jedoch aus meiner Sicht durchaus zu verschmerzen.