Willkommen in Siegheilkirchen |
Review zum semi-autobiographischen "Deix"-Film
Kategorie:
Filme -
Autor: Björn Flügel - Datum:
Dienstag, 05 Juli 2022 |
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Kurzinhalt: In den 1960ern wächst in Siegheilkirchen, einem Dorf in der tiefsten österreichischen Provinz, der Rotzbub auf. Er ist im Zeichnen ein außerordentliches Talent und verdient sich mit erotischen Zeichnungen, die seine Mitschüler unter die Leute bringen, ein Taschengeld dazu. So träumt er auch davon, Künstler zu werden, anstatt das Wirtshaus seiner Eltern zu übernehmen oder Buchhalter zu werden. Als eine Gruppe reisender Roma, sogenannte "Zigeuner", das Dorf besucht, verliebt er sich in die schöne Mariolina. Allerdings planen einige braun gesinnte Dörfler einen Anschlag auf das Lager der Roma. Während der Rotzbub das zu verhindern versucht, steht im Dorf die Enthüllung des neuen Wandgemäldes am Rathaus an… Review: ![]() In Siegheilkirchen geht es allerdings noch weitaus derber und gnadenloser zu: Die prallbusige Nachbarin erhält nachts Herrenbesuch, Knaben masturbieren auf dem Schulklo, das Verhältnis des Pfarrers zu seinen Schülern lässt zumindest Raum für Spekulationen, die übriggebliebenen Anhänger brauner politischer Ideologie planen ein Attentat auf die reisenden Roma. Bereits anhand dieser Beispiele wird deutlich, dass es dem Film nicht nur darum geht, Lacher zu provozieren, sondern durchaus auch brisante Erscheinungen in der Gesellschaft darzustellen. Jedoch hat der Film auffällige Probleme damit, mit diesen (guten) Zutaten sein Gleichgewicht zu finden und relevant zu bleiben, denn zu oft geht es darum, einfach nur die schrulligen Eigenheiten der Dorfbewohner zu entlarven und zur Schau zu stellen. So wird viel Potenzial verschenkt, denn Deix steht nicht für platte Zoten, sondern für bissige und provokante Satire. Unter dem Strich hätten mehr Substanz und mehr Konsequenz dem Film genutzt, um den Deix'schen Werken gerecht zu werden. "Willkommen in Siegheilkirchen" ist ebenso eine Coming-of-Age-Geschichte basierend auf der Biographie Manfred Deix'. Der Rotzbub begehrt gegen das Kleinbürgertum auf, verliebt sich in das schöne Roma-Mädchen Mariolina, trinkt lieber in der mondänen Bar des kiffenden Poldi Bier anstatt im elterlichen Wirtshaus zu helfen und träumt davon, Künstler zu werden anstatt Buchhalter. Mit ihm setzt der gesellschaftliche Wandel in dieser Idylle der österreichischen Provinz verspätet, aber immerhin doch noch ein. Dieser Themenkomplex liefert einige rührselige Momente, beispielsweise das - zugegebenermaßen nicht unerwartete - Happy End mit Mariolina, aber auch die Emanzipation des bis dahin unterwürfigen Vaters, der auf dem Höhepunkt des Geschehens mit geballter Faust seinen Sohn verteidigt. Der Weg dorthin ist jedoch mühsam, da die Handlung oftmals den Fokus verliert und ohnehin nur spärlich ausgestaltet ist. ![]() Fazit: Leider ist der Film nicht ganz die schonungslose Abrechnung mit dem kleingeistigen Spießbürgertum in der hinterweltlichen Provinz in den 1960ern, die er hätte sein können. Zu oft weicht die Satire platten Zoten bis hin zu Fäkalhumor, womit er sich recht weit von der Essenz des Deix'schen Werkes entfernt. Die Handlung ist relativ simpel gestrickt und hätte gern weiter ausgeschmückt werden können, denn so schleicht sich manche Länge ein, weil schlicht und ergreifend nichts passiert. Nichtsdestotrotz macht "Willkommen in Siegheilkirchen" Spaß, denn die auftretenden Figuren sind ulkig gestaltet und könnten direkt den Originalkarikaturen von Manfred Deix entsprungen sein. Gespickt mit verrückten Details und einigen gelungenen Pointen sorgt der Film für einige gute Lacher. Man möge sich auch nicht von der "Sprachbarriere" abschrecken lassen, denn das österreichische Deutsch ist an dieser Stelle einfach urig, gemeinhin verständlich und doch auch nett anzuhören, oder? Wertung:7 von 10 Punkten
Björn Flügel
(Bilder © 2022 Pandora Film Verleih)
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