Der Exorzist
Der meistüberschätzte Horrorfilm aller Zeiten? Kategorie: Filme - Autor: Christian Siegel - Datum: Montag, 03 Oktober 2016
 
Halloween-SPECiAL

 
Der Exorzist
Originaltitel: The Exorcist
Produktionsland/jahr: USA 1973
Bewertung:
Studio/Verleih: Hoya Productions/Warner Bros.
Regie: William Friedkin
Produzenten: William Peter Blatty, Noel Marshall & David Salven
Drehbuch: William Peter Blatty
Filmmusik: -
Kamera: Owen Roizman
Schnitt: Norman Gay & Evan A. Lottman
Genre: Horror
Kinostart Deutschland: 20. September 1974
Kinostart USA: 26. Dezember 1973
Laufzeit: 122 Minuten
Altersfreigabe: FSK ab 16
Trailer: YouTube
Kaufen: Blu-Ray, DVD
Mit: Linda Blair, Ellen Burstyn, Jason Miller, Lee J. Cobb, Kitty Winn, Jack MacGowran, William O'Malley, Max von Sydow u.a.


Kurzinhalt: Die Schauspielerin Chris MacNeil zieht ihre Töchter nach der Scheidung von ihrem Mann alleine groß. Ihre jüngste, zwölf Jahre alte Tochter Regan bereitet ihr zuletzt jedoch einiges an Kopfzerbrechen. So beginnt sie zunehmend zu fluchen, und verhält sich teilweise ungewohnt aggressiv, frech und unzivilisiert – so pinkelt sie z.B. während eines Dinnerbesuchs munter auf den Teppich. Anfänglich versuchen die Ärzte dies mit der Pubertät, danach mit einer psychischen Störung, zu erklären. Dann überraschen sie Chris jedoch mit einem neuen Verdacht: Was, wenn Regan von einem Dämon besessen ist? Daraufhin wendet sich Chris an Father Karras, der Regan daraufhin besucht und tatsächlich Hinweise auf dämonische Besessenheit feststellt. Gemeinsam mit dem diesbezüglich erfahrenen Priester Merrin versuchen die beiden daraufhin, Regan mit Hilfe eines Exorzismus von den Dämonen, die von ihr Besitz ergriffen haben, zu befreien…

Review: Szenenbild. Ich bin zwar noch weit davon entfernt, alle Klassiker zu kennen, aber nach aktuellem Stand halte ich "Der Exorzist" für den überschätztesten Horrorfilm aller Zeiten. Zwar bin ich zugegebermaßen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, erst spät ins Horror-Genre eingestiegen und musste daraufhin zahlreiche alte Filme nachholen; ich schließe nicht aus, dass er mir, wenn ich ihn anno 1973 im Kino gesehen hätte (vorausgesetzt, ich wäre da schon geboren gewesen), besser gefallen bzw. mich mehr beeindruckt hätte. Andererseits gibt es auch einige Filme aus dieser Epoche, die mir trotz ihres Alters das Fürchten lehren konnten – sowie auch ein paar, die nicht mehr unbedingt übermäßig unheimlich gefunden haben mag, die ich aber nichtsdestotrotz sehr zu schätzen wusste. Ebenfalls zugegebenermaßen liegt mir die Exorzisten-Thematik als Atheist nicht so recht (andererseits, wenn ich innerhalb eines Films an Vampire, Werwölfe und ähnliche Monster glauben kann, sollte mir das auch bei Dämonen und der Macht Christi gelingen). Teilweise mag es zudem kulturell – hier in Europa schockt Regans Verhalten von vornherein nicht so, wie in den USA – sowie zeitlich bedingt sein; weil heutzutage führen sich so manche junge Jugendliche auch ohne dämonische Besessenheit kaum besser auf.

Scherz beiseite: Als ich mir "Der Exorzist" vor etwas mehr als 10 Jahren zum ersten Mal angeschaut hatte, damals noch mit seinem Ruf als "beängstigendster Film aller Zeiten" im Hinterkopf, war ich zwar einerseits enttäuscht, schloss aber zugleich nicht aus, dass eben dieser Ruf bei mir eine Erwartungshaltung auslöste, welche meinen Eindruck des Films verzerrte. Deshalb beschloss ich, ihm nun noch einmal eine Chance zu geben, mit dem Wissen ob meiner damaligen Enttäuschung im Hinterkopf – perfekte Voraussetzungen also, um mich doch noch positiv zu überraschen. Pustekuchen! Sorry, ich fand den auch bei der Zweitsichtung genauso langweilig und harmlos wie beim ersten Mal. Was daran furchterregend sein soll, erschließt sich mir jedenfalls nicht. Schon allein der Einstieg hat mich – wie schon bei der Erstsichtung – wieder irritiert. Was genau Pater Merrin an seinem Fund bei der Ausgrabung eigentlich so verstört, war mir jedenfalls auch mit Kenntnis des restlichen Films im Hinterkopf nicht bewusst. Aus meiner Sicht war das schon mal die erste Stelle, wo man die Schere hätte ansetzen sollen. Auch alles rund um Pater Karras und seine Mutter hätte man, wenn schon nicht rausstreichen (immerhin ist es ja später für so manche Aussage des Dämons von Bedeutung) so zumindest deutlich kürzen sollen. Generell ist der Schnitt in der ersten Hälfte teilweise recht seltsam, und springt teils recht willkürlich zwischen den einzelnen Handlungssträngen hin- und her. Nicht zuletzt aufgrund der ausgedehnten Charakterszenen und so manchen überflüssigen Momenten entwickelt sich die Geschichte für meinen Geschmack auch viel zu langsam. Es dauert schon mal sehr lange, ehe der Dämon denn überhaupt vollständig von Regan Besitz ergreift, geschweige denn, bis der Exorzismus dann endlich einmal beginnt.

Szenenbild. Wie zuvor schon angedeutet, fand ich den Film zudem auch nicht schockierend. Im Gegenteil, wenn die besessene Regan auf den Teppich pinkelt, dem Priester sagt, dass seine Mutter in der Hölle Schwänze lutscht, oder sich anzüglich bewegt und dabei "Fick mich!" ruft – ich fand das alles leider eher unfreiwillig komisch, als erschreckend, und musste teils ein Lachen unterdrücken. Noch verdammender ist aber letztendlich, dass ich den Film keine Sekunde lang spannend, geschweige denn furchteinflößend fand. Vielleicht liegt es daran, dass ich zu keiner der Figuren, sei es Chris, Regan, oder auch die beiden Priester, trotz ihrer teils ausführlicher Vorstellung nie eine richtige Verbindung aufbaute. Ich vermute zudem stark, dass sich vor allem auch der weitestgehende Verzicht auf eine stimmungsvolle musikalische Begleitung negativ auf die Atmosphäre des Films auswirkte. Störend fand ich zudem die eine oder andere extrem hysterische Szene, die in den ansonsten überwiegend stillen Film nicht wirklich passen wollte (wenn sie auch, wie auch der gelungene Schockeffekt rund um das Klingeln des Telefons, zumindest dazu beitrugen, mich am Einschlafen zu hindern).

Etwas irritierend finde ich darüber hinaus, dass in der Rolle von Pater Merrin Max von Sydow besetzt und dann künstlich gealtert wurde. Warum nicht gleich einen älteren Schauspieler nehmen? Kritisch sehe ich auch die körperliche Verhandlung von Regal. Hätten wir auch in der zweiten Hälfte des Films immer noch ein junges, unschuldiges Mädchen gesehen, hätten viele Szenen vielleicht stärker gewirkt, da es zwischen ihrem Aussehen und ihren Worten und Taten einen Kontrast gegeben hätte. Außerdem war angesichts ihrer physischen Veränderung für mich unverständlich, wie Pater Karras ursprünglich was ihre Besessenheit betrifft skeptisch sein konnte. Man sollte meinen, ein Blick genügt, um diese zu bestätigen bzw. zu beweisen. Der größte Knackpunkt ist aber zweifellos, dass ich "Der Exorzist" einfach nicht gruselig, geschweige denn beängstigend, fand – und das keine einzige Sekunde lang. Gänzlich blind gegenüber seinen – auch aus meiner Sicht durchaus vorhandenen – Stärken bin ich jedoch auch nicht. So sind die schauspielerischen Leistungen durch die Bank gut (wenn auch in der Rolle des Pater Karras ein Schauspieler eines ähnlichen Kalibers wie Max von Sydow – wie wäre es z.B. mit einem jungen Robert de Niro gewesen? – nicht geschadet hätte). Die Effekte sind durch die Bank gut gemacht und sehen selbst heute noch überzeugend aus. Gleiches gilt für Regans Dämonen-Makeup. Bei aller Fadesse gibt es doch ein paar Momente, die in Erinnerung bleiben, wie z.B. wenn Regan die Stiegen herunterkrabbelt, oder sie über dem Bett zu schweben beginnt. An der Titelmelodie von Mike Oldfield, die leider nur am Anfang und am Ende gespielt wird, habe ich ebenfalls nicht das Geringste auszusetzen. Auch wenn ich persönlich der Meinung bin, dass es William Friedkin nicht gelang, eine dichte, packende Atmosphäre aufzubauen, und spendiert er – mit Unterstützung seines Kameramanns Owen Roizman – doch zumindest die eine oder andere nette Einstellung. Positiv auch, dass der Film anders ausgegangen ist, als ich das ursprünglich vermutet hätte. Und generell vermochte "Der Exorzist" nach dem ellenlangen Einstieg mit dem Beginn des Exorzismus dann, wenn schon nicht zu beängstigen so doch zumindest zu unterhalten. Ändert nur halt leider auch nichts dran, dass ich die 90 Minuten zuvor überwiegend einschläfernd fand.

Fazit: Szenenbild. "Der Exorzist" mag zu den beliebtesten und auf der IMDB am besten bewerteten Horrorfilmen aller Zeiten zählen – nachvollziehen kann ich persönlich dies jedoch nicht. Statt beängstigend, schockierend und/oder furchteinflößend finde ich ihn nämlich in erster Linie unglaublich öde, viel zu lang, und vor allem nicht im Geringsten gruselig. Angefangen vom ausgedehnten Prolog bei der Ausgrabung, dessen Sinn sich mir auch bei der Zweitsichtung wieder einmal nicht erschloss, über einige überflüssige oder auch einfach viel zu lange Szenen, bis hin zur Tatsache, dass über zwei Drittel der Laufzeit wenig bis gar nichts passiert, ist "Der Exorzist" für mich in erster Linie eine Studie in Langeweile. Regans Verhalten fand ich dabei eher unfreiwillig komisch, da es so verkrampft auf schockierend getrimmt war. Weder mit ihr, noch mit ihrer Mutter, geschweige denn den Priestern, fieberte ich je so richtig mit, weshalb mich das Geschehen letztendlich kalt ließ. "Der Exorzist" braucht auch viel zu lange, um endlich mal Fahrt aufzunehmen, bzw. auf den Punkt zu kommen. Unschlüssig bin ich zudem, ob es nicht besser gewesen wäre, auf Regans physische Transformation zu verzichten. Und vor allem auch die mangelnde Musik war aus meiner Sicht der gewünschten, beängstigenden Atmosphäre alles andere als zuträglich. Zugegeben, der Film ist nett geschossen, die schauspielerischen Leistungen ansehnlich bis gut, ich mag den Titelsong von Mike Oldfield, es gibt vereinzelte denkwürdige Momente, der Ausgang des Geschehens konnte mir gut gefallen, Effekte und Makeup sind über jeden Zweifel erhaben, und sobald der Exorzismus dann endlich beginnt, verstand es der Film zumindest, mich halbwegs zu unterhalten (wenn auch selbst dann nicht, mich zu beängstigen). Für den angeblich gruseligsten Horrorfilm aller Zeiten ist mir diese Ausbeute an positiven Aspekten aber entschieden zu wenig.

Wertung:3 von 10 Punkten
Christian Siegel
(Bilder © 1973 Warner Bros.)


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