Les Misérables
Bildgewaltige und bewegende Musical-Verfilmung Kategorie: Filme - Autor: Christian Siegel - Datum: Montag, 25 Februar 2013
 
Oscar-SPECiAL

Les Misérables
(Les Misérables, USA/UK 2012)
 
Les Misérables
Bewertung:
Studio/Verleih: Working Title Films/Universal Pictures
Regie: Tom Hooper
Produzenten: U.a. Tim Bevan, Eric Fellner, Debra Hayward & Cameron Mackintosh
Drehbuch: William Nicholson, Herbert Kretzmer, Alain Boublil & Claude-Michel Schönberg, basierend auf dem Musical von Alain Boublil & Claude-Michel Schönberg, welches wiederum auf den Roman von Victor Hugo basiert.
Filmmusik: -
Kamera: Danny Cohen
Schnitt: Chris Dickens & Melanie Oliver
Genre: Musical/Drama
Kinostart Deutschland: 21. Februar 2013
Kinostart USA: 25. Dezember 2012
Laufzeit: 158 Minuten
Altersfreigabe: Ab 12 Jahren
Trailer: YouTube
Kaufen: Blu Ray, DVD, Soundtrack, Romanvorlage
Mit: Hugh Jackman, Russell Crowe, Anne Hathaway, Amanda Seyfried, Eddie Redmayne, Samantha Banks, Helena Bonham Carter, Sacha Baron Cohen, Aaron Tveit, Daniel Huttlestone u.a.


Kurzinhalt: Frankreich, 1815: Nachdem er seine 19-jährige Strafe als Sklave abgeleistet hat, wird Jean Valjean auf Bewährung entlassen. Doch niemand ist bereit, ihm eine Arbeit und/oder Unterschlupf zu gewähren – da ihn seine Bewährungspapiere als gefährlichen Kriminellen ausweisen. Erst in einer Kirche findet er Unterschlupf – und Erleuchtung. Er beschließt, Jean Valjean hinter sich zu lassen, zu fliehen, und unter neuem Namen ein neues Leben zu beginnen. Acht Jahre später ist er der Leiter einer angesehenen Kleidungsfabrik, und zudem der Bürgermeister einer kleinen Stadt. Als sein früherer Wächter Javert die Stadt besucht, fürchtet Valjean, er könnte auffliegen – weshalb er sich auch nicht groß darum kümmert, als es zu einem Streit zwischen seinen Arbeiterinnen kommt. Der Vorarbeiter entlässt daraufhin Fantine, die verzweifelt versucht, Geld für ihre Tochter Cosette aufzutreiben, die bei Zieheltern aufwächst. Schnell wird Fantine in die düstersten Abschnitte der Stadt – und des Lebens – geworfen, und endet als Prostituierte. Nachdem sie einen aufdringlichen Kapitän angreift, wird Javert auf sie aufmerksam – und auch Valjean. Dieser ist erschüttert, als er erkennt, dass er einen Teil der Schuld an ihrem Schicksal trägt, und will ihr unbedingt helfen. Javert ist jedoch nun davon überzeugt. Valjean endlich gefunden zu haben – und jagt ihn aus der Stadt. Seinem Versprechen an Fantine folgend, flieht Valjean in jene Stadt, in der ihre Cosette zu Hause ist – um sich ihrer anzunehmen. Weitere neun Jahre später steuern die Ereignisse auf ihren Höhepunkt zu…

Review: Jean Valjean soll sich fortan um die kleine Cosette kümmern.Bevor ich mit meinem Review beginne, möchte ich zuerst eines festhalten: Diese Verfilmung war meine erste Erfahrung mit. dieser Geschichte. Ich kann mich zwar noch gut daran erinnern, dass mich schon als Kind als das Musical in Wien gezeigt wurde sowohl der Titel als auch das Plakat mit dem kleinen Mädchen fasziniert haben – aber gesehen habe ich es nie (ich wäre damals wohl auch noch zu jung dafür gewesen). Auch den Roman von Victor Hugo habe ich nie gelesen. Ich schließe nicht aus, dass dieser im Zuge eines Referats mal im Deutschunterricht besprochen – und dort auch schon die Handlung vorweggenommen – wurde, aber wenn dem so war, war der Zahn der Zeit gnädig genug, alle Erinnerungen daran zu tilgen, so dass ich "Les Misérables" – vom Trailer abgesehen – völlig unvorbereitet, und auch unvoreingenommen, genießen durfte. Und ich kann nicht nur nicht ausschließen, sondern mir sogar gut vorstellen, dass eben die Tatsache, dass ich diese Geschichte zum ersten Mal gesehen/erlebt habe, einen großen Anteil daran hatte, dass es dem Film gelang, mich dermaßen zu beeindrucken, zu begeistern und zu berühren.

Womit wir auch schon beim ersten Punkt wären, mit dem ich mich näher beschäftigen möchte. Auf die Gefahr hin, als Tom Hooper-Fan abgeschrieben zu werden (hatte ich doch damals schon bei "Kings Speech" seine Inszenierung, die von anderen als vergleichsweise unspektakulär abgetan wurde, als sehr gelungen und teilweise sogar clever bezeichnet)... aber ich glaube, dass es sich viele zu leicht machen, und ihm nicht jene Anerkennung für diese Verfilmung angedeihen lassen, die er sich meiner bescheidenen Meinung nach verdient. Ja, natürlich profitiert er enorm davon, eine derart tolle, bewegende Geschichte erzählen zu können, sowie vom Musical, dass zu Recht als eines der besten aller Zeiten bezeichnet wird und weltweit unzählige Fans hat. Ja, er musste genau genommen nur die Handlung und die Lieder nehmen, und schon hatte er einen tollen Film. Aber genau das ist doch schon der erste Knackpunkt: Wie viele Verfilmungen von tollen Stoffen kennt ihr, die bei der Übernahme auf die große Leinwand mächtig Mist bauen? Die an und für sich schon perfekte Geschichte verändern, Figuren rauskürzen, andere Figuren hinzufügen, usw. Wie gesagt, ich kenne die Vorlage selbst nicht, und bin hier auf die Meinungen, Kommentare und Erfahrungswerte jener angewiesen, die sowohl entweder a) den Roman oder b) das Musical kennen, und danach den Film sahen – und ihn als sehr werksgetreue Verfilmung bezeichnen. Jedenfalls verdient Tom Hooper schon allein dafür Anerkennung, dass er es nicht vermasselt hat. Er hat die Qualität des Bühnenstücks erkannt, und sehr uneigennützig und uneitel eine möglichst werksgetreue Verfilmung auf die Leinwand gebracht – auch auf die Gefahr hin, sich dem Vorwurf aussetzen zu müssen, dass er in Wahrheit ja gar nicht wirklich etwas geleistet bzw. nichts eigenes hinzugefügt, sondern vielmehr die tolle Arbeit die vor ihm geleistet wurde kopiert hat, und nun von dieser profitiert. Eine Kritik, die eben genau am Kern der Sache vorbeiläuft, und in meinen Augen nicht widersinniger sein könnte.

Anne Hathaway stiehlt mit ihrem 'I dreamed a Dream' allen anderen die Show.Zumal ein Film natürlich inszenatorisch ganz andere Möglichkeiten bietet als ein Bühnenstück – wovon Tom Hooper auch Gebrauch macht. So verleiht er jenen Momenten, die danach verlangen, eine Größe und eine Weite, die sich auf einer Bühne niemals umsetzen lassen würden. Exemplarisch seien der Einstieg in der Schiffswerft sowie die Szenen während des Juniaufstands in Paris genannt. Am meisten profitiert "Les Misérables" aber vom genauen Gegenteil – lässt sich doch in einem Film eine Nähe und Intimität erreichen, die zwischen Bühnendarsteller und Publikum aufgrund der Distanz zwischen Bühne und Zuschauertribünen meines Erachtens nie erreichen lässt. Wo man in Musicals nur mit der Stimme und der Gestik arbeiten kann, und die Mimik maximal noch in den ersten Reihen ankommt, ermöglichst es die Kamera, diese Distanz zu überbrücken. Das Ergebnis ist, dass die Bilder und die Lieder mit dieser Inszenierung eine Emotionalität erreichen, die sich meiner bescheidenen Meinung nach auf der Bühne in dieser Intensität nicht nachbilden lässt. Wobei ich zugebe, dass hier durchaus auch der (voreingenommene?) Kino-Fan aus mir sprechen könnte.

Zuletzt bedient sich Tom Hooper dann auch noch eines ganz wesentlichen inszenatorischen Kniffs, für den man ihn meines Erachtens nicht genug loben kann. Im Gegensatz zu den meisten Musical-Filmen, bei denen die Lieder vorheraufgenommen und dann während der Dreharbeiten auf dem Set nur mehr eingespielt werden – und die SchauspielerInnen daraufhin zu ihrem Gesang nur mehr die Lippen bewegen – wurden sämtliche Lieder in "Les Misérables" live vor der Kamera aufgenommen. Dies bedeutet zwar, dass die Lieder vielleicht nicht immer ganz so perfekt klingen, und erhöhte natürlich auch den (vor allem gesanglichen) Druck auf die Schauspieler, zahlt sich aber meines Erachtens durch die Authentizität die dadurch gewonnen wird mehr als nur aus. Bei den meisten Musical-Filmen gibt es durch die übliche Vorgehensweise eine gewisse Dissonanz zwischen dem Gesang und dem Schauspiel an sich, dass man durchaus mit dem Effekt von Synchronisationen vergleichen kann, die ja ebenfalls bis zu einem gewissen Grad verfälschen. Manche mögen einwerfen, dass ADR, also die nachträgliche Aufnahme von Dialogen (da der Ton am Original-Schauplatz z.B. nicht verwendet werden kann) gang und gebe ist, doch dort ist die Reihenfolge umgekehrt: Zuerst die Szene, dann der Ton. Der Schauspieler kann sich die Szene anschauen, sich wieder in diese hineinfühlen, und hat zudem seine damalige stimmliche Performance als Vorlage. Wenn man die Lieder zuerst im Studio aufnimmt, braucht es umso bessere SchauspielerInnen, die es vermögen, auch in dieser sterilen Umgebung und ohne "Vorlage" in ihre Stimme die richtigen Emotionen einfließen zu lassen. Nimmt man so wie Hooper diese jedoch zusammen mit der Performance auf, ergeben Mimik, Gestik und Stimme ein stimmiges Gesamtbild. Darüber hinaus setzt Hooper oftmals auf lange Einstellungen, in denen er seien SchauspielerInnen die Emotionen der Szene durchspielen lässt. Dies sorgt dann auch zweifellos zu dem schauspielerischen Höhepunkt des Films, nämlich Anne Hathaways Performance von "I Dreamed A Dream", das komplett ohne einen einzigen Schnitt entstanden ist. Absolut atemberaubend – und jene Szene, die ihr völlig zu Recht in wenigen Stunden den Oscar als beste Nebendarstellerin einbringen wird.

In 'Les Misérables' kann Hugh Jackman endlich mal auch im Kino seine musikalischen Muskeln spielen lassen.Womit wir in gewisser Weise auch schon beim nächsten Punkt sind: Wofür man Tom Hooper meines Erachtens nämlich ebenfalls nicht genug loben kann, ist das Casting. Auch da hätte ungemein viel schiefgehen können. Man denke nur, Disney hätten die Rechte für dieses Werk in die Finger bekommen, und den Film mit ihren High School Musical-Stars besetzt. Oder aber, ein Produzent hätte sich genötigt gesehen, einen aktuellen Popstar in einer der Rollen zu besetzen, oder auf die Besetzung von "Glee" zurückzugreifen – irgendetwas Publikumswirksames halt, mit dem man die Jugend ins Kino locken kann. Eine Versuchung, der Tom Hooper widerstand. Stattdessen besetzte er alle Rollen mit genau den richtigen SchauspielerInnen, und fand eine gelungene Mischung aus bekannten Stars, aufstrebenden Jungdarstellern – und sogar Musical-Stars. Für die Hauptrolle hätte es wohl keine bessere Wahl geben können als Hugh Jackman, der hier zum wohl ersten Mal in seiner Filmkarriere seine Theatererfahrung ausspielen kann, und sowohl darstellerisch als auch gesanglich den ganzen Film hinweg überzeugt. Eine tolle Leistung, mit der er den Film trägt, und sich in einem anderen Jahr – ohne Daniel Day-Lewis – wohl ernsthafte Chancen auf den Oscar hätte ausrechnen dürfen.

Was den Rest der Besetzung betrifft, sticht natürlich in erster Linie die bereits erwähnte Anne Hathaway hervor. Sehr gut gefallen konnte mir auch Samantha Barks, welche die Rolle der Éponine auch bereits im Musical gespielt hat – und meines Erachtens merkte man durchaus auch, dass die mit der Rolle vertraut ist, bestach ihre Performance doch mit einer Natürlich- und Leichtigkeit. Positiv überrascht war ich auch von Eddie Redmayne, der als Marius sowohl schauspielerisch als auch stimmlich überzeugen kann. Amanda Seyfried leidet etwas darunter, dass ihre Figur wohl die uninteressanteste und die am wenigsten charakterisierte ist, passt aber dennoch perfekt in die Rolle, und bekommt vereinzelte Höhepunkte, in denen sie ihr schauspielerisches und auch gesangliches Talent unter Beweis stellen darf. Vor allem einige hohe Töne von ihr haben mich überrascht. Russell Crowe wurde im Vorfeld teils heftig kritisiert, natürlich nicht für sein Schauspiel, aber für seinen Gesang. Tatsächlich ist er zweifellos der einzige, der gesanglich etwas abfällt. Während es allen anderen verhältnismäßig leicht zu fallen scheint, merkt man ihm an, dass er sich bei seinen Liedern plagt. Und doch würde ich ihn keinesfalls als schlecht bezeichnen. Irgendwie passt der etwas verkrampfte Gesang genau genommen sogar zur Rolle – wie auch seine tiefe Stimme, welche die Autorität seiner Figur wiederspiegelt. Tatsächlich war ich nach Sichtung des Trailers eigentlich am meisten wegen Sacha Baron Cohen und Helena Bonham Carter besorgt. Ersteren kann ich normalerweise überhaupt nicht leiden, und letztere droht es langsam aber sicher mit ihren schrägen Figuren mit wilder Frisur doch ein wenig zu übertreiben. Tatsächlich wirken beide ein wenig wie Fremdkörper in diesem Film – ich denke aber, dass dies weniger an ihnen als an ihren Figuren liegt. Während ansonsten das Drama regiert, sorgen diese beiden für ein bisschen auflockernden Humor – was dem Film letztendlich in meinen Augen durchaus gut tut. Jedenfalls haben mich auch diese beiden in ihren Rollen durchaus überzeugt.

Liebe auf den ersten Blick: Cosette und Marius.Manche mögen bemängeln, dass der Film – wie wohl auch Bühnenstück und Roman – im Verlauf etwas an Fokus verliert, da immer mehr Figuren hinzukommen. Ich persönlich fand genau die Tatsache, dass sich das Ensemble mit jedem Zeitsprung erweitert, als große Stärke, da es die Handlung bereichert und den Film abwechslungsreicher gemacht hat. Eine wesentliche Stärke sind zweifellos auch die Lieder. Einerseits natürlich die Texte, die teilweise derart schön geschrieben sind, dass man gar nicht glauben will, dass diese ursprünglich in Französisch verfasst und danach "nur" ins Englische übersetzt wurden. Vor allem aber auch die Melodien. Teilweise gibt es zwischen den einzelnen Liedern was die Melodie betrifft Überschneidungen, ein Lied geht ins andere über, oder manchmal verschmelzen auch mehrere Melodien zu einem stimmigen Ganzen. Gerade auch diese Ensemble-Nummern fand ich phantastisch, und mir gefällt, wie die Lieder ein großes Ganzes ergeben. Und zuletzt ist natürlich auch die Geschichte zu loben. Wie der Titel schon verrät, ist "Les Misérables" nicht gerade ein Feel-Good-Film, aber gerade auch das empfand ich für ein Musical – bzw. einen Musical-Film – die sonst überwiegend auf gute Laune ausgerichtet sind, als sehr erfrischend.

Natürlich gibt es Dinge, die man theoretisch kritisieren kann – wobei ich viele davon als vom persönlichen Geschmack abhängig betrachte. So ist "Les Misérables" natürlich ein waschechtes Musical – mit allem, was damit einhergeht. Gesprochene Texte gibt es selten, was alles wird gesungen, egal ob Monologe, Dialoge, oder auch Gedanken. Vor allem letzteres kann irritierend sein, z.B. wenn Jean Valjean lautstark über Marius singt, während dieser danebenliegt und schläft (und scheinbar nichts hört). Ich persönlich hatte aber kein Problem damit, auch laut gesungene innere Monologe als solche zu erkennen. Obwohl ich normalerweise absolut kein Musical-Fan bin, erst wenige in meinem Leben gesehen habe, und vor allem auch Musical-Filmen gegenüber eher kritisch eingestellt bin, hat mich "Les Misérables" jedenfalls absolut überzeugt. Das heißt aber noch lange nicht, dass das auch für andere mit ähnlichen Bedenken gelten muss. Was ebenfalls dem Bühnenstück entstammt, ist die etwas ungewohnte Aufteilung der Handlung. Die meisten modernen Filme folgen einer dreiaktigen Struktur – "Les Misérables" nicht. Auch dies mag den einen oder anderen stören. Etwas eigenwillig sind sicherlich auch Dinge, wie z.B. dass sich Cosette und Marius auf den ersten Blick unsterblich ineinander verlieben. Diese extrem verkitschte Form der Liebe ist etwas, dass heutzutage in Filmen Seltenheitswert besitzt – im Kontext der Theatralik des Films hatte ich aber kein Problem damit, es zu akzeptieren, und ihre tiefempfundene Liebe nach nur einem Blick als gegeben hinzunehmen. Auch die Länge mögen manche kritisieren. Stimmt schon, man merkt "Les Misérables" – aufgrund der Fülle an Figuren, der Zeitsprünge etc. – seine 2-1/2 Stunden Länge an. Ein wesentlicher Grund dafür ist meines Erachtens aber auch, dass der Film eine emotionale Tour de Force bietet, die "anstrengt", und dafür sorgt, dass man nach einiger Zeit erschöpft ist. Auch dies kann und will ich dem Film nicht vorwerfen, empfand ich doch gerade die Emotionen welcher er geweckt hat als seine wohl größte Stärke.

Russell Crowe mag gesanglich nicht ganz mithalten können, spielt seinen Javert aber dennoch ausgesprochen gut.So ziemlich der einzige Kritikpunkt, den ich auch aus meinem subjektiven Empfinden nachvollziehen kann, ist das neue Lied "Suddenly". Ich kann verstehen, dass man den Kinobesuchern etwas Neues bieten wollte, und es ist löblich, dass man dafür die Autoren des Musicals verpflichtet hat. Aufgrund des – von mir vermuteten – Bestrebens einer Oscarnominierung für "Best Original Song" konnte man aber auf keine der bestehenden Themes zurückgreifen (um nicht für diese Kategorie disqualifiziert zu werden). Eben dies sorgt aber wiederum dafür, dass "Suddenly" unangenehm hervorsticht. Alle anderen Lieder sind eindeutig als Teil des musikalischen Mosaik des Musicals zu erkennen, bauen teilweise aufeinander auf, und ergeben ein stimmiges Ganzes. "Suddenly" wirkt in dieser ansonsten vorherrschenden Harmonie wie ein störender Fremdkörper. Selbst mir, der ich das Musical nicht kannte, fiel sofort auf, dass dieses Lied nicht so recht zum Rest passen will – warum und wieso, ergaben natürlich erst meine Recherchen nach dem Kinobesuch. Jedenfalls hätte ich es vorgezogen, man hätte auf die Oscar-Nominierung verzichtet und wenn man schon meinte einen neuen Song einbauen zu müssen, diesen stärker mit dem bestehenden musikalischen Mosaik verknüpft.

Fazit: Pfeif auf Objektivität. Ich gebe unumwunden zu, dass die Tatsache, mit der Geschichte – weder als Roman noch als Musical – zuvor vertraut gewesen zu sein, maßgeblichen Einfluss auf meine Begeisterung gehabt haben mag. Doch was auch immer nun genau die Gründe und/oder Voraussetzungen dafür gewesen sein mögen, am Resultat führt kein Weg vorbei, und dieses lautet: "Les Misérables" hat mich umgehauen. Er ist eine unglaubliche emotionale Tour de Force, mit mehr berührenden Momenten, als alle Filme die ich letztes Jahr im Kino gesehen habe zusammengenommen. Und auch wenn ich meine persönliche Meinung noch nie davon abhängig gemacht habe, was andere denken/empfinden – die Tatsache, dass ich seit "Rückkehr des Königs" nicht mehr so viel Geschniefe und Geschneuze in einem Kinosaal gehört habe, spricht dafür, dass ich mit meiner Meinung zumindest mal nicht völlig alleine dastehe. Neben der Geschichte und den Liedern – für die der Film natürlich nur bedingt etwas kann, wo ihm jedoch zugute zu halten ist, die Vorlage nicht zu verhunzen – erwiesen sich für mich als größte Stärken die teils phantastischen schauspielerischen Leistungen, sowie Tom Hoopers Regie; allen voran seine Entscheidung, die Lieder live aufzunehmen erweist sich als Geniestreich. Der einzig für mich relevante Kritikpunkt ist das neue Lied "Suddenly", dass sich nicht wirklich in den Rest der Musik einfügt – wirklicher Beinbruch ist aber selbst das keiner, immerhin reden wir von ganzen zwei Minuten eines über 2-1/2 stündigen Films. Angesichts der Tatsache, dass meine Wertungen immer genre-spezifisch zu verstehen sind, und "Les Misérables" der mit Abstand beste Musical-Film ist, den ich bisher gesehen habe, habe ich jedenfalls kein Problem damit, ihm die Höchstwertung angedeihen zu lassen. Für alle, die sich auf ihn einlassen können, bietet "Les Misérables" in meinen Augen - und Ohren - jedenfalls ganz großes Gefühlskino!

Wertung:10 von 10 Punkten
Christian Siegel
(Bilder © 2013 Universal Pictures)


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Weiterführende Links:
Oscar-SPECiAL 2013






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