FollowTheBox #17: "Rice Boy" & "Ballad" |
Bunter Rausch, dunkler Traum
Kategorie:
Kolumnen -
Autor: Christina Hansen - Datum:
Montag, 13 Oktober 2008 |
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![]() In Webcomics sind spektakuläre Traumbilder leider bisher noch unterrepräsentiert, denn Webcomics konzentrieren sich noch immer weitgehend auf die Vermittlung eines kurzen, täglichen Witzes. Doch auch hier gibt es mittlerweile einige Beispiele beachtlicher visueller Extravaganz. Rice Boy - von Evan DahmDahm verfremdet das klassische Muster des Fantasyepos nicht nur durch den psychedelischen Schauplatz, sondern auch immer wieder durch, einerseits, einen knochentrockenen, unterschwelligen Humor und, andererseits, eine vielleicht noch unterschwelligere, planvoll-naiv anmutende Poesie. Während der Humor anzudeuten scheint, daß man die epischen Geschehnisse um Götter, Monster, vergessene Zivilisationen, faschistoide religiöse Diktaturen und dergleichen mehr nicht so ernst nehmen solle, sagt einem die Poesie das Gegenteil, oder vielmehr: daß die Geschichte ganz und gar ernst zu nehmen sei – aber vielleicht nicht unbedingt auf der offensichtlichsten Ebene. Ballad - von deadmouse![]() Auf der Handlungsebene gibt Ballad auch nach vier abgeschlossenen(?) Episoden immer noch viele Rätsel auf. Nach seiner Wiedererweckung findet sich Ballad als quasi-Bediensteter einer alterwürdigen, allem Anschein nach traditionell mit okkulten Dingen befaßten Familie wieder, wobei sein eigentlicher Status irgendwo zwischen Haustier und Spielzeug der Tochter Elizabeth angesiedelt ist. Es scheint, daß Elizabeth Ballad gewissermaßen erschaffen hat; allerdings hat sie mit seiner Rückkehr ins Leben offensichtlich nichts zu tun und nimmt ihn, um der Sache auf den Grund zu gehen, nach seiner Ankunft gleich erst einmal wieder halb auseinander – an dieser Stelle sollte man anmerken, daß der Comic absolut nicht für Kinder geeignet ist, denn Bilder von Gehirnoperationen mit dem Hackmesser und dergleichen mehr sind an der Tagesordnung. Nach diesem zugegebenermaßen grauenerregenden Auftakt von Ballads Aufenthalt bei seinen neuen (alten?) Herrschaften ändert sich der Ton ein wenig: der Grusel wird subtiler, weniger blutrünstig, auch wenn Ballad weiterhin Albtraumgestalten wie einem mysteriösen Tentakelvieh im Wald, mörderischen Marionetten oder unheimlichen Schädelkrabben begegnet. Viele Situationen haben einen gewissen grotesken Witz, so z.B. die Begegnung zwischen dem Tentakelvieh und dem sprechenden Hirsch Wimbolton, der letzteres wohl nicht besonders leiden kann. Und das Leben von Elizabeth und ihrem Vater wirkt bei näherem Hinsehen nicht mehr gar so ominös, auch wenn Elizabeths Schlafzimmer voller Riesenratten ist und ihr Vater einen unsichtbaren Kopf hat. Leider krankt Ballad – abgesehen von der Tatsache, daß der Comic unvollendet ist – an einigen kleineren Mängeln. Die Schrift, wenn auch stilistisch wunderbar zum Zeichenstil passend, ist oft schwer zu lesen und die Verständlichkeit wird weiter eingeschränkt durch relativ häufige Schreibfehler (deadmouse ist vermutlich Legastheniker). Weiterhin liegen einige wenige Seiten nur auf Französisch vor – allerdings handelt es sich um eine sehr kleine Anzahl und der Text auf diesen Seiten ist relativ vernachlässigbar. Und schließlich wird auf einigen Seiten das ästhetische Erlebnis durch Experimente mit Computer-Lettering etwas gestört. Diese Seiten sind zwar besser lesbar, doch der allgemeine Eindruck leidet ganz ungemein unter dem “seelenlosen” Font, der vom Autor glücklicherweise bald wieder aufgegeben wurde. Trotz dieser Wermutstropfen sei Ballad allen Freunden dunkler und grotesker Phantastik ans Herz gelegt.
Christina Hansen
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