FollowTheBox #6: Neue Helden braucht das Land
Die Superheldenserie "Heroes" Kategorie: Kolumnen - Autor: Florenz Villegas - Datum: Donnerstag, 24 Mai 2007
 

ImageWas haben die meisten Comic-Verfilmungen gemeinsam, egal ob als Kinofilm oder TV-Serie? Sie werden mit einem Augenzwinkern inszeniert, nehmen sich selbst nicht so ernst. Man denke an "Lois & Clark", die "Spider-Man"-Trilogie von Sam Raimi, sogar die "X-Men" ließen eine gute Portion Selbstironie aufblitzen.
Das macht es für die Zuschauerinnen und Zuschauer leichter, das zu akzeptieren, was ihnen da präsentiert wird. Dadurch wird es nicht zwangsläufig gut, das zeigen vor allem der Abschluss der "Spider-Man"-Trilogie sowie "Spawn" oder "Judge Dredd"...
Doch es kann dabei helfen, die Story funktionieren zu lassen, selbst wenn diese eigentlich nur rudimentär existiert.


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Heroes: Die neue Superheldenserie von Tim Kring ist in den USA ein Riesen-Erfolg!
Damit sind wir bei Heroes, einer Serie, die aus dem Rahmen fällt und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Bevor die ersten Einwände kommen, gebe ich zu, dass Heroes eigentlich keine Comic-Verfilmung ist, doch sie folgt den Gesetzen und scheut sich nicht, ihre Nähe zu den "Graphic Novels" sehr deutlich zu machen. Heroes, das ist Film gewordener Comic. Und Heroes nimmt sich ernst, sehr ernst sogar und beweist damit, dass auch das funktionieren kann. Doch dafür müssen mehrere Umstände zusammen kommen, weshalb es einigen Mut von den Sendern oder Studios erfordert, so etwas zu produzieren.

Da wäre – bei einer Serie – zunächst die Rahmenhandlung, das Universum, in dem alle Figuren agieren. Diese muss interessant genug sein, um den Zuschauer auf Dauer bei der Stange zu halten, er muss wissen wollen, wie es ausgeht. Dazu müssen Grundinstinkte angesprochen werden, beschützen, lieben, bewahren. Dann spielt es auch kaum eine Rolle, ob das ganze Universum gerettet werden muss, die Welt oder nur ein schäbiges Mehrfamilienhaus in der 8. Straße.

Als nächstes wären die Charaktere an der Reihe. Haben Sie sich schon mal gefragt, warum in vielen Filmen der Bösewicht viel interessanter ist als der Held? Das ist relativ einfach zu beantworten, der Held ist oft eine recht flache Figur. Er hat Prinzipien, Regeln, an die er sich hält, das macht ihn berechenbar. Der Böse hingegen hat diese Beschränkungen nicht, er braucht im Grunde nicht einmal ein Motiv für seine Handlungen. Die besten Geschichten sind meist die, in denen viel "Grau" vorkommt. Wenn der Held nicht immer so heldenhaft ist und der Böse zeigt, dass er nicht nur böse sein kann. Doch vor allem müssen die Charaktere glaubhaft sein. Man muss ihnen folgen wollen, bis zum (bitteren) Ende. Denn selbst wenn der Ausgang der Geschichte einigermaßen vorhersehbar ist, müssen wir wenigstens sehen wollen, wie die Figuren dieses Ende erleben. Dazu benötigt man natürlich auch gute Darsteller oder zumindest einen Regisseur, der mittelmäßigen Schauspielern sagen kann, was sie zu tun haben.

Tja, und dann ist natürlich noch die technische Umsetzung. Effekte sind nicht alles, das stimmt. Aber schlechte Effekte können alles versauen. Da geben sich alle solche Mühe, die abstrusesten Geschichten glaubhaft wirken zu lassen, und dann wird die Illusion zerstört, weil man die Fäden sieht, an denen der fliegende Typ hängt. Ich weiß noch, dass ich einmal tierisch beeindruckt aus dem Kino kam, nachdem ich einen der "Superman"-Filme (die mit Christopher Reeves) gesehen habe. Die Szene selbst war relativ unscheinbar, Clark Kent benutze einen Streifenwagen der Polizei, um sich in Super-Geschwindigkeit umzuziehen. Was mich so beeindruckt hatte, war nicht, dass man ihn so schnell hat werden lassen, das kannte man ja schon. Aber dass dabei die Blaulichter des Autos in normaler Geschwindigkeit weiterliefen, das hat mich damals schon staunen lassen. Um es kurz zu machen, Heroes bietet das alles. Die Rahmenhandlung ist nicht neu und reißt einen sicher nicht vom Hocker, doch sie erfüllt ihren Zweck. Die technische Umsetzung ist hervorragend, in manchen Szenen nahezu brillant und das nicht nur für eine Fernsehserie.

Die Besetzung ist ausnahmslos gut bis sehr gut, sogar - der nahezu allgegenwärtige - Malcolm McDowell fügt sich nahtlos ein. Besonders hervorheben möchte ich jedoch Adrian Pasdar, der seine ambivalente Rolle als skrupelloser Politiker und liebender Familienmensch perfekt unter Kontrolle hat. Doch auch die Ensemble-Leistung an sich ist bemerkenswert. Die Serie weist nicht weniger als zwölf Hauptcharaktere auf und dazu noch eine Vielzahl an wichtigen Nebencharakteren, wobei die Abgrenzung zwischen den beiden Gruppen nicht immer einfach, manchmal gar unmöglich ist. Und doch schafft bereits die erste Staffel von Heroes etwas, was anderen Serien - mit einem viel kleineren Cast - nicht einmal über die gesamte Laufzeit gelungen ist, nämlich ihre Charaktere so einzuführen, dass der Zuschauer sie wirklich versteht, was einem leichte Logik-Schwächen im Plot verzeihen lässt. Das liegt natürlich vor allem an der Gestaltung der einzelnen Folgen, die jeder Figur den Platz einräumt, der ihr gebührt.

Heroes Cast (c) NBCDa sehen wir den enthusiastisch-naiven Japaner, selbstverständlich Mitglied im Marvel-Fanclub, der sich zusammen mit seinem besten Freund auf den Weg nach Amerika macht, um die Welt zu retten. Das All-American Girl, natürlich Cheerleaderin, das als Adoptivkind mehr zu verdauen hat als die nagende Frage, wer ihre biologischen Eltern sind. Das Bruderpaar, das unterschiedlicher nicht sein könnte und sich folglich so sehr liebt und streitet, wie es nur Brüder können. Der ödipale Loser, der endlich was Besonderes ist, nur um dann festzustellen, doch wieder einer unter vielen zu sein.
Das sind nur fünf Beispiele von den vielen Persönlichkeiten, die Heroes ausmachen. Das Intro erzählt von gewöhnlichen Menschen, die ungewöhnliche Fähigkeiten an sich entdecken. Doch gleichzeitig treffen diese Menschen aufgrund dieser neuen Fähigkeiten Entscheidungen, die die Frage aufkommen lassen, wie gewöhnlich sie eigentlich waren. Waren die Menschen gewöhnlich oder war es – bei allen Hochs und Tiefs – nur ihr Leben als ganz normaler Politiker, Krankenpfleger, Schülerin, Polizist oder Uhrmacher? Heroes lässt diese Frage auch am Ende der Staffel unbeantwortet, und deutet an, dass da noch mehr ist, genau so, wie es sich für eine gute Serie gehört.

Und gut ist die Serie: Intelligente Dialoge, gute Schauspieler, eine Rahmenhandlung, die diese Bezeichnung auch verdient, Darsteller und Regisseure, die ihr Handwerk verstehen, Autoren, die einen Sinn für Spannungsbögen und Story-Twists haben. Da fragt man sich, was eigentlich noch schief gehen kann. Nun, für die USA ist diese Frage beantwortet: Nichts. Heroes avancierte schnell zu einer der beliebtesten Serien und wurde damit zu einem Erfolg, den der Muttersender NBC in diesem Bereich auch dringend brauchte. Wie es dagegen für Deutschland aussieht, wird sich im Herbst 2007 zeigen, dann beginnt nämlich RTL II mit der Ausstrahlung. Und neben den allgemeinen Aufgaben wie Marketing und Sendeplatz-Findung, kommt bei uns noch ein wesentliches Element hinzu: die Synchronisation.

Wir dürfen also gespannt sein, ob der Sender aus Grünwald die richtige Einstellung zu dieser Serie hat. Grund zu Hoffnung gibt es jedenfalls, denn Formate wie Stargate und Stargate Atlantis wurden dort auch mit der nötigen Sorgfalt behandelt. Lassen wir uns also überraschen und freuen uns auf eine der interessantesten Serien des Jahres. Verdient hat sie es allemal.


Florenz Villegas



Weiterführende Links:

Heroes-News, Deutsche Fanseite

Offizielle Site von NBC, englisch


Wikipedia-Eintrag, deutsch


IMDb-Eintrag, englisch


Heroes-Wiki, deutsch

 



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