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Originaltitel: The Norwood Builder
Episodennummer: 2x03
Bewertung:
Erstausstrahlung US: 08. September 1985
Erstausstrahlung D: 25. November 1987 1987
Drehbuch: Richard Harris
Regie: Ken Grieve
Besetzung:
Jeremy Brett als Sherlock Holmes,
David Burke als Dr. John Watson,
Rosalie Crutchley als Mrs Lexington,
Colin Jeavons als Lestrade,
Matthew Solon als John Hector McFarlane,
Jonathan Adams als Jonas Oldacre,
Helen Ryan als Mrs McFarlane,
Rosalie Williams als Mrs Hudson,
Andy Rashleigh als Constable,
Anthony Langdon als Tramp,
Ted Carroll als Seafaring Tramp u.a.
Kurzinhalt:
Bei einem Brand in seinem Haus wird ein wohlhabender ehemaliger Baumeister in Norwood, Jonas Oldacre, getötet. Statt von einem Unfall geht die Polizei vielmehr davon aus, dass das Feuer gelegt wurde, und wertet es dementsprechend als Mord. Und Inspektor Lestrade von Scotland Yard hat auch schon einen Hauptverdächtigen: John McFarlane. Der war nämlich Oldacres letzter Besucher vor dessen Tod, was auch aufgrund eines von ihm im Haus zurückgelassenen Gehstocks bewiesen ist. Zudem hatte John ein Motiv, hat doch Oldacre aus unerfindlichen Gründen kurz vor seinem Tod sein Testament so umgeschrieben, dass er just John als Erben seines Vermögens einsetzte. Etwas, dass sich McFarlane – der als Notar arbeitet – selbst nicht erklären kann. Gerade noch so gelingt es ihm, die Wohnung von Sherlock Holmes in der Baker Street zu erreichen, bevor die Polizei ihn erwischt. Dort erzählt er dem Meisterdetektiv seine Geschichte – und bittet ihn darum, seine Unschuld zu beweisen…
Review (kann Spoiler enthalten):
Zu Beginn wie immer ein kurzer Blick auf meine Meinung zur literarischen Vorlage. Dort hatte ich den Fall als doch eher nur durchschnittlich eingestuft. Dies spricht für die Arbeit von Richard Harris (nein, nicht der Richard Harris) bei der TV-Adaption, weil in dieser Umsetzung konnte er mir bedeutend besser gefallen, und zählt für mich definitiv zu den bisher besten Folgen der Serie. So fand ich den Fall hier aus mir unerfindlichen Gründen um einiges interessanter als in der Vorlage, und das, obwohl man diesen (von einer wesentlichen – positiven – Abweichung abgesehen) größtenteils 1:1 übernimmt. Schon allein das Setup hat mich hier – warum auch immer – mehr angesprochen: Der Brand im Haus, bei dem Jonas Oldacre (angeblich) verstirbt, der Hauptverdächtige John McFarlane, der sich trotz des vermeintlich großen Erbes dass ihn nun erwarten würde als den unglücklichsten Menschen von ganz London bezeichnet, sowie dessen Schilderung der kuriosen Ereignisse an den Tagen vor dem Feuer. All dies wie immer getragen von einem Jeremy Brett in Bestform, sowie dem gelungenen Zusammenspiel zwischen ihm und David Burke.
"Der Baumeister aus Norwood" beschert uns zudem den ersten Auftritt des wohl berühmtesten – und auch dusseligsten – Polizisten aus Sir Arthur Conan Doyles Holmes-Erzählungen: Inspektor Lestrade. Dieser wird von mir gänzlich unbekannten Colin Jeavons gespielt. Ein zumindest ein klein bisschen prominenteres Gesicht – wie eben Charles Gray als sein Bruder Mycroft – zu sehen, hätte zwar nicht geschadet, grundsätzlich spielt Jeavons die Rolle aber gut. Die größte Stärke liegt aber definitiv in Holmes' Ermittlungen. Diese nehmen hier, wenn man die bisherigen Folgen der Serie als Maßstab zugrunde legt, überdurchschnittlich viel Laufzeit ein. Ich denke, dass es in erster Linie auch dieser Punkt ist, warum mir "Der Baumeister aus Norwood" in der TV-Adaption so gut (und besser als in der Kurzgeschichtensammlung) gefallen konnte. Es machte einfach Spaß, ihm bei seinen Deduktionen zuzusehen (wie z.B., wenn er aus der Schrift des Testaments schließt, dass dieses in großer Eile im Zug geschrieben wurde), und dabei, wie er schließlich den Fall knackt – wobei er sich hier nach längerem auch wieder mal einer Verkleidung bedient. Schön auch, dass Watson ebenfalls einen kleinen Teil dazu beitragen kann. Last but not least hatte es mir dann auch die Auflösung angetan. Ich denke fast, dass das etwas ist, was ich heutzutage mehr wertschätzen konnte als damals: Dieser verbitterte, gekränkte (und kranke) alte Mann, der aus reiner Boshaftigkeit diesen Plan ausheckt, um sich so an jener Frau zu rächen, die ihn einst verschmähte. Vor allem aber – und das ist definitiv der Adaption von Richard Harris zu verdanken – gefiel mir, wie "Der Baumeister von Norwood" hier Mitgefühl für den Obdachlosen weckt, und wie Holmes gerade auch im Hinblick auf dessen schon fast beiläufige Ermordung sehr deutlich machen darf, was er von Oldacre hält (nämlich nichts). Eine Änderung, die "Der Baumeister auf Norwood" für mich deutlich aufgewertet hat.
Fazit:
"Der Baumeister aus Norwood" ist ein – im doppelten Sinne des Wortes – weiterer Fall, bei dem mir die itv-Adaption besser gefallen konnte als die Vorlage. Bis auf einen – auch durchaus wesentlichen – Pluspunkt, nämlich die Art und Weise, wie man das Schicksal des Obdachlosen aufgreift, bleibt man dabei eigentlich nahe an der Vorlage. Aber: Nach einigen anderen Geschichten der Serie, wo Holmes' Ermittlungen einen vergleichsweisen geringen Stellenwert einnahmen, stach die Art und Weise, wie diese hier in der zweiten Hälfte im Mittelpunkt stehen (und die Erzählungen des Klienten – oder anderer beteiligter Personen – nicht einen Großteil der Laufzeit für sich in Anspruch nehmen), für mich überaus positiv hervor. Zumal ich seine Deduktionen wieder wunderbar fand, und Jeremy Brett in der Rolle nach wie vor glänzt. Aber auch die Auflösung des Falls hatte es mir diesmal irgendwie mehr angetan, als bei meiner letzten Lesung der Vorlage. Wie auch immer, für mich zählt "Der Baumeister aus Norwood" bislang jedenfalls zu den besseren bis besten Episoden der Serie.
Wertung: 4 von 5 Punkten
Christian Siegel
(Bilder © Granada/ITV)
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