Censor |
Beeindruckendes Regiedebüt von Prano Bailey-Bond
Kategorie:
Filme -
Autor: Christian Siegel - Datum:
Freitag, 01 Oktober 2021 |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Kurzinhalt: Enid arbeitet in den 80ern bei der britischen Zensurbehörde. Es ist ihre Aufgabe, zusammen mit ihren Kollegen Horrorfilme zu sichten, bevor diese auf VHS veröffentlicht werden. Dabei gilt es nicht nur, die Altersfreigabe zu bestimmen, sondern auch allfällig notwendige Schnitte zu definieren, damit die Filme überhaupt erst veröffentlicht werden dürfen. Und manches wird von der Behörde überhaupt gleich verboten – wobei ihr schmerzlich bewusst ist, dass dies nicht zwingend bedeutet, dass die Filme überhaupt nicht verfügbar sind, werden sie dann doch oft in den Videotheken als Raubkopien unter der Hand weitergereicht. Ihre jüngste Aufgabe ist es, sich das neueste Werk des im Genre den Ruf als Mann für ganz besonders dreckige Filme genießenden Regisseurs Frederick North anzusehen. Sie ist schockiert, als die Handlung sie an ihr eigenes Kindheitstrauma erinnert, als sie mit ihrer jungen Schwester im Wald gespielt hat, und diese dann plötzlich verschwand. Mehr noch: Die Hauptdarstellerin sieht so aus, als könnte sie ihre erwachsen gewordene Schwester sein. Und so begibt sich Enid auf die Spuren des geheimnisvollen, zurückgezogen lebenden Regisseurs… Review: "Censor" eilten doch einige Vorschusslorbeeren voraus – und auch wenn die IMDB-Userwertung deutlich macht, dass nicht alle von ihm begeistert waren, aber mich hat Prano Bailey-Bond mit ihrem Regiedebüt voll und ganz überzeugt. Zwar bin ich zu jung (und im falschen Land aufgewachsen), um die hier im Mittelpunkt stehende "Video-Nasty"-Hysterie in England miterlebt zu haben, dennoch hat auch mich – insbesondere in meiner Jugend (wenn auch dort eher bei Computerspielen als Filmen) die Arbeit von Zensurbehörden zwangsläufig immer wieder beschäftigt (denn auch wenn wir in Österreich keine BPjM haben, hatte die Zensur von Medien immer wieder auch Auswirkungen auf die Veröffentlichung hierzulande, da Spiele und/oder Filme für den gesamten deutschen Markt zurechtgestutzt wurden). Und auch wenn ich die Altersfreigaben für definitiv wichtig halte (auch wenn man natürlich im Einzelfall immer wieder mal über die Einschätzungen diskutieren kann), aber die Idee, dass eine Behörde darüber entscheiden kann, darf bzw. sogar soll, was mündigen Erwachsenen zuzumuten ist, fand ich immer schon bestenfalls albern, und schlimmstenfalls ärgerlich. Insofern fand ich den in bzw. mit "Censor" vollzogenen Seitenwechsel– ist Enid doch davon überzeugt, mit ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten – sehr spannend. So interessant der Einblick in die (damalige) Arbeit der Zensurbehörde auch sein mag, und "Censor" in der ersten Viertelstunde generell die Hauptfigur – und ihr Kindheitstrauma – etabliert, so richtig dreht der Film dann natürlich erst auf, sobald sich Enid den jüngsten Film von Frederick North ansieht, und meint, darin nicht nur ihre eigenen Kindheitserfahrungen widergespiegelt zu sehen, sondern auch, in der Hauptdarstellerin ihre erwachsene Schwester zu erkennen. Ab da rückt nun das entsprechende Rätsel, und Enids Suche nach der Wahrheit, in den Mittelpunkt des Geschehens, und eben dies machte "Censor" dann für mich sehr spannend. Wobei an dieser Stelle auch gleich festgehalten sei, dass dies einer jener Filme ist, wo sich der Schrecken doch eher im Kopf abspielt, und der psychologische Horror dominiert. Für mich hat das aber wunderbar funktioniert – wie dann auch das Finale. Insbesondere dieses scheint dann doch sehr kontrovers aufgenommen zu werden, für mich war es aber schlüssig, und doch auch ziemlich erschreckend. Was an "Censor" ebenfalls besticht, ist die tolle Inszenierung von Prano Bailey-Bond, die das Geschehen nicht nur in starken Farben sättigt, sondern es auch versteht, eine beunruhigende Stimmung aufzubauen. Am Ende spielt sie dann zudem bewusst mit einem wechselnden Bildformat, um den zunehmenden Realitätsverlust zu verdeutlichen. Die Musik von Emilie Levienaise-Farrouch trug ebenfalls viel zur Atmosphäre des Films bei. Und dann ist da noch Niamh Algar, die hier wirklich eine phantastische Performance zeigt, und neben Regie und Drehbuch wohl der entscheidendste Erfolgsfaktor von "Censor" ist; weil mit einer weniger talentierten Schauspielerin in der Hauptrolle hätte der wohl nicht einmal halb so gut funktioniert. Für mich ist "Censor" jedenfalls, so umstritten insbesondere auch das Ende sein mag, jedenfalls einer der hervorstechendsten– und auch besten – Horrorfilme des Jahres. Fazit: Mit "Censor" ist Regisseurin Prano Bailey-Bond ein beachtliches Debüt geglückt, dass sie für mich auf Anhieb zu einer der interessantesten neuen Stimmen im Genre macht. Zugegeben dominiert bei "Censor" doch eher der ruhige, psychologische Horror; wer sich also wieder mal so richtig Gruseln will, ist bei anderen Genre-Beiträgen besser aufgehoben. Hier spielt sich der Schrecken doch eher im Kopf – sei es nun des Zuschauers, oder auch von Enid – ab. Das Ende ist dabei zwar durchaus kontrovers, hat für mich persönlich aber sehr gut funktioniert. Der Film besticht darüber hinaus mit Bailey-Bonds stilsicherer, optisch beeindruckender, atmosphärisch dichter und im weiteren Filmverlauf mit einigen netten Einfällen (wie dem wechselnden Bildformat) auftrumpfendes, und für einen Erstling erstaunlich souveräne Inszenierung, sowie einer famosen zentralen Performance von Niamh Algar. Mich hat jedenfalls "Censor", mit der interessanten Hauptfigur, dem spannenden Rätsel rund um das Video, den schönen Bildern, sowie der bedrückenden Stimmung, von Anfang an in den Bann gezogen, und bis zuletzt nicht mehr losgelassen. Wertung:8 von 10 Punkten
Christian Siegel
(Bilder © 2021 Kinostar Filmverleih)
Weiterführende Links: Halloween-SPECiAL 2021
Kommentar schreiben
|