Die Weite der Nacht
Nostalgische Independent-Science Fiction Kategorie: Filme - Autor: Christian Siegel - Datum: Dienstag, 15 Dezember 2020
 
Advents-SPECiAL

 
Die Weite der Nacht
Originaltitel: The Vast of Night
Produktionsland/jahr: USA 2019
Bewertung:
Studio/Verleih: GED Cinema/Amazon Studios
Regie: Andrew Patterson
Produzenten: U.a. Adam Dietrich, Melissa Kirkendall & Andrew Patterson
Drehbuch: Andrew Patterson & Craig W. Sanger
Filmmusik: Erick Alexander & Jared Bulmer
Kamera: M.I. Littin-Menz
Schnitt: Andrew Patterson
Genre: Science Fiction
Internet-Release Deutschland: 29. Mai 2020
Internet-Release USA: 29. Mai 2020
Laufzeit: 91 Minuten
Altersfreigabe: FSK ab 12
Trailer: YouTube
Streamen: Amazon Prime
Mit: Sierra McCormick, Jake Horowitz, Gail Cronauer, Bruce Davis, Cheyenne Barton, Mark Banik u.a.


Kurzinhalt: Die Kleinstadt Cayuga, New Mexico, gegen Ende der 1950er. Fay Crocker arbeitet als Telefonistin. Sie ist mit dem Radio-Moderator Everett Sloan befreundet, der ihr dabei hilft, einen nigelnagelneuen Kassettenrekorder einzuweihen. Als sie dann in der Telefonzentrale ihre Schicht antritt, hört sie auf einer der Leitungen ein seltsames Signal. Während er gerade Musik spielt, ruft sie Everett im Studio an, und spielt ihm das Signal vor. Dieser beschließt daraufhin, es in seiner Sendung auszustrahlen, und seine HörerInnen zu fragen, ob vielleicht jemand sagen kann, worum es sich dabei handelt. Doch was ihnen dann der erste Anrufer, Billy, über dessen Ursprung berichtet, klingt gar unglaublich…

Review: Szenenbild. "Die Weite der Nacht" ist wieder ein Fall, wo ich die Inhaltsangabe bewusst kurz gehalten habe. Ich selbst b in praktisch völlig unvorbereitet in den Film gegangen, und eben diese Gelegenheit möchte ich euch soweit als möglich auch geben – weshalb ich mich auch in diesem Review mit inhaltlichen Details zurückhalten werde. Der Film an sich wurde letztes Jahr bei einigen internationalen Festivals gezeigt, und nach einigen positiven Reaktionen schließlich von Amazon für ihr eigenes Filmangebot gekauft, wo er im Mai 2020 dann weltweit veröffentlicht wurde. Der Film erweist sich dabei als wunderbare Hommage an die Science Fiction-Filme der 50er. Nicht zuletzt beginnt "Die Weite der Nacht" mit einer Anspielung auf "The Twilight Zone", gibt es hier doch ein ganz ähnliches Intro zu sehen und hören – nur dass die Sendung in diesem Fall "Paradox Theatre" heißt. Nach diesem Einstieg fährt die Kamera dann quasi in den TV-Schirm, und wir finden uns in der Handlung selbst wieder.

Was dabei recht bald ins Auge sticht, ist Andrew Pattersons Hang zu langen Einstellungen. Das ist etwas, wofür ich ja ein absolutes Faible habe, weshalb mich der Film schon allein damit gleich mal für sich gewonnen hat. Angefangen beim Einstieg in der Sporthalle, über die lange Sequenz mit Fay in der Telefonzentrale, bis hin zur grandiosen Kamerafahrt – ohne erkennbaren Schnitt – von Fays Standort über die Sporthalle (wo sich fast die kompletten Einwohner der Stadt befinden) bis hin zu Everetts Radiosender. Ich war als ich die Szene war absolut davon überzeugt, dass sie das nur mit Hilfe einer Drohne gedreht haben können, stattdessen kam eine ganz gewöhnliche Kamera zum Einsatz. Ich hab keine Ahnung, wie die das hinbekommen haben (gerade auch die Fahrt aus der Sporthalle hinaus, durchs offene Fenster) – und will es eigentlich auch gar nicht so genau wissen. Manchmal darf Filmmagie ruhig auch einfach Filmmagie bleiben. Was ebenfalls rasch besticht, sind die beiden sympathischen Hauptfiguren. "Die Weite der Nacht" nimmt sich zu Beginn ausreichend Zeit, um sie uns vorzustellen, was wichtig ist, damit wir in weiterer Folge dann mit ihnen mitfiebern. Der Einstieg ist dementsprechend noch eher ruhig und gemütlich, zumindest mir wurde aber auch an dieser Stelle des Films nicht langweilig. Und sobald Fay und Everett auf das Signal aufmerksam werden, dreht "Die Weite der Nacht" dann überhaupt auf. Einerseits aufgrund einiger sehr interessanter inszenatorischer Kniffe – wie z.B., bei Billys Anruf lange nur ein schwarzes Bild zu zeigen, so dass wir uns nur rein auf seine Worte und seine Geschichte konzentrieren; an der Stelle hat "Die Weite der Nacht" etwas von einem Hörspiel. Und andererseits, da es das Rätsel rund um das Signal vermochte, mich rasch zu packen. Und vor allem das Finale ist dann einfach nur ein Hammer. Patterson gelingt es einfach perfekt, über den Verlauf des Films die Spannung zu verdichten, bis einem am Ende dann fast die Luft wegbleibt. Und der Ausgang des Geschehens ist dann auch nochmal ein ganz großer Pluspunkt.

Szenenbild. Dass es trotzdem nicht für eine (noch) bessere Wertung reicht, liegt in erster Linie an zwei größeren Kritikpunkten. Auf der einen Seite ist das die Bildqualität. Ich vermute mal, das lag nicht an den verwendeten Kameras, sondern war eine bewusste künstlerische Entscheidung. Nun habe ich ja nichts dagegen, wenn man ein Bild so verändert, dass es irgendwie alt aussieht, aber in diesem Fall wirkt es in erster Linie einfach nur zu hell. Der Kontrast ist sehr schlecht; Schwarz ist Grau, und die Farben insgesamt sehr blass. Das hat mir die Freude mit dem inhaltlich überaus gelungenen Film leider doch ein wenig verdorben. Der zweite Punkt ist die Idee rund um die Einflussnahme von außen; wobei ich hier bewusst vage bleiben will, um nicht zu viel zu verraten. Aber an einer Stelle präsentiert eine der Figuren eine entsprechende Idee, und auch, wenn es zugegebenermaßen nur Humbug sein könnte (im Film selbst wird es weder bestätigt noch widerlegt) konnte ich damit nicht viel anfangen. Nicht zuletzt, als sowohl unsere Vergangenheit als auch unsere Gegenwart beweisen, dass wir dafür leider keine "Hilfe" von außen brauchen. Insofern wäre es mir lieber gewesen, man hätte auf diesen Gedanken (der ja für den Film ohnehin keine Relevanz hat) verzichtet.

Fazit: In einem Corona-bedingt schwachen Jahr, was Neuveröffentlichungen betrifft, ist "Die Weite der Nacht" nicht einfach nur einer der absoluten Überraschungshits, sondern zählt auch definitiv zu den besten Genre-Filmen 2020. Andrew Patterson ist hier eine wunderbare Mischung aus Alt und Neu, aus Klassisch und Modern, aus Hommage und Eigenständigkeit gelungen. Der Film begeisterte mich dabei in erster Linie mit seinen langen Einstellungen und/oder Kamerafahrten ohne (erkennbaren) Schnitt, die mich so richtig in die Handlung hineinzogen. Darüber hinaus besticht er inszenatorisch durch einige nette Einfälle, wie z.B. den Hörspielcharakter bei Billys Erzählung (dadurch, dass das Bild überwiegend schwarz ist). Zwar braucht "Die Weite der Nacht" zugegebenermaßen ein bisschen, ehe der Film so richtig Fahrt aufnimmt, allerdings beginnt sich die Spannung ab dem zweiten Drittel zunehmend zu verdichten, und steigert sich die Handlung schließlich zu einem ungemein packenden Finale. Ja, das zu helle Bild fand ich etwas schade, und eine bestimmte Idee, die dann ohnehin nicht weiter ausgeführt wird, hätte man sich in meinen Augen schenken sollen. Insgesamt ist "Die Weite der Nacht" aber ein wirklich starker Genre-Eintrag, den man als Science Fiction-Fan unbedingt gesehen haben sollte!

Wertung:8 von 10 Punkten
Christian Siegel
(Bilder © 2020 Amazon Studios)


Weiterführende Links:
Advent-SPECiAL 2020





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