Star Trek - Picard: Die letzte und einzige Hoffnung
Die Vorgeschichte zur neuen Star Trek-Serie Kategorie: Star Trek (Literatur) - Autor: Christian Siegel - Datum: Sonntag, 16 Februar 2020
 
Cover (c) Cross Cult
Titel: "Star Trek - Picard: Die letzte und einzige Hoffnung"
Originaltitel: "Star Trek - Picard: The Last Best Hope"
Bewertung:
Autorin: Una McCormack
Übersetzung: Stephanie Pannen
Umfang: 400 Seiten
Verlag: Cross Cult (D), Pocket Books (E)
Veröffentlicht: 11. Februar 2020
ISBN: 978-3-86425-863-4 (D)
Kaufen: Taschenbuch (D), Kindle (D), Taschenbuch (E), Kindle (E)
 

Kurzinhalt: Astronomen der Föderation entdecken, dass die Sonne des romulanischen Heimatsystems in wenigen Jahren zu einer Supernova wird. Diese wird nicht nur Romulus und Remus, sondern noch zahlreiche weitere Welten des romulanischen Reichs zerstören. Diese gefährdeten Gebiete müssen so rasch als möglich evakuiert und die dort lebenden Romulaner auf andere Planeten umgesiedelt werden. Nur zögerlich gibt die romulanische Regierung zu, dass ihre Messungen ähnliches ergeben, und nehmen die angebotene Hilfe der Föderation – ihres Erzfeindes – doch eher widerwillig an. Die herkulische Aufgabe, die Evakuierungsmission zu leiten, wird Jean-Luc Picard übertragen, der für diese wichtige Mission das Kommando der U.S.S. Enterprise abgibt, und nach einer Beförderung zum Admiral auf der U.S.S. Verity die Evakuierungsflotte anführt. Zeitgleich wird Commander Georgi LaForge damit beauftragt, den Bau einer Schiffsflotte, welche einen Großteil der erforderlichen Evakuierung vornehmen sollen, auf der Schiffswerft Utopia Planitia auf dem Mars zu leiten. Doch ehe die Schiffe einsatzbereit sind, werden noch Jahre vergehen. In der Zwischenzeit tun Admiral Jean-Luc Picard und seine neue erste Offizierin, Raffi Musiker, was sie können, um so viele Romulaner wie möglich aus dem Einflussbereich der Supernova…

Review: Bevor wir zum Roman an sich kommen eine kleine Tirade (ihr seid herzlich eingeladen, diese zu überspringen und erst beim zweiten Absatz weiterzulesen): Mir war und ist zwar grundsätzlich immer bewusst, dass die Romane von Pocket Books nicht offiziell sind. Und gerade auch die ersten, frühen Bücher die zu "Star Trek" erschienen sind widersprachen teilweise der Serie bzw. den Filmen sehr. Da das jedoch weitestgehend unabhängige Romane waren, war der Verlust nicht so groß. In den letzten Jahren machte man sich bei Pocket Books aber daran, nicht einfach nur unabhängige Einzelabenteuer zu erzählen, die halt irgendwann im Verlauf der Serie angesiedelt sind, sondern vielmehr, Kontinuitätslücken zu füllen (wie z.B. mit der "A Time to"-Reihe, die vor "Nemesis" angesiedelt ist), bzw. die Geschichte aus den Serien und Filmen weiterzuerzählen, beginnend mit der sogenannten "Zweiten Dekade" von "The Next Generation" (die uns in weiterer Folge mit der "Destiny"-Trilogie eine der besten "Star Trek"-Romanreihen überhaupt einbrachte, wo nicht nur der Ursprung der Borg geklärt, sondern auch die Geschichte rund um diese Bedrohung auf so dramatische wie packende Art und Weise ein für alle Mal abgeschlossen wurde), über die achte und neunte Staffel von "Deep Space Nine", bis hin zur mit "Heimkehr" beginnenden Fortsetzung von "Voyager". Davon ausgehend, dass wohl nach "Nemesis" keine weitere Fortsetzung mehr kommen würde, hat man als an den Romanen interessierter "Star Trek"-Fan in den nachfolgenden Jahren hunderte von Euro dafür ausgegeben, um eben zu erfahren, wie es weitergeht. Der "Star Trek"-Reboot-Film von 2009 drohte, in Verbindung mit dem "Countdown"-Comic, da schon dazwischenzufunken, war jedoch noch kein großer Beinbruch. Aber, natürlich: Jetzt kommt auf einmal doch eine Fortsetzung zu TNG daher, und all diese teils wirklich tollen Geschichten sind plötzlich nichts mehr wert, und es stellt sich heraus, dass man das Geld für Fan Fiction ausgegeben hat. Das allein könnte ich ja noch akzeptieren. Nun aber erst recht wieder einen neuen Roman mit der angeblich offiziellen Vorgeschichte zu "Picard" rauszubringen und somit den Fans wieder Geld aus der Tasche zu ziehen, ist halt schon ziemlich frech. Am meisten ärgert mich daran aber, dass es – auch bei mir – funktioniert. Denn natürlich habe ich mir "Die letzte und einzige Hoffnung" gleich am ersten Tag wo er verfügbar war auf meinen Kindle geladen, um loszulesen. Trotzdem ärgert mich diese zynische Herangehensweise schon ziemlich. "Danke für das Kaufen der Bücher in den letzten Jahren! Allerdings stimmt das was da drin steht alles nicht. Wenn ihr wissen wollt, was wirklich passiert ist, kauft den hier!"

So, Frust abgebaut, kommen wir nun zum Roman an sich. Das mit Una McCormack und mir ist ja so eine Sache. Einige ihrer Romane fand ich wirklich klasse, andere eher weniger; vor allem ihr recht eigenwilliger Schreibstil, teilweise mit Anmerkungen einer Art objektiven Erzählers, fand ich manchmal doch ein bisschen ungewohnt und schwierig. Zugleich hat sie sich aber in den letzten Jahren als Expertin für anspruchsvollere Stoffe gemausert, die vor allem auch einen kritischen Blick auf unsere Gesellschaft werfen – und war damit wohl eben auch die richtige Wahl, um just diese Vorgeschichte nur jüngsten "Star Trek"-Serie "Picard" auf Papier zu bringen. Und tatsächlich: "Die letzte und einzige Hoffnung" ist ein sehr guter Roman geworden, der mir letztendlich auch besser gefiel, als die Summe der ersten vier Folgen der Serie. Tatsächlich denke ich mittlerweile, dass das wohl für die erste Staffel der Serie die bessere Geschichte gewesen wäre, und man sich das mit Picards Rehabilitation und der Rettung von Datas "Tochter" für Season 2 hätte aufheben sollen. Die Geschichte hier ist einfach so viel interessanter, dramatischer, und vor allem steht halt auch wesentlich mehr auf dem Spiel. Zudem bietet sie genau jenen Bezug zu unserer aktuellen Gesellschaft, den ich bei "Star Trek" seit Kurtzman am Ruder ist (sprich, sowohl bei "Discovery" als bislang leider auch überwiegend "Picard") vermisse. "Die letzte und einzige Hoffnung" behandelt auf der einen Seite die Flüchtlingskrise, aber auch machtgeile Politiker, die eine solche Katastrophe für ihre eigenen Zwecke nutzen, sowie in der Art und Weise wie die Berichte ob der bevorstehenden Supernova heruntergespielt und/oder den Daten der Wissenschaftler kein Glauben geschenkt wird, auch der Klimakrise. Bis auf die Flüchtlingsthematik ist dies dabei alles sehr subtil und nie aufgesetzt; der Subtext ist da, man wird aber nicht mir der Moralkeule erschlagen. Und so hält Una McCormack unserer Gesellschaft einen Spiegel vor, und mahnt uns dazu, Menschen in Not nicht einfach so im Stich zu lassen. Das fand ich wirklich sehr stark und eindringlich; umso bedauerlicher, dass wohl just jene, für die diese Message gedacht ist, "Die letzte und einzige Hoffnung" nicht lesen werden (zumindest fällt es mir schwer, mir einen "Star Trek"-Wutbürger vorzustellen; auch wenn ich mir sicher bin, dass es das ebenfalls gibt).

Sehr gut gefallen hat mir auch, wie dieser Roman die Serie in meinen Augen tatsächlich aufwertet, so manche Lücke füllt, bezüglich der Rettungsmission viel näher ins Detail geht als das in den Flashbacks der Serie natürlich möglich war, und Una McCormack generell auf perfekte Art und Weise um die dort gesehenen Szenen quasi herumschreibt. Ja, ich weiß schon, genau genommen ist auch "Die letzte und einzige Hoffnung", wie alle Romane und Comics, wieder einmal nicht Kanon. Sprich, man darf sich nicht darauf verlassen, dass sich die weiteren Episoden bzw. auch die bereits bestätigte zweite Staffel, sollte man die Ereignisse rund um die Supernova noch einmal aufrollen, an das was von Una McCormack hier geschrieben wurde halten werden. Aus ihrer Sicht hat sie aber alles getan, damit sich ihre Geschichte perfekt in die Puzzleteile aus der Serie einfügt. Sei es der Besuch von Jean-Luc auf Vashti, kurz bevor ihn die Information ob des Angriffs der Synthetics auf dem Mars ereilt, oder auch jener schicksalshafte Tag, wo Admiral Jean-Luc Picard die weitere Zukunft der Rettungsmission besprach, und sich schließlich gezwungen sah, in einem letzten, verzeifelten Bluff seinen Rücktritt anzubieten – nur um zu erleben, wie dieser ohne dass die Führung der Sternenflotte auch nur mit den Wimpern gezuckt hätte angenommen wird. Vor allem letzterer Moment war entscheidend, und ein bisschen frage ich mich ja schon, warum uns der in der Serie nur erzählt, aber nicht gezeigt, wurde. So erlaubte man es Una McCormack aber eben, was das betrifft in die Tiefe zu gehen. Generell gab es ein paar wirklich interessante Hintergrundinformationen. So muss ich gestehen, dass mich das mit den Synthetics als moderne Sklavenarbeiter in "Karten und Legenden" doch etwas irritiert hat. Hier jedoch erklärt die Autorin, dass diese eine direkte Folge der romulanischen Krise war. Es war einfach die einzige Möglichkeit, um in der kurzen verbliebenen Zeit all diese Schiffe zu bauen. Darüber hinaus erfahren wir auch ein paar nette kleine Schmankerl, wie z.B., wer nach Picards Weggang von der Enterprise das Kommando über das Flagschiff übernommen hat, oder auch – wie schon beim "Countdown"-Comic – dass Commander LaForge den Bau der Flotte auf dem Mars leitete. Zudem erfahren wir hier, dass Agnes Jurati und Bruce Maddox eine tiefere Beziehung verbindet, als das bislang (Stand Folge 4) in der Serie offenbart wurde – was wiederum meine Neugier auf die nächste Folge erhöhte.

Vor allem aber gibt "Die letzte und einzige Hoffnung" dieser ganzen Rettungsmission, von der wir in der Serie nur einen höchst flüchtigen Eindruck gewonnen haben, ein Gesicht, und zugleich auch mehr Gewicht. Es ist einfach etwas ganz anderes, Picards und Musikers Anstrengungen – und auch die Hürden, die sie überwinden mussten – persönlich mitzuerleben. Auch damit ist es McCormack gelungen, die Serie für mich noch einmal aufzuwerten. Was ihr dabei aber leider auch nicht gelungen ist, ist die Frage zu beantworten, warum Jean-Luc Picard nachdem die Sternenflotte seinen Rücktritt akzeptierte aufgegeben hat, und sich wie ein geprügelter Hund (oder auch eine beleidigte Leberwurst) auf das Weingut seiner Familie zurückgezogen hat, statt außerhalb der Sternenflotte, mit privaten Schiffen, seine Anstrengungen fortzusetzen (was eigentlich auch besser zum sowohl in der Serie als auch dem Roman vorgebrachten Vergleich mit Dünnkirchen gepasst hätte). Geschweige denn, warum er den Kontakt zu Zani, Elnor und Raffi so völlig abgebrochen hat. Ich hoffe ja wirklich, dass diesbezüglich im Verlauf der Serie nochmal eine Erklärung kommen wird, die mir diese Entscheidung seinerseits plausibel machen wird. Auffällig ist zudem, dass es Kurtzman scheinbar nicht einmal schafft, mit sich selbst Kontinuität zu wahren. So hat Spock hier zwar einen kurzen Auftritt, aber sein Einsatz rund um die rote Materie, um die Supernova aufzuhalten, wird mit keinem Wort erwähnt. Weder als Plan an sich, noch dass es ihm gelungen wäre, die Welle aufzuhalten und damit Welten zu retten, oder auch, dass die Supernova drohte, die gesamte Milchstraße – und damit eben auch die Erde – zu verschlingen. Heißt das, der Spock aus "Star Trek" kam erst recht wieder aus einer anderen Zeitlinie? Weil dann hätten wir schon die insgesamt dritte (bzw. mit den Büchern vierte, und wenn man die Zukunftsvision aus "Gestern, Heute, Morgen" als real ansieht sogar fünfte). Und auch meine Frage, ob die Supernova nun 2587 (wie in "Star Trek" behauptet) oder 2589 (laut "Gedenken") stattfand, blieb auch durch "Die letzte und einzige Hoffnung" unbeantwortet – wobei das zugegebenermaßen eher eine Frage für Kurtzman bzw. die Serienmacher ist, als für Una McCormack.

Fazit: Mit "Die letzte und einzige Hoffnung" ist es Una McCormack nicht einfach nur gelungen, mit ihrer Vorgeschichte zur jüngsten "Star Trek"-Serie diese für mich noch einmal deutlich aufzuwerten, sondern auch, die bisherigen vier Episoden zu übertreffen. Letztendlich ist diese riesige Mission zur Rettung eines kompletten Volkes halt wesentlich spannender und interessanter, als Picards Versuch in der Serie, sich durch die Rettung eines einzelnen Lebewesens zu rehabilitieren. Der – aus der Serie bereits bekannte – tragische Ausgang des Geschehens wertete die Story noch zusätzlich auf, wie auch die von Una McCormack bewusst gesetzten Parallelen zur Gegenwart. Und so hätte ich es eigentlich vorgezogen, wenn das die erste Staffel der Serie gewesen wäre. Darüber hinaus gelingt es ihr ausgesprochen gut, quasi um die Serie herumzuschreiben, und einige der dortigen Lücken zu füllen. Picards Verhalten nach seinem Rücktritt bleibt mir jedoch auch nach dem Lesen von "Die letzte und einzige Hoffnung" ein Rätsel. Und auch der eine oder andere Kontinuitätsfehler zu "Star Trek" – wenn der auch eher den Serienmachern zuzuschreiben ist, denn Una McCormack – macht sich negativ bemerkbar. Insgesamt ist "Die letzte und einzige Hoffnung" aber ein wirklich starker und toller Roman; bleibt nur zu hoffen, dass dieser nicht das Schicksal der ganzen anderen, bisherigen Fortsetzungs-Romane zu "Star Trek" erleiden und im Gegensatz zu diesen auch von den Serienmachern in den Kanon-Status erhoben wird. Was er sich schon allein aufgrund der Art und Weise, wie er die Serie für mich aufwertet, mehr als nur verdient hätte.

Bewertung: 4/5 Punkten
Christian Siegel





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