Raw |
Wird dem Skandalfilm-Hype nur bedingt gerecht
Kategorie:
Filme -
Autor: Christian Siegel - Datum:
Freitag, 27 Oktober 2017 |
|||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Kurzinhalt: Justine folgt ihrer älteren Schwester Alexia an die medizinische Universität von Paris. Das Aufnahmeritual, dass dort für neue StudentInnen abgehalten wird, verstört sie jedoch: Wird sie doch dazu gezwungen, das rohe Herz einer Maus zu essen. Das allein wäre schon schlimm und grauslich genug, aber zu allem Überfluss ist Justine auch noch strikte Vegetarierin. Trotzdem gibt sie, nicht zuletzt auf Drängen von Alexia, dem Druck der Gruppe nach. Schon bald beginnt sie diese Entscheidung zu bereuen. Nicht nur wegen des heftigen Ausschlags, den sie als allergische Reaktion auf den Konsum des frischen Fleischs entwickelt, sondern auch, weil sie nun nichts anderes mehr Essen kann. Ihr Körper verzehrt sich geradezu nach rohem Fleisch – und das nicht nur von Tieren, sondern vor allem auch von Menschen… Review: "Raw" ist einer dieser Filme, die bereits vor mehr als einem Jahr auf diversen internationalen Festivals(Premiere feierte er 2016 in Cannes) gezeigt wurden, und denen von eben diesen Screenings ein gewisser Ruf vorauseilt, der in Verbindung mit dem langem Zeitraum den es gedauert hat, bis der Film endlich zu uns gelangte, hierzulande in bestimmten Horror-affinen Kreisen doch einen gewissen Hype ausgelöst hat. So gab es bei "Raw" – wieder einmal – Berichte von Leuten, welche die Vorstellungen mittendrin verließen, ihn Ohnmacht fielen usw., weil das Gezeigte gar so grauslich sein soll. Ein solcher Skandalfilm-Hype tut den wenigsten Filmen gut – nicht zuletzt, da dieser eben auch in erster Linie jene Zielgruppe anspricht, die abgehärteter ist, und somit diese geschockten Reaktionen wohl nur bedingt nachvollziehen kann – und so sehr ich mich auch bemühte, ihn auszublenden, leidet in meinen Augen auch "Raw" wieder darunter. Nicht falsch verstehen: Er hat schon vereinzelte Momente, die auch mir nicht wurscht waren, und wo's mich ein bisschen zusammengekrampft hat (dies gilt vor allem fürs "Fingerfood"). In Großen und Ganzen war er aber deutlich harmloser, als ich das sowohl aufgrund der Inhaltsbeschreibung als auch den damaligen, ersten Reaktionen erwartet hätte. Und auch vom reinen Schock- und Graus-Faktor abgesehen hatte ich mir von ihm mehr erhofft. Am Positivsten stachen für mich die schauspielerischen Leistungen hervor. Insbesondere die Performance der Hauptdarstellerin Garance Marillier war beachtlich, spielt sich doch den Zwang unter dem sie zunehmend leidet, und den damit einhergehenden inneren Zwiespalt, sehr eindringlich. Es gab zudem wie schon erwähnt den einen oder anderen Moment, der auch mich nicht kalt gelassen hat, wie eben die bereits angesprochene Szene, als sich Justine zum ersten Mal an Menschenfleisch probiert (die zudem in einem herrlich schwarzhumorigen Moment mündete). Und die Thematik an sich war schon auch interessant, wobei Justines "Fleischeslust" natürlich auch als Analogie auf alle möglichen zwanghaften Dränge verstanden werden kann, und nicht nur auf Kannibalismus. Und elegant inszeniert war "Raw" auch; durch die teils wunderschönen Bilder im Vergleich mit dem doch eher abstoßenden Inhalt ergabt sich stellenweise ein schöner Kontrast. Jedoch: Wirklich gefangen nahm mich der Film leider nie. Dies mag unter anderem daran liegen, dass mir der Film teilweise – u.a. was die Zustände an der Uni betrifft – zu übertrieben dargestellt schien, und ich mich daher nie so ganz auf ihn einlassen konnte (zumindest hoffe ich sehr, dass die Darstellung des Mobbings dort nicht der Realität entspricht, weil sonst kommen da ja nur Psychopathen raus). Ich fand ihn zudem nur leidlich spannend und abseits vereinzelter Momente doch eher harmlos und wenig erschreckend. Marine de Vans "In My Skin" hat eine ähnliche Thematik, wie ich finde, um einiges eindringlicher erzählt. Vor allem aber wars bei mir der Twist am Ende, der viel verhaut hat. Dabei handelt es sich weniger um eine klassische überraschende und/oder schockierende Wendung, sondern eher um eine Offenbarung – die ich persönlich aber so dämlich, lächerlich und damit unfreiwillig komisch fand, dass ich mich echt zusammenreißen musste, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. Und ich lehne mich jetzt mal weit aus dem Fenster und behaupte, dass das nicht die Reaktion war, die Julia Ducournau – sei es im Hinblick auf das Ende, oder auch den Film generell – provozieren wollte. Fazit: Wer vor hat, sich "Raw" bei Gelegenheit mal anzusehen, sollte sein Möglichstes tun, um den Hype der ihm nach seiner Premiere in Cannes teilweise entgegenschlug auszublenden – weil seinem Ruf als Skandalfilm wird er in meinen Augen nur bedingt gerecht. Ja, es gibt vereinzelte Szenen, die ein bisschen grauslich waren, im Großen und Ganzen hat er mich aber leider erschreckend kalt gelassen, und fand ich ihn doch eher harmlos. Positiv machten sich bei mir in erster Linie einzelne unter die Haut gehende und/oder schwarzhumorige Momente, die elegante Inszenierung (welche den abscheulichen Inhalt in schönen konstrastrierenden Bildern erzählt), die interessante Thematik, sowie die schauspielerischen Leistungen, wobei was Letzteres betrifft vor allem Garance Marillier in der Hauptrolle besticht, die den zunehmenden zwanghaften Drang ihrer Figur sehr eindringlich vermittelt. Demgegenüber stehen die mangelnde Spannung, die teils (bzw. hoffentlich) übertriebene Darstellung des Lebens an der Uni, sowie vor allem der dämliche End-Twist, der mit den Film in letzter Sekunde doch nochmal ordentlich verdorben hat. Wer mal wieder Appetit auf diese Art Film verspürt, kann sich diesen cineastischen Happen zwar ruhig mal zu Gemüte führen – eine Delikatesse sollte man sich aber nicht erwarten. Wertung:5 von 10 Punkten
Christian Siegel
(Bilder © 2017 Universal Pictures)
Mitreden! Sagt uns eure Meinung zum Film im SpacePub! Weiterführende Links: Halloween-SPECiAL 2017
Kommentar schreiben
|