Sherlock Holmes: Eine Studie in Scharlachrot
Sherlock Holmes erster literarischer Einsatz Kategorie: Literatur & Comics - Autor: Christian Siegel - Datum: Samstag, 07 Januar 2017
 
Titel: "Sherlock Holmes: Eine Studie in Scharlachrot"
Originaltitel: "Sherlock Holmes: A Study in Scarlet"
Bewertung:
Autor: Sir Arthur Conan Doyle
Übersetzung: Gisbert Haefs
Umfang: 160 Seiten
Verlag: Haffmans
Veröffentlicht: 1984 (D, Haffmans Verlag) bzw. 1887 (E, Beeton's Christmas Annual)
ISBN: 978-3-251-20100-X
Kaufen: Taschenbuch (D), Taschenbuch (E)
 

Kurzinhalt: Verwundet kehrt der Armeearzt Dr. Watson aus dem zweiten Afghanistan-Krieg nach London zurück, wo es seine finanzielle Situation schon bald erfordert, sich eine neue Wohnung zu suchen. Von einem Freund erfährt er, dass ein zwar kultivierter, jedoch auch recht sonderbarer Herr namens Sherlock Holmes gerade einen Mitbewohner für seine Wohnung in 221B Baker Street sucht. Man ist sich auf dem ersten Blick sympathisch, und so beschließen die beiden, fortan gemeinsam zu wohnen. Anfänglich ist Dr. Watson von seinem Mitbewohner sehr irritiert. Manchmal strotzt er förmlich vor Energie, dann verfällt er wieder in eine tagelange Lethargie und verharrt nur regungslos in seinem Sessel. Nach ein paar Wochen weiht ihn Holmes dann schließlich in seine Tätigkeit ein: Er fungiert als beratender Detektiv, welcher der Polizei und anderen Klienten immer dann mit Rat und Tat zur Seite steht, wenn diese in einem Fall nicht weiterkommen. Dabei bedient er sich der Wissenschaft der Deduktion, bei der durch genaue Beobachtung und entsprechende Kombination verblüffende Schlüsse gezogen werden können. Sein Mitbewohner hält dies anfänglich für Humbug. Doch als Scotland Yard bei einem besonders verzwickten Mordfall vor einem Rätsel stehen, bekommt Sherlock Holmes Gelegenheit, Dr. Watson von seinen Fähigkeiten zu überzeugen…

Vorwort: Elementar, liebe Leser! Vor 130 Jahren schuf Sir Arthur Conan Doyle mit Sherlock Holmes die wohl bekannteste und populärste Figur der Krimi-Literatur. Seither folgten nicht nur einige Autoren in seine Fußstapfen, um weitere Abenteuer des beratenden Detektivs zu verfassen, sondern es wurden auch unzählige TV- und Film-Adaptionen, Computerspiele usw. erschaffen. Keine andere literarische Figur kann auf so viele TV- und Leinwand-Einsätze zurückblicken, wie Sherlock Holmes. Grund genug, um uns im Jubiläumsjahr eingehender mit ihrem literarischen Ursprung zu befassen. Im Verlauf dieses Jahres werden wir uns die neun offiziellen Bände von Sir Arthur Conan Doyle vorknöpfen; seine vier Romane, sowie die fünf Kurzgeschichten-Sammlungen. Dabei greifen wir auf die zu recht vielgepriesene, überaus sorgfältige, und vor allem werksgetreue und unzensierte deutsche Übersetzung von Gisbert Haefs zurück (in der gebundenen Ausgabe des Haffmans-Verlags), die wir allen deutschen Fans von Sherlock Holmes nur wärmstens ans Herz legen können. Das Spiel beginnt!

Review: Zwar bin ich schon seit Kindheitstagen Fan von Sherlock Holmes, dies war jedoch genau genommen ausschließlich seinen Film- und Fernseh-Auftritten zu verdanken (wobei mich vor allem die BBC-Serie mit Jeremy Brett, die damals auf ZDF ausgestrahlt wurde, faszinierte). Erst in meinen Zwanzigern knöpfte ich mir die literarische Vorlage zum ersten Mal vor – und hatte dabei gleich das Glück, auf die originalgetreue Ausgabe des Haffmans-Verlags zu stoßen. "Eine Studie in Scharlachrot" gelang es dann auch rasch, mich auch für Sir Arthur Conan Doyles Vorlage einzunehmen, wobei ich nun bei dieser wiederholten "Lesung" (es dürfte die dritte oder vierte gewesen sein) sogar noch eine Spur begeisterter war. Irgendwie wusste ich Doyles gehobenen und teils gewitzten Schreibstil diesmal mehr zu schätzen, als damals. "Eine Studie in Scharlachrot" ist nämlich alles andere als eine trockene Erzählung, sondern zwischendurch immer wieder mit einiges an Humor und amüsanten Spitzen angereichert (wie z.B. "Unter diesen Umständen zog es mich natürlich nach London, der großen Senkgrube, wo alle Faulenzer und Müßiggänger des Empires unweigerlich abgelagert werden."). Auch die gehobene, für die damalige Gesellschaft typische Sprache und Ausdrucksweise hatten es mir von Anfang an angetan. Zudem wird hier das Grundkonzept der Reihe etabliert, dem Doyle in weiterer Folge treu bleiben sollte: So wird uns das damalige Geschehen von Dr. Watson geschildert, dessen Aufzeichnungen wir hier nun vor uns haben. Einzig im letzten Drittel vollzieht Doyle – wie auch noch in zwei weiteren seiner Romane – einen Bruch, was die Erzählperspektive betrifft. Aber dazu gleich noch mehr.

"Eine Studie in Scharlachrot" gliedert sich im Wesentlichen in drei Teile: das erste Drittel ist der Vorstellung der Figuren gewidmet. Im zweiten Rücken Sherlock Holmes' Ermittlungen in den Mittelpunkt. Und im letzten werden dann die Hintergründe des Verbrechens aufgedeckt. Eben diese Betrachtung des Aufbaus macht es schon deutlich: Der eigentliche Kriminalfall nimmt bei "Eine Studie in Scharlachrot" erstmal noch eine vergleichsweise geringe, wenn nicht gar unbedeutende Rolle ein. Dies mag den einen oder anderen vor den Kopf stoßen und hat mir, als ich den Roman zum ersten Mal las, auch nicht 100%ig geschmeckt. Mittlerweile habe ich diesen Aufbau aber schätzen und lieben gelernt; und dabei vor allem das gerade kurz angesprochene, letzte Drittel. Natürlich spielt das Motiv in Kriminalromanen immer eine wichtige Rolle, da es dieses letztendlich ja auch festzustellen gibt, um den Mörder festnageln zu können. Doch meist wird dies mit ein paar Sätzen oder vielleicht noch einer kurzen Schilderung des Täters abgetan. Hier jedoch räumt Sir Arthur Conan Doyle dem Grund für das Verbrechen gleich mehrere Kapitel ein. Dabei mag er die Erzählstruktur durchbrechen und einen ziemlich radikalen Schwenk vollziehen, allerdings werden die damaligen Ereignisse derart packend und aufwühlend geschildert, dass dieser Teil für mich letztendlich das Highlight des Romans darstellt. Jedenfalls machen es die hier geschilderten Ereignisse leicht, die Taten des Mörders nachzuvollziehen, wenn nicht gar zu entschuldigen. Auch dies ist für einen Kriminalroman ein durchaus interessanter Ansatz, da hier – so könnte man argumentieren – "lediglich" ein vorheriges, noch größeres Unrecht gesühnt wird.

Aber auch der Einstieg war schon sehr gelungen, stellt uns Doyle die tragenden Figuren – Sherlock Holmes und John Watson – ausführlich vor. Watson ist uns dabei mit seiner Feinfühligkeit rasch sympathisch, während Holmes mit seinen beeindruckenden Fähigkeiten der Deduktion zu begeistern weiß. Natürlich mag er da und dort, trotz aller gegenteiliger Versicherung – auf etwas Glück bei seinen Annahmen angewiesen sein. Dennoch kann man sein detektivisches Genie durchaus schon bei seinem ersten Auftritt nachvollziehen. Wenn es einen kleineren Schwachpunkt an "Eine Studie in Scharlachrot" gibt, dann ist dies wohl der Fall selbst. Zwar kann auch dieser mit dem einigen oder anderen netten Einfall aufwarten, was dessen Aufbau betrifft. So sticht z.B. der doppelte Hering rund um das an die Wand geschriebene Wort "Rache" hervor, welches von den Detektiven von Scotland Yard ursprünglich als der nicht vollständig geschriebene Name "Rachel" angesehen wird, während Holmes dann zwar die richtige Bedeutung aufdeckt (die sich einem als deutscher Leser halt von vornherein erschließt, da der Sprachwechsel hier verloren geht; das ist letztendlich aber unvermeidbar), diese sich letztendlich jedoch ebenfalls als Finte herausstellt. Damit hat man hier quasi einen doppelten roten Hering. Auch Holmes Ermittlungen rund um den Kutscher usw. wissen durchaus zu gefallen. Vor allem aber – und eben dies macht einen guten Krimi letztendlich auf – ist die Auflösung des Mordes am Ende schlüssig und stimmig. Überwiegend ausgeklügelt ist der Fall letztendlich aber nicht, und ich muss gestehen, dass mich selbst heute noch die Idee des Mörders mit den zwei Pillen, der seinem vermeintlichen Opfer die freie Wahl überlässt, nicht 100%ig überzeugt. Letztendlich sind das jedoch vernachlässigbare Kleinigkeiten, die den Lesegenuss kaum trüben.

Fazit: "Eine Studie in Scharlachrot" ist ein überaus gefälliges Debüt meines absoluten Lieblings-Romandetektivs. Der Roman besticht von Anfang an einerseits mit seinen Figuren, und andererseits mit Doyles tollem, gehobenen und teils überraschend gewitzten Schreibstil, die allesamt von Gisbert Haefs perfekt ins Deutsche übertragen werden. Weiters stach für mich das letzte Kapitel hervor, wo sich Doyle in einer ausführlichen Rückblende der Motivation des Täters widmet – auch dies für einen Krimi eher ungewöhnlich. Einzig der Fall an sich ist jetzt nicht unbedingt der ausgeklügeltste; hier ließ sich Sir Arthur Conan Doyle für die weiteren Abenteuer von Sherlock Holmes noch Luft nach oben. Insgesamt ist "Eine Studie in Scharlachrot" aber ein wunderbarer Kriminalroman, und ein absolut bestechendes, unterhaltsames und überzeugendes Debüt des ebenso genialen wie eigenwilligen Detektivs.

Bewertung: 4.5/5 Punkten
Christian Siegel
Umschlagbild © 1984 Haffmans Verlag





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