Star Wars: Kopfgeld auf Han Solo
Sechs Kopfgeldjäger, fünf Abenteuer… Kategorie: Literatur & Comics - Autor: Christian Siegel - Datum: Sonntag, 02 Oktober 2016
 
Titel: "Kopfgeld auf Han Solo"
Originaltitel: "Tales of the Bounty Hunters"
Bewertung:
Herausgeber: Kevin J. Anderson
Übersetzung: Heinz Nagel
Umfang: 407 Seiten
Verlag: Blanvalet (D), Bantam Books (E)
Veröffentlicht: Oktober 1998 (D), Dezember 1996 (E)
ISBN: 978-3-442-25008-0
Buch kaufen: Taschenbuch (D), Kindle (D), Taschenbuch (E)
 

Review: Nach der Kurzgeschichten-Anthologie zum ersten "Star Wars"-Film, "Sturm über Tatooine", der den zahlreichen Besuchern der Mos Eisley-Cantina Leben einhauchte, wandte man sich für ein ähnliches Projekt zu "Das Imperium schlägt zurück" den Kopfgeldjägern zu, die von Darth Vader damit beauftragt werden, Jagd auf Han Solo und den Millennium Falken zu machen. Statt stolzen sechzehn Kurzgeschichten, die teilweise wenig Raum für eine richtige Geschichte boten, und oftmals eher kurzen Vignetten ähnelten, hat man diesmal ausreichend Zeit bzw. Platz, um sich den einzelnen Kopfgeldjägern näher zu widmen, und den interessant aussehenden Figuren, die in "Das Imperium schlägt zurück" jedoch – abseits von Boba Fett – nur ein paar Sekunden zu sehen waren, eine Hintergrundgeschichte auf den Weg zu geben. Die Stories sind dabei sowohl vom Aufbau als auch der Qualität her unterschiedlich. Manche beschränken sich ein Abenteuer rund um die titelspendende Kopfjagd auf Han Solo, andere gehen in die Vergangenheit oder auch Zukunft der Figuren, und bringen uns diese so näher. Wie schon bei "Sturm über Tatooine" fand ich dieses Konzept sehr interessant, wobei "Kopfgeld auf Han Solo" für mich auch davon profitierte, dass man sich den einzelnen Jägern ausführlicher widmen konnte.

Den Anfang macht bereits eine der besten Geschichten der Sammlung, nämlich die von Herausgeber Kevin J. Anderson verfasste Kurzgeschichte "Deshalb bin ich: Die Geschichte von IG-88", die ich ungemein faszinierend fand. Sowohl den Ursprung der Attentäterdroiden, ihr Plan, die Galaxis zu erobern, sowie ihr ultimatives Schicksal. Zudem war die Geschichte wirklich sehr gut geschrieben, und jederzeit packend und interessant. Ein Maßstab, an den die meisten seiner hier mithelfenden Kollegen leider nicht mehr herankam. Dies gilt u.a. auch für Dave Wolverton, wenn sich dieser auch mit "Payback: Die Geschichte von Dengar" eh noch halbwegs gut schlägt. Sonderlich interessant fand ich jedoch leider weder die Figur, noch die Story, die hier erzählt wird. Am ehesten bleibt einem wohl die Offenbarung am Ende im Gedächtnis, dass Boba Fett seinen Aufenthalt im Sarlacc überlebt hat. Generell konnte mir gerade auch der letzte Teil der Geschichte, der sich dann rund um die Ereignisse in Jabba's Palast in "Rückkehr der Jedi-Ritter", noch mit am besten gefallen. Nicht zuletzt, da diese quasi als Gegenstück zur – bereits ein paar Monate zuvor veröffentlichten – Kurzgeschichtensammlung zum dritten "Star Wars"-Film, "Palast der dunklen Sonnen" – funktioniert. Insgesamt war die Geschichte also ok, wobei vor allem das Finale für mich wieder einiges an Boden gutmachte – auch wenn man sich fragt, warum Jabba für Dengar eine andere Art der Exekution wählen sollte, als ihn ebenfalls in den Sarlacc zu werfen, und diese Geschichte, wie dann auch jene rund um Boba Fett, den Eindruck macht, dass "Die Rückkehr der Jedi-Ritter" praktisch direkt an "Das Imperium schlägt zurück" anknüpfen würde – und das, obwohl "Schatten des Imperiums" zu diesem Zeitpunkt bereits veröffentlicht war, der auch deutlich machte, dass deutlich mehr Zeit verstrichen ist (was aber eigentlich auch Lukes Entwicklung bereits andeutete).

Wenn ich schon bei Kontinuitätsproblemen bin, kann ich gleich noch auf den ziemlich schrägen Umstand hinweisen, dass Darth Vaders Anweisung an die Kopfgeldjäger, obwohl alle Geschichten (angeblich) vom gleichen Übersetzer bearbeitet wurden, unterschiedlich übersetzt wurden, was mich dann doch ein bisschen herausgerissen hat. Mal heißt es "Keine Atomisierung", dann wieder "Keine Desintegration". Es wäre nett gewesen, wenn sich der Übersetzer hier für eine Variante – bevorzugterweise die aus der deutschen Synchronfassung bekannte – entschieden hätte. Aber zurück zu den Geschichten an sich: "Der Pelz: Die Geschichte von Bossk" fand ich von den hier versammelten Stories mit Abstand am schwächsten. Ein weiteres, im Film nicht vorkommendes, Kopfgeldjägerpaar wird erfunden, dass die Gelegenheit nutzt, um den in erster Linie als Wookiee-Pelzjäger Tossk in eine Falle zu locken. Für meinen Geschmack erfuhr man zu wenig über Bossk an sich, zudem war mir die Geschichte von den Ereignissen in "Das Imperium schlägt zurück" dann doch zu losgelöst. Es war ok, man konnte es lesen, aber als jemand, der gerade auch Bossk optisch interessant fand, war ich doch eher enttäuscht. Deutlich besser wird es dann schon wieder mit "Zukungsvarianten: Die Geschichte von Zuckuss und 4-LOM". Sowohl die Darstellung der beiden Figuren und ihrer ganz speziellen Fähigkeit, bzw. auch ihrer Partnerschaft, als auch die hier erzählte Geschichte konnten mir gefallen. Anfangs mag man zwar ein bisschen vom ausgedehnten Subplot rund um einen flüchtenden und von den Imperialen abgefangenen Rebellentransporter irritiert sein, recht bald zeigt sich aber, wozu dieser gut ist, und man erkennt, dass beide Geschichten letztendlich zusammenlaufen werden. Und vor allem auch den Ausgang des Geschehens fand ich sehr interessant.

Ich selbst war zwar nicht der allergrößte Fan von Boba Fett, und hab den Hype um die Figur nie so recht verstanden, aber selbst ich hatte an die abschließende Geschichte "Der letzte, der auf den Beinen bleibt: Die Geschichte von Boba Fett" doch recht hohe Erwartungen. Wenn man die Anthologie heutzutage liest, muss man sich dabei allerdings damit abfinden, dass die hier erzählte Vorgeschichte rund um Boba Fett den Prequels völlig widerspricht. Hierzu muss man sich in Erinnerung rufen, dass anno 1996 über den Kopfgeldjäger einfach noch nichts bekannt war, und niemand wissen konnte, dass George Lucas in "Angriff der Klonkrieger" aufgrund der Popularität der Figur seine Herkunft erzählen würde. Dementsprechend dachten die Autoren damals, sie hätten völlige Freiheit, um mit der Figur zu spielen. Insofern ist das also schon mal etwas, mit dem man sich wohl oder übel abfinden muss (innerhalb des EU-Universums erkläre ich es mir so, dass Jaster Mereel den echten Boba Fett getötet und danach seine Identität angenommen hat). Insgesamt macht dieser Unterschied einem den Einstieg in die Geschichte aber zugegebenermaßen etwas schwer. Die Ereignisse rund um "Das Imperium schlägt zurück" spielen, da man diese ja ohnehin in den Filmen verfolgen konnte, ebenfalls eine untergeordnete Rolle. Das Herzstück der Geschichte war für mich dann aber der Blick in die Zukunft, der schließlich zu einer letzten Konfrontation zwischen Boba Fett und Han Solo führt. Dabei überzeugte mich vor allem das Kapitel, dass sich um die Gedanken und Gefühle des ehemaligen Schmugglers dreht, welches ich zu den besten Stellen aller "Star Wars"-Erzählungen halte. So perfekt hat Han Solo davor und danach selten jemand eingefangen. Aber auch ihr letztes Aufeinandertreffen fand ich großartig. Manche mögen sich an dessen Ausgang stören, ich mag solch ein Stilmittel grundsätzlich aber – unter den richtigen Umständen – durchaus, und fand, dass es hier perfekt gepasst hat. Meiner Meinung nach schloss man die Kurzgeschichtensammlung damit jedenfalls mit einem weiteren, großen Höhepunkt ab.

Fazit: Im Vergleich zu "Sturm über Tatooine" profitiert "Kopfgeld auf Han Solo" davon, dass die einzelnen Stories länger sind, und somit eine längere bzw. größere Geschichte erzählen, in die man so auch viel stärker eintaucht. Am besten fand ich dabei die erste rund um IG-88, dicht gefolgt von jener über Boba Fett, die jedoch aus heutiger Sicht unter den Kontinuitätsproblemen im Vergleich zur Prequel-Trilogie leidet. Dafür fand ich vor allem den Teil rund um Han Solo sowie den Ausgang der Geschichte phantastisch. Sehr gut konnte mir auch die Story rund um Zuckuss und 4-LOM gefallen. Jene über Dengar war auch soweit ganz nett, wenn auch nichts Besonderes. Und die Story über Bossk viel für mich leider doch eher ab. Wem bereits die erste Anthologie "Sturm über Tatooine" gefallen konnte, und/oder schon immer mehr über die von Darth Vader für die Jagd auf den Millennium Falken beauftragten Kopfgeldjäger wissen wollte, dem sei "Kopfgeld auf Han Solo" aber wärmstens empfohlen.

Bewertung: 4/5 Punkten
Christian Siegel





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