Akte X: Vertrauen Sie Niemandem
15 Kurzgeschichten zur kultigen Mystery-Serie Kategorie: Literatur & Comics - Autor: Christian Siegel - Datum: Samstag, 09 April 2016
 
Titel: "Akte X: Vertrauen Sie Niemandem"
Originaltitel: "The X-Files: Trust No One"
Bewertung:
Autoren: U.a. Tim Lebbon, Keith R.A. DeCandido, Aaron Rosenberg, Heather Graham & Kevin J. Anderson
Herausgeber: Jonathan Maberry
Übersetzung: Markus Mäurer, Claudia Kern, Sabine Elbers, Helga Parmiter & Susanne Picard
Umfang: 497 Seiten
Verlag: Cross Cult (D)
Veröffentlicht: 22. März 2016 (D)
ISBN: 978-3-86425-803-9 (D)
Kaufen: Taschenbuch (D), Kindle (D), Taschenbuch (E), Kindle (E)
 

Inhalt & Review: Im letzten Jahr, so um die Zeit, als die zehnte Staffel bzw. die Miniserien-Fortsetzung von "Akte X" offiziell angekündigt wurde, kam in den USA eine neue Kurzgeschichtensammlung zur Serie heraus, die nun nach Cross Cult auch den Weg zu uns gefunden hat. Wie bei solchen Anthologien nicht ungewohnt, kamen dabei manche Geschichten bei mir besser an als andere – ehe wir uns ihnen im Detail zuwenden aber kurz ein paar allgemeine Worte zu "Vertrauen Sie Niemandem". So decken die Geschichten eine ziemlich weite Ära ab, die von Anfang der 90er – und damit noch vor dem eigentlichen Anfang von "Akte X" – bis hin zum Jahr 2015 reicht, wobei die Stories nicht chronologisch angeordnet sind, sondern zeitlich hin- und herspringen. Allen ist gemein, dass die übergeordnete Mythologie keine Rolle spielt (von kurzen Erwähnungen/Auftritten damit verbundener Figuren, wie dem Raucher, oder Referenzen auf wichtige Ereignisse wie z.B. der Entführung von Mulders Schwester, mal abgesehen), und wir hier somit fünfzehn "Monster der Woche"-Stories vor uns haben. Mit Ausnahme von gleich zwei Geschichten, in der Skinner ein eigenständiges Abenteuer erlebt, drehen sich auch alle um Mulder und/oder Scully. Figuren wie Reyes und Doggett, die erst im weiteren Verlauf der Serie hinzugekommen sind, spielen somit keine Rolle – ja treten nicht einmal auf. Einerseits zwar insofern verständlich, als Mulder und Scully nun mal das Herz und die Seele der Serie darstellen, und ihre "Ersatzfiguren" bei den Fans noch nie sonderlich beliebt waren. Andererseits macht es die Geschichten aber halt auch nicht übermäßig abwechslungsreich. Gerade auch weitere Gedanken des geheimnisvollen Rauchers, ein Abenteuer der Lone Gunmen, oder auch ein paar Hintergründe zu Deep Throat oder Mister X, hätten interessant sein und die Sammlung etwas auflockern können.

Werfen wir aber nun jeweils kurze Blicke auf die einzelnen Geschichten an sich. Mit "Katatonie" von Tim Lebbon legt "Vertrauen Sie Niemandem" gleich mal einen sehr guten Start hin. Die Grundidee hinter der Geschichte ist durchaus interessant, und auch über den Auftritt von Alex Krycek habe ich mir sehr gefreut. Die größte Stärke ist aber Lebbons gewitzter Schreibstil, mit dem er den Dialogen zwischen Mulder und Scully viel Humor einverleibt, was das Lesen sehr unterhaltsam macht. In "Die Bestie von Little Hill" von Peter Clines besuchen Mulder und Scully Exponate privater Jäger, bei denen es sich um Aliens handeln soll. Die Geschichte war ganz solide, aber letztendlich nichts Besonderes. "Späte Einsicht" von Aaron Rosenberg ist dann die erste, die sich um Skinner dreht. Von der Grundidee her wäre sie durchaus interessant gewesen, aber dass gerade jene FBI-Revisionistin von diesem übernatürlichen Phänomen betroffen ist, und noch dazu just zu jenem Zeitpunkt, wo sie die X-Akten aufgrund der Kosten die sie verursachen schließen lassen will, war mir persönlich etwas zu viel des Zufalls, und wirkte gar konstruiert. "Gebissen" dürfte dann vor allem all jene begeistern, die von den "Twilight"-Romanen und -Filmen in etwa so viel halten wie ich – nämlich wenig bis gar nichts. Paul Crilley nimmt diese hier nämlich auf wunderbare und entwaffnende Art und Weise aufs Korn. "Twilight"-Fans, vor allem wenn sie die betreffenden Romane fanatisch verehren, dürften eher verstimmt reagieren, aber ich fand's köstlich. Für mich definitiv eines der ganz großen Highlights von "Vertrauen Sie Niemandem".

"Loving the Alien" von Stefan Petrucha sticht aus der Reihe insofern heraus, als es die einzige Geschichte ist, die aus der Ich-Perspektive erzählt wird – in diesem Fall von Scully, die sich auf die Suche nach Mulder machte, nachdem dieser nach Hinweisen, dass Außerirdische in einer Kleinstadt gesichtet wurden, verschwunden ist. Soweit ganz ok, die Auflösung fand ich aber eher naja. "Non Gratus Anus Rodentum" von Brien Keene ist die zweite Skinner-Geschichte, und zählte für mich leider zu jenen, die mir weniger gefallen konnten. Einerseits fällt auf, dass sich die Autoren wohl kaum abgesprochen haben, weshalb die Story hier rund um eine Riesenratte in der Kanalisation recht stark der späteren (in meinen Augen gelungeneren) Menschenalligator-Handlung ähnelt. Schwerer wiegt aber, dass die Verbindung zwischen seiner Zeit im Vietnam und den Ereignissen in der Gegenwart auf mich etwas konstruiert wirkte. Mein größter Kritikpunkt ist aber, dass Skinner hier recht früh in der Serie (zu Beginn der zweiten Staffel) mit einem gar übernatürlichen Phänomen (Stichwort menschliche Riesenratte) konfrontiert wird, was sich für mich nicht schlüssig in die Serie einfügen wollte. "In El Paso ist mein Leben nichts wert" wurde von Keith R. A. DeCandido beigesteuert, der mir in erster Linie aus seinen "Star Trek"-Romanen bekannt ist. Er konzentriert sich auf eine bislang unbekannte Figur, Jack Colt, die Ermittlungen in einer Mordserie leitet, die einen übersinnlichen Charakter erhält – weshalb Mulder und Scully zu den Ermittlungen hinzugezogen werden. Eine interessante Grundidee, eine relativ bodenständige Story, die spannenden Ermittlungen sowie eine tolle finale Wendung machten die Geschichte für mich zu einem weiteren Höhepunkt der Sammlung.

Direkt auf sie folgte mit "Paranormal Quest" von Ray Garton dann meine Lieblingsgeschichte der Sammlung. Die Thematik war mir von allen Stories die liebste (zur Erinnerung: Ich ziehe wissenschaftlich halbwegs erklärbare X-Akten den allzu übersinnlichen vor), die Geschichte bot ein interessantes Mysterium in das man sich auch als Leser verbeißen konnte, und im Vergleich zu vielen anderen X-Akten – und auch den hier enthaltenen Geschichten – ein klares, definitives Ende. Gut fand ich zudem, wie hier die in den USA um die Jahrtausendwende sehr beliebten Geisterjäger-Sendungen eingebettet wurden. Und auch von den Figuren her war das eine der interessantesten Geschichten. In "Der König der nassen Tiefe" verschlägt es Mulder und Scully dann nach Saudi-Arabien, und war für mich einer der Tiefpunkt der Sammlung. Eher uninteressante Grundidee, wenig packende Geschichte, und von Timothy Deal zwar solide, aber nicht übermäßig gut geschrieben. Man kann's lesen, aber ich fand die Story doch eher zum Einschlafen. "Kanalisation" ist dann die oben bereits kurz erwähnte Alligatorenmann-Geschichte. An dieser stach für mich in erster Linie der Auftritt von Detective Dale, Mulders Vorgänger bei den X-Akten, hervor. Zudem lernen wir auch einen früheren Partner von Mulder kennen. Auch die Geschichte, die sich Gerüchte über in der Kanalisation lebende Monster als Vorlage nimmt (und damit meines Erachtens mehr bzw. besseres machte, als "Non Gratus Anus Rodentum " zuvor), war soweit ganz nett. Ob ich zusätzlich zum menschlichen Alligator unbedingt auch noch die Voodoo-Komponente gebraucht hätte, da bin ich mir zwar nicht unbedingt sicher. Und auch das klischeehafte "Es ist noch nicht vorbei"-Ende hätte sich Gini Koch sparen können. Davon abgesehen war sie aber soweit ganz ok, und vor allem recht packend.

"Clair De Lune" von David Benton & W.D. Gagliani lebt in erster Linie von der netten Wendung am Ende. Davon abgesehen würde ich sie aber ebenfalls zu den etwas schwächeren Geschichten der Anthologie zählen – zumal sich Mulder und Scully nicht sonderlich clever verhalten. "Schau mir in die Augen, Kleines" von Heather Graham hat einen netten, vielversprechenden Einstieg sowie einige nette Filmzitate und –Anspielungen zu bieten. Die Auflösung der Geschichte war mir aber dann doch etwas zu konfus. "Das Haus auf dem Hickory Hill" war dann eine der längeren hier enthaltenen Novellen, und konnte mir schon wieder deutlich besser gefallen. Was anfangs wie eine klassische Spukhaus-Geschichte wirkt, nimmt zum Ende hin eine zumindest für mich eher überraschende Wende, die mir sehr gut gefallen konnte. Und generell war die Story toll erzählt, und gefiel mir auch die Grundidee dahinter sehr gut. "Die Zeit zerrinnt" von Gyale Lynds & John C. Sheldon ist dann definitiv die ungewöhnlichste der hier enthaltenen Geschichten, geht es doch nicht um ein Monster, sondern vielmehr ein mit einem Strandhaus in Verbindung stehendes unerklärliches Phänomen. Die Grundidee selbst fand ich durchaus faszinierend; dennoch sprach mich die Story irgendwie nie so recht an. Den Abschluss bildet dann "Statuen" von Kevin J. Anderson, bei dem es sich insofern um einen "Akte X"-Veteran handelt, als er in den 90ern einige Romane zur Serie geschrieben hat. "Statuen" war dann tatsächlich auch in deren Tradition gehalten, und wirkte wie eine Idee, die von damals übrig geblieben ist, bzw. ein Roman, den er damals nicht mehr schreiben konnte. Und genau darin liegt insofern die Krux, als ich die Grundidee selbst phantastisch halte, Anderson ihr aber in meinen Augen in dieser Kurzgeschichtenform nicht wirklich gerecht werden konnte. Zumal er für meinen Geschmack zu früh aufklärte, wer oder was hinter den Statuen steckt. Selbst in dieser – vermeintlich – abgespeckten Form war die Story zwar immer noch sehr interessant, und vor allem ungemein sehr gut ausgedacht. Aber ich wünschte wirklich, er hätte die Gelegenheit gehabt, einen vollwertigen Roman daraus zu machen. Dennoch bietet "Statuen" aber einen gelungenen Ausklang.

Fazit: Fans von "Akte X" bekommen mit "Vertrauen Sie Niemandem" fünfzehn neue Geschichten ihrer Helden serviert, die in meinen Augen insgesamt der mäßigen Miniserie weit überlegen waren. Natürlich gibt es da und dort qualitative Unterschiede, wobei wohl die meisten die Frage nach den Höhe- und Tiefpunkten unterschiedlich beantworten werden. Aber genau das ist eben der Vorteil einer solchen Anthologie – jeder sollte für sich einige Geschichten entdecken, die ihm sehr gut gefallen. Mein persönliches Highlight war wohl "Paranormal Quest", aber auch "Gebissen", Katatonie", "In El Paso ist mein Leben nichts wert", "Das Haus auf dem Hickory Hill" und "Statuen" konnten mir sehr gut gefallen. Der Rest rangierte von solide bis mäßig, wobei es in meinen Augen deutlich mehr gelungene als schwache Stories gab. Schade fand ich allerdings, dass – mit Ausnahme der beiden Skinner-Geschichten (und auch da könnte man fragen, warum er zwei Stories geschenkt bekommt, und andere Nebenfiguren wie die Lone Gunmen, Doggett, Reyes etc. keine Einzige) – alle Erzählungen auf Mulder und Scully fokussiert waren. Zudem sind es ausschließlich "Monster der Woche"-Geschichten; eine Fortführung der Mythologie darf man sich somit nicht erwarten. Trotzdem, wenn die Miniserie/10. Staffel bei euch wieder das "Akte X"-Fieber geweckt hat und ihr euch seither nach neuen Abenteuern von Mulder und Scully verzehrt, seid ihr bei "Vertrauen Sie Niemandem" genau richtig.

Bewertung: 3.5/5 Punkten
Christian Siegel





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