Minority Report
Steven Spielbergs packender SF-Thriller Kategorie: Filme - Autor: Christian Siegel - Datum: Sonntag, 06 Dezember 2015
 
Advents-SPECiAL

 
Minority Report
Originaltitel: Minority Report
Produktionsland/jahr: USA 2002
Bewertung:
Studio/Verleih: DreamWorks SKG/20th Century Fox
Regie: Steven Spielberg
Produzenten: U.a. Bonnie Curtis, Jan de Bont, Gerald R. Molen & Walter F. Parkes
Drehbuch: Scott Frank & Jon Cohen, nach einer Kurzgeschichte von Philip K. Dick
Filmmusik: John Williams
Kamera: Janusz Kaminski
Schnitt: Michael Kahn
Genre: Science Fiction/Thriller
Kinostart Deutschland: 03. Oktober 2002
Kinostart USA: 21. Juni 2002
Laufzeit: 145 Minuten
Altersfreigabe: FSK ab 12
Trailer: YouTube
Kaufen: Blu-Ray, DVD, Soundtrack
Mit: Tom Cruise, Colin Farrell, Samantha Morton, Max von Sydow, Kathryn Morris, Neal McDonough, Steve Harris u.a.


Kurzinhalt: Washington D.C. im Jahr 2054: Dank PreCrime gehören Morde der Vergangenheit an. Mit Hilfe von drei präkognitiven Menschen ist es nämlich möglich, derartige Gewaltverbrechen vorherzusehen und zu verhindern, noch bevor sie passieren. In Kürze soll der Senat darüber entscheiden, ob PreCrime im gesamten Land eingesetzt werden soll. Eben dies ruft Danny Witwer, einen Sonderbeauftragen des Senats, auf den Plan, der das System überprüfen soll. Die PreCrime-Abteilung wird von John Anderton geleitet, der die von den PreCogs empfangenen Visionen vor zwei Zeugen auswertet und nach Hinweisen absucht, die es ihnen erlauben, die Morde zu verhindern und die vermeintlichen Mörder einzusperren, noch ehe sie die Tat begehen können. Als er eines Tages den Raum mit den PreCogs aufsucht, wird er auf den Mord an Ann Lively aufmerksam. Als er dessen Aufzeichnungen überprüfen will, staunt er nicht schlecht als er erkennt, dass Agathas Vision fehlt. Offenbar kam es bei diesem Mordfall zu einem Minderheiten-Bericht – denn, so erfährt Anderton nun, die drei PreCogs sind sich nicht immer einig. Wäre dies allgemein bekannt, würde es das Vertrauen der Menschen in PreCrime erschüttern. Als er kurz darauf wieder ins Büro zurückkehrt, empfangen die PreCogs eine Vision die besagt, dass er in 36 Stunden einen Mann, den er gar nicht kennt, vorsätzlich umbringen wird…

Review: Szenenbild. Um die Jahrtausendwende kamen Philip K. Dick-Verfilmungen wieder zunehmend in Mode. Als sich dann zudem – zum ersten Mal in ihrer langen Karriere – Steven Spielberg und Tom Cruise zusammentaten, um eine seiner Kurzgeschichten auf die Leinwand zu bringen, waren die Erwartungen groß – und wurden von "Minority Report" auch überwiegend erfüllt. Was dabei für mich nach wie vor mit am meisten hervorsticht, ist die Umsetzung des PreCrime-Systems. Mit den individuellen, nicht fälschbaren Bällen, den darauf eingebrannten Namen, der Aufzeichnung der PreCog-Visionen, den anwesenden Zeugen usw. ist dieses nämlich überaus gut durchdacht. Auch die Unterscheidung zwischen vorsätzlichen Morden und jenen im Affekt gefällt mir. Und gerade auch die Art und Weise, wie John Anderton die Clips analysiert, in dem er mit seiner Hand vor einem Bildschirm herumfuchtelt, sollte sich als wegweisend erweisen, und trat seither in zahlreichen weiteren Filmen und Serien in Erscheinung. Aber auch abseits des PreCrime-Systems ist diese Zukunftsvision sehr gut durchdacht, angefangen bei den Magnetbahn-Autos über die Holo-Technologie bis hin zur personalisierten Werbung, wenn man einen Shop betritt. Und auch die eine oder andere schräge, originelle Idee wie die "lebenden" Pflanzen bereichern den Film.

Was ebenfalls besticht, ist das Design dieser Welt. Egal ob alles rund um PreCrime, die Spinnen, die Autos… Setgestaltung, Ausstattung und Effekte können sich absolut sehen lassen. Steven Spielbergs Inszenierung ist ebenfalls gewohnt makellos, und besticht hier auch mit einem für ihn eher ungewöhnlich, visuell stark stilistischen Ansatz, bei dem Blau- und Weißtöne dominieren, die Farben – abseits einzelner Szenen – einen eher ausgewaschenen Eindruck vermitteln, und der Film zudem teilweise eine deutliche Körnung zeigt. Auch die Kameraarbeit von Janusz Kaminski weiß zu gefallen, wobei vor allem die Szene, als man Anderton in der Drohenhöhle sucht und die Kamera über mehrere Zimmer bzw. Apartments hinwegschwebt, in Erinnerung bleibt. Zudem versteht es "Minority Report", von Anfang an zu packen; zuerst mit der interessanten Vorstellung des Systems, dann mit dem Mysterium rund um die Minderheitenberichte, und zuletzt mit der faszinierenden Offenbarung, dass Anderton selbst zum Mörder werden soll, und seiner mitreißend umgesetzten Flucht. Nett auch, dass Anderton nicht der klassische Held ist, sondern – aufgrund seiner Vorliebe für Drogen und dem nach wie vor nicht überwundenen Tod seines Sohnes – durchaus problemgebeutelt daherkommt. Auch beachtlich: Am Ende wird dieser letztendlich doch noch geschnappt, und muss von seiner Exfrau wieder befreit bzw. gerettet werden – für solch einen Film auch eine eher ungewöhnliche Wendung. Und generell konnte mir die Handlung sehr gut gefallen, und ist – abseits einzelner Ungereimtheiten, auf die ich gleich noch eingehen werde – sehr gut durchdacht, angefangen beim nett erdachten Mordkomplott rund um Anderton, der kritischen Betrachtung des PreCrime-Systems, bis hin zur cleveren Auflösung rund um den Mord an Ann Lively.

Szenenbild. Tom Cruise war damals – und ist es auch heute noch – einer der größten Filmstars, und beweist auch in "Minority Report" wieder, warum. Genau solche Rollen wie John Anderton sind aus meiner Sicht für ihn geschaffen, und erlauben ihm, alle Aspekte seines Könnens abzurufen. Auch Colin Farrell spielt seine Figur wunderbar, wobei mir vor allem gut gefällt, wie sich die Meinung des Zusehers über ihn im Verlauf des Films ändert. Max von Sydow spielt den geheimnisvollen Schöpfer von PreCrime ebenfalls sehr gut. Von ihnen abgesehen hat "Minority Report" was absolute Starpower betrifft eher weniger zu bieten, kann aber nichtsdestotrotz mit einigen bekannten Gesichtern – wie Kathryn Morris, Steve Harris, Neal McDonough, Peter Stormare und Lois Smith – aufwarten, wobei für mich neben Cruise in erster Linie noch die damals weitgehend unbekannte Samantha Morton mit einer sehr eindringlichen Performance hervorstach. Und auch die Filmmusik des immer großartigen John Williams weiß zu gefallen – mit dem einen kleinen Schönheitsfehler dass seine Actionmusik für "Minority Report" teilweise sehr an seinen Score für "Star Wars – Episode II" erinnert – was insbesondere für die Fabrikszene gilt, die auch abseits seiner Musik eine interessante Parallele zwischen beiden Filmen bietet.

Die nachfolgenden beiden Absätze beinhalten SPOILER! Wer den Film noch nicht gesehen hat, sollte daher erst beim Fazit weiterlesen.

So unterhaltsam, faszinierend und teils clever der Film auch sein mag, es gibt dann für mich doch ein paar Ungereimtheiten, die zwar den Filmgenuss selbst kaum trüben, einen im Nachhinein aber da und dort ein bisschen den Kopf kratzen lassen. Hier ist in erster Linie die altbekannte Redball/Brownball-Diskussion zu nennen, über die sich vortrefflich streiten lässt. Denn zwar wurde Anderton Opfer eines Komplotts – was für den Brownball sprechen würde, da vorsätzlich – aber der Mord an sich fand genau genommen ja eigentlich wieder im Affekt statt. Immerhin hatte Anderton selbst ja keinen Plan geschmiedet, um Crow – einen Mann, den er zu diesem Zeitpunkt ja noch gar nicht kannte – umzubringen. Zu diesem Problem gesellt sich nun auch noch ein Henne-Ei-Dilemma. Denn eigentlich wird der Mord ja erst durch die Vision der PreCogs ausgelöst – denn erst so erfährt Anderton, dass er angeblich einen Mord begehen soll, was dann jene Kette von Ereignissen auslöst, die ihn schließlich überhaupt erst in dieses Hotelzimmer führen. Wie konnten sie also einen Mord sehen, der erst durch ihre Vision ausgelöst bzw. möglich wird? Was leider auch nicht wirklich Sinn ergibt, ist das vermeintliche Dilemma, vor dem Lamar am Ende steht (im Übrigen eines der wenigen Überbleibsel aus der Vorlage – wobei es dort weitaus mehr Sinn machte). Denn egal ob er Anderton nun tötet oder nicht, er wird ja ohnehin weggeschafft – einfach, weil er es vor hatte; vom Mord an Ann Lively ganz zu schweigen. Zudem würde ich anmerken, dass der ganze Film zwar darauf ausgelegt ist, uns das System kritisch hinterfragen zu lassen, letztendlich aber ja eigentlich funktioniert. Bei Ann Lively wurde halt eine Schwäche im System ausgenutzt, und John Anderton tat es eigentlich in erster Linie nicht, weil er im Gegensatz zu den anderen wusste, dass er es tun soll, und somit vorgewarnt war und sein Schicksal selbst in die Hand nehmen konnte. Dennoch war die Vision auch in diesem Fall grundsätzlich richtig, und hätte er es eigentlich getan – so wie auch alle anderen verhinderten Täter. Lediglich über das Strafmaß – da verhinderte Mörder scheinbar ebenso streng bestraft werden wie echte – könnte man diskutieren, da letztendlich genau genommen ja eigentlich "nur" ein Mordversuch statt eines tatsächlichen Mordes vorliegt. Davor abgesehen stimme ich aber auch nach dem Film durchaus mit der darin enthaltenen Werbemessage überein: Es funktioniert!

Szenenbild. Hierin steckt dann letztendlich auch die Krux des Films: Auf der einen Seite stellt er höhere Ansprüche an das Hirn des Zuschauers als der handelsübliche Blockbuster. Andererseits darf man aber wiederum auch nicht zu viel über ihn nachdenken, da einem ansonsten eben diese und andere kleinere logische Ungereimtheiten (wie z.B. die Tatsache, dass bei Andertons Mordwarnung die zweite Kugel mit dem Täter ungewöhnlich spät erscheint; komisch auch, dass sich die Werbung für PreCrime nicht nur auf Morde sondern auch andere Gewaltverbrechen bezieht, obwohl wir in weiterer Folge erfahren, dass die PreCogs nur Morde wahrnehmen; und auch, dass sein Zugang zu PreCrime danach nicht gesperrt wurde und er mit seinen Augen noch hineinkommt, um Agatha zu stehlen, ist nur schwer zu schlucken) ins Auge stechen. Zuletzt auch noch drei markante Kritikpunkte abseits solcher logischer Ungereimtheiten: So fand ich die Szene, wo sich Lamar verplappert, selten dämlich. Sein Selbstmord ergab insofern auch eher wenig Sinn, als er sich wohl nur deshalb selbst ins Herz schießt, damit der Zuschauer kurz glauben kann, er hätte tatsächlich Anderton erschossen. Und das Ende war – leider ein Spielberg-Trend, gerade auch in den 0er-Jahren – übertrieben kitschig, mit der schwangeren Lara und den glücklich auf einer Farm lebenden PreCogs. Zumal die Schattenseite – nämlich, dass Morde nun wieder ungehindert möglich sind – nicht einmal ansatzweise thematisiert wird. Ein etwas düster-differenzierteres Ende hätte ich dann doch entschieden vorgezogen.

Fazit: "Minority Report" ist ein packender SF-Thriller, der neben den mysteriösen Mordfällen die im Zentrum von Andertons Ermittlungen stehen sowie den damit einhergehenden überraschenden Wendungen in erster Linie mit einer grandiosen visuellen Gestaltung – sei es Setgestaltung, Design, Janusz Kaminski Kameraarbeit, die ausgewaschenen Farben, die dominierenden Blau- und Weißtöne, das Filmkorn, sowie generell Steven Spielbergs stilistische Inszenierung – hervorsticht. Darüber hinaus wissen auch die schauspielerischen Leistungen – allen voran von Tom Cruise und Samanatha Morton – zu gefallen. Und auch die bis ins kleinste Detail durchdachte und mit zahlreichen originellen Einfällen aufwartende Zukunftsvision sticht positiv hervor. Leider haben sich just beim Drehbuch, so sehr mir dies grundsätzlich vom Spannungsaufbau auch gefallen konnte, ein paar Ungereimtheiten eingeschlichen, die den Filmgenuss – wenn sie einem dann mal aufgefallen sind – doch ein wenig trüben. Und vor allem auch den etwas gar kitschigen Ausgang des Geschehens sehe ich eher kritisch. Insgesamt fand ich die zweite Spielberg/Cruise-Kollaboration "Krieg der Welten" jedenfalls doch noch einen Hauch gelungener – nichtsdestotrotz ist auch "Minority Report" für alle Genrefans zweifellos überaus sehenswert.

Wertung:8 von 10 Punkten
Christian Siegel
(Bilder © 2002 20th Century Fox)


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Weiterführende Links:
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