Wing Commander: Die Geheimflotte
Die Erde am Rande des Abgrunds Kategorie: Literatur & Comics - Autor: Christian Siegel - Datum: Samstag, 04 Juli 2015
 
Titel: "Wing Commander: Die Geheimflotte"
Originaltitel: "Wing Commander: Fleet Action"
Bewertung:
Autor: William R. Forstchen
Übersetzung: Karl-Heinz Ebnet
Umfang: 318 Seiten
Verlag: Bastei Lübbe
Veröffentlicht: 1995 (D) bzw. 1994 (E)
ISBN: 978-3-4042-3160-0
Kaufen: Taschenbuch (D), Taschenbuch (E)
 

Kurzinhalt: Dank ihrer neuen Taktik, auf kleinere Begleitträger zu setzen, befindet sich die Menschheit in ihrem jahrzehntelangen Krieg mit den aggressiven, katzenähnlichen Kilrathi zum ersten Mal auf dem Vormarsch – sehr zum Missfallen des Imperators und seines Kronprinzen Trakkath. Diese zweigen seit einigen Jahren Ressourcen für ein streng geheimes Projekt ab, mit dem sie den Krieg ein für alle Mal zu ihren Gunsten entscheiden wollen: Eine Reihe von neuen Superträgern. Doch diese werden erst in rund einem Jahr fertig sein – und bis dahin droht die Menschheit die Kilrathi zu besiegen. Baron Jukaga schlägt daher eine Finte vor: Die Kilrathi sollen vorgeben, an einem Waffenstillstand interessiert zu sein. Auf diese Weise soll die notwendige Zeit gewonnen werden, um die Geheimflotte fertig zu stellen. Gesagt, getan. Die kriegsmüden Politiker sowie die Bevölkerung reagieren mit Erleichterung auf diese Neuigkeit, und empfangen die Kilrathi mit offenen Armen. Nur das Militär traut dem Frieden nicht. Als Kriegstreiber verschrien, brechen einige von ihnen unter der Führung von Admiral Tolwyn ins Landreich ein, um von dort aus eine Erkundungsmission ins Reich der Kilrathi zu unternehmen. So hoffen sie, die wahren Pläne der Kilrathi aufzudecken – bevor es zu spät ist…

Inhalt: Während die bisherigen "Wing Commander"-Romane (betrachtet nach der chronologischen Reihenfolge ihres Erscheinens) doch eher unabhängige Abenteuer erzählt hatten, schildert "Die Geheimflotte" eines der wichtigsten Ereignisse aus der Geschichte des Universums, die nicht in den Spielen stattgefunden haben – und das letztendlich auch im Begleitheft zu "Wing Commander III – Das Herz des Tigers" erwähnt wurde: Der verheerende Angriff auf die Erde, der nur unter großen Verlusten zurückgeschlagen werden konnte. Da die Romane im deutschsprachigen Raum ja erst mit ein bisschen Verspätung erschienen sind, war es in meinem Fall zudem so, dass ich zuerst in "Victory Streak" über dieses Ereignis gelesen hatte, und dann erst den Roman – was diesen für mich enorm aufgewertet hat, bekam ich doch nun die ausführliche Variante eines wichtigen Moment aus dem Krieg, den ich bisher nur aus einem kurzen Absatz kannte. Insofern hat mich "Die Geheimflotte" anno 1995 ungemein begeistert. Heutzutage fällt mein Urteil insofern etwas nüchterner aus, als jene Kritikpunkte, die mir damals schon aufgefallen sind, sich jedoch gegen meine Begeisterung kaum durchsetzen konnten, stärker ins Gewicht fallen. Und so kommt es auch, dass ich – im Gegensatz zu vor 15-20 Jahren, wo ich "Die Befreier" ein bisschen belanglos fand – den ersten erschienenen "Wing Commander"-Roman mittlerweile auch als den besten ansehe. Ich bin einfach kein großer Military-SF-Fan, und zog den Abenteuercharakter des ersten Romans daher vor. In meinen Teenager-Jahren war ich da offenbar noch nicht ganz so kritisch.

Mein Hauptproblem war dabei, wie schon bei "Der Hinterhalt", die Militärverherrlichung, die William R. Forstchen in seinem Roman betreibt – und das leider äußerst undifferenziert. Kurz gesagt: Das Militär hat immer recht, und die Zivilisten und Politiker sind alles naive, leichtgläubige Träumer. Nicht falsch verstehen, wenn man genau das Gegenteil undifferenziert behaupten würde, fände ich das genauso dämlich. Aber mir stieß die Art und Weise, wie das Militär hier verherrlicht und die Politiker und Zivilisten in einem möglichst schlechten Licht dargestellt wird, zu viel des Guten. Einerseits in der Art und Weise, wie das Militär natürlich mit ihrer Vermutung, die Kilrathi meinen ihr Angebot für einen Waffenstillstand nicht ernst, bestätigt wird (was alle Zivilisten und Politiker wie Trottel aussehen lässt). Vor allem aber in einem extrem bedenklichen Moment, wo die Helden der Spiele und Bücherreihe von einem Zivilisten angeschnauzt und als Kriegstreiber verunglimpft werden. Das war einfach derart übertrieben umgesetzt, dass es mir wirklich sauer aufstieß. Wenn Forstchen hier doch wenigstens nicht ganz so stark schwarz/weiß zeichnen und auch das Militär teilweise in einem kritischen Licht betrachten würde, ok. Aber so war mir das viel zu aufdringlich, und vor allem beim Moment in der Bar kam mir fast das Kotzen. Als Fan der Spiele fiel mir zudem auch hier wieder die sehr sympathische Darstellung von Admiral Tolwyn auf, die den Spielen zu widersprechen schien. Da es diesmal aber nicht ganz so übertrieben war wie bei "Der Hinterhalt", war dies noch das geringere Problem des Romans. Schade allerdings, dass man die Möglichkeit, ihn – und damit das gesamte Militär – in ein fragwürdigeres Licht zu rücken (dadurch, dass er den Angriff zu Beginn trotz des Waffenstillstands fortsetzen ließ), nicht genutzt hat, und dies vielmehr als strategischen Winkelzug offenbarte.

Trotz meiner langen und teils herben Kritik: "Die Geheimflotte" ist, eben aufgrund der Bedeutung der hier geschilderten Ereignisse für die Chronologie des "Wing Commander"-Universums ein Pflichttermin. Zumal der Roman abseits von Forstchens politischer Einstellung, die er dem Leser etwas zu deutlich aufdrängt, auch wieder einmal sehr gelungen und packend geschrieben ist. Wir erhalten wieder interessante Einblicke in die Kultur der Kilrathi, und lernen zudem das Landreich kennen, das sich am äußeren Rand des von der Menschheit besiedelten Weltraums befindet, und bei dem es sich um eine von der Konföderation unabhängige Kolonie handelt. Vor allem aber ist der Roman wieder einmal sehr packend beschrieben. Vor allem bei der abschließenden Schlacht verströmt "Die Geheimflotte" eine ungeheure Spannung. Zudem gelingt es Forstchen wieder einmal, eine extrem bedrückende, trostlose und hoffnungslose Stimmung aufzubauen, die mich auch beim erneuten Lesen in ihren Bann zog. Eine der größten Stärken des Romans ist zudem, wie hier quasi die ersten beiden "Wing Commander"-Reihe zusammengeführt werden – bestreiten doch deren beider Helden, Jason "Bear" Bondarevsky und Ian "Hunter" St. John dieses Abenteuer gemeinsam. Zudem gibt es auch einen Auftritt der Firekkaner, sowie von Paladin. Somit liefert Forstchen hier eben nicht nur eine Fortsetzung zu "Der Hinterhalt", sondern auch "Die Befreier" – was ich sehr positiv fand. Und dann ist da noch die Tatsache, dass sich Forstchen was den Preis betrifft, den die Konföderation für diesen "Sieg" zahlen muss, nicht zurückhält. So gibt es einige teils herbe Verluste, und auch von den bekannten, etablierten Figuren wird der eine oder andere sein Leben lassen müssen. Die betreffenden Selbstaufopferungsmomente fand ich dabei dankenswerterweise längst nicht mehr so zelebrierend in Szene gesetzt wie bei "Der Hinterhalt" – auch das ist ein entscheidender Vorteil im Vergleich zum direkten Vorgänger. Dass diesmal gleich das Überleben der Erde auf dem Spiel steht, und man daher um einen deutlich höheren Einsatz kämpft, sorgt dann letztendlich doch noch dafür, dass sich "Die Geheimflotte" gegenüber dem unmittelbaren Vorgänger durchsetzen kann.

Fazit: Von allen "Wing Commander"-Romanen die erschienen sind, ist "Die Geheimflotte" zweifellos der Wichtigste. Er bereitet quasi das hochdramatische Finale des Krieges zwischen Menschen und Kilrathi in "Das Herz des Tigers" vor, und schildert dabei eines der bedeutsamsten Ereignisse aus diesem Jahrzehnte langen Konflikt, nämlich den Angriff auf die Erde mit Superträgern, wodurch die Kilrathi den Krieg fast für sich entschieden hätten. Wie schon "Der Hinterhalt" ist dabei auch "Die Geheimflotte" wieder ungemein packend beschrieben – vor allem, was die Weltraumschlachten betrifft (die teilweise in einer Größe stattfinden, von denen man in den PC-Spielen nur träumen konnte). Zudem verströmt der Roman wieder ein mitreißendes Gefühl der Ausweg- und Hoffnungslosigkeit. Großartig fand ich zudem, dass neben dem Helden des vorangegangenen Romans, Jason "Bear" Bondarevsky, auch Ian "Hunter" St. John aus "Die Befreier" zu einem Auftritt kommt. Das einzige Salz in der Suppe ist Forstchens Militärverherrlichung, die mir sowohl in der Handlung des Romans (hat das Militär doch mit seiner Skepsis gegenüber dem Waffenstillstand recht) als auch in einzelnen Szenen (vor allem die Szene in der Bar sticht hier ungemein negativ hervor) zu übertrieben und überdeutlich war. Eine differenziertere Betrachtung beider Seiten – also Militär und Politik/Zivilisten – hätte ich entschieden vorgezogen. Trotz dieses unerheblichen Mankos halte ich "Die Geheimflotte" aufgrund seiner Bedeutung für die Geschichte des "Wing Commander"-Universums für eine Pflichtlektüre für alle Fans.

Bewertung: 4/5 Punkten
Christian Siegel





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