Discworld: Hogfather
Der Tod springt für den "Weihnachtsmann" ein… Kategorie: Literatur & Comics - Autor: Christian Siegel - Datum: Samstag, 13 Juni 2015
 
Titel: "Hogfather"
Deutscher Titel: "Schweinsgalopp"
Bewertung:
Autor: Terry Pratchett
Umfang: 445 Seiten
Verlag: Corgi Books
Veröffentlicht: November 1996
ISBN: 978-0-552-14542-8
Kaufen: Taschenbuch (D), Kindle (D), Taschenbuch (E), Kindle (E)
 

So einen Auftrag hat die Assassinengilde von Ankh-Morpork auch noch nie erhalten: Eine geheimnisvolle Gestalt in einem grauen Mantel beauftragt sie damit, niemand geringeren als den Schweinsvater – die Scheibenwelt-Version des Weihnachtsmanns – zu töten. Nur: Wie tötet man ein antropomorphisches Wesen? Eben damit wird der selbst seine Kollegen mit Abscheu erfüllende Teatime beauftragt, der daraufhin eine kleine Einsatzgruppe zusammenstellt, um den Auftrag erfolgreich auszuführen. Kurz darauf naht dann die Schweinswachtnacht, und vom Schweinsvater fehlt tatsächlich jede Spur. Da dieser eine wichtige Rolle hat, die ausgefüllt werden muss, springt kurzerhand TOD für ihn ein. Seine Enkelin Susan Sto-Helit, die mittlerweile als Gouvernante in einem Waisenhaus arbeitet, versucht indes herauszufinden, was genau mit dem Schweinsvater passiert ist…

Anmerkung: So wie alle "Discworld"-Romane habe ich auch "Hogfather" im englischen Original gelesen – und kenne daher auch die deutschen Übersetzungen für Begriffe wie "Hogswatchnight" nicht. Ich habe mich daher dazu entschlossen, diese möglichst 1:1 zu übersetzen – was wohl nicht immer der Übersetzung von Andreas Brandhorst entsprechen dürfte.

Review: Ich muss gestehen… ein bisschen komisch war es ja schon, diesen Roman über die Scheibenwelt-Version von Weihnachten zu lesen, während es draußen dreißig Grad aufwärts hat. Trotz dieser wettertechnischen Diskrepanz hat es allerdings nicht lange gedauert, bis mich Terry Pratchett wieder einmal verzaubert hatte, und mich – mitten im Juni – in Weihnachtsstimmung zu bringen. Vor allem die ersten rund 100 Seiten fand ich dabei einfach nur phantastisch. Es kam nicht nur einmal vor, dass ich mich während diesen zusammenreißen musste, um nicht laut aufzulachen. Da waren einfach sooo viele großartige Gags und witzige Wortspiele enthalten, dass ich vor Pratchett und seinem Humor wieder einmal nur meinen spitzen Hut ziehen konnte. Was ebenfalls wieder einmal begeistert, ist sein Einfallsreichtum. Denn bei "Hogfather" belässt er es nicht einfach nur bei einer Weihnachtsgeschichte, sondern bindet noch zahlreiche weitere – teils interessante, teils witzige, teils beides zugleich – Einfälle ein, wie z.B. den überschüssigen Glauben (da die Kinder aufgehört haben, an den Schweinsvater zu glauben), der sich daraufhin in allen möglichen mystischen Wesen wie z.B. einem Gott des Katers (nicht des Tiers, sondern der Folge des übermäßigen Konsums alkoholischer Getränke), einem Sockenmonster und einer Fee für gute Laune manifestiert. Köstlich!

Wunderbar war es natürlich auch, just TOD dabei zu erleben, wie er die Rolle des Weihnachtsmanns ausfüllt (HO HO HO). Egal ob er sich durch Schornsteine zwängt (was für ihn sicherlich eine leichtere Aufgabe ist als für den echten Schweinsvater, angesichts seiner knochigen Figur), in einem Kaufhaus tatsächlich Geschenke an Kinder verteilt (was dessen Manager an den Rand der Verzweiflung bringt), oder – in einem der ernsteren Momente des Romans – gegen die Unfairness rebelliert, ein junges, armes Kind just zur Schweinswachtnacht sterben zu lassen, dieser Teil des Romans war einfach nur brillant. Sehr gut gefallen hat mir auch alles rund um Susan, die zuerst gegen Monster im Schrank und unterm Bett hart durchgreift, und schließlich gegen ihren Willen in die Ermittlungen rund um das Verschwinden des Schweinsvaters hineingezogen wird. Interessant war dabei vor allem ihr Besuch jener mystischen Welt, die so aussieht, als hätte sie ein Kind gezeichnet. Und auch an der Unsichtbaren Universität gab es zahlreiche gelungene, witzige Momente. Zum Ende des Romans wurde "Hogfather" dann überraschend predigend. Das ist nicht negativ gemeint, aber bisher hat Pratchett Gesellschaftskritik bzw. generell seine Gedanken zur Menschheit usw. eher als Subtext in seine Bücher eingebaut. An einen solchen Moment wo er eine Figur – hier TOD – quasi die Moral von der Geschicht', die dahinter stehende Aussage, direkt an eine andere Person – und damit auch den Leser – aussprechen lässt, könnte zumindest ich mich nicht erinnern. Da ich jedoch die dort dargebrachten Philosophien (Stichwort: Die Menschen brauchen Fantasie, um menschlich zu sein) einfach nur wunderbar fand, hatte ich damit kein Problem.

Mein einziger Kritikpunkt liegt vielmehr darin begründet, dass es Terry Pratchett mit der Zeit sowohl was die originellen Ideen, die Anzahl der Figuren, sowie der Handlungsstränge und Schauplätze betrifft, mit der Zeit fast schon zu übertreiben droht. Dadurch wird der Roman in weiterer Folge ein bisschen konfus und chaotisch. Es befinden sich hier genug Einfälle für drei Fantasy-Romane, und nicht nur einen, und ich hatte den Eindruck, das eine oder andere blieb in dieser Fülle ein wenig auf der Strecke. Und vor allem auf alles rund um Teatime hätte ich verzichten können. Irgendwie erschien es mir unnötig, neben den Auditoren noch einen weiteren Bösewicht einzubauen. Und was die Handlungsstränge betrifft, sticht in erster Linie alles rund ums Bad in der Unsichtbaren Universität als unnötige Ablenkung, die mit keiner anderen Geschichte auch nur irgendwie in Verbindung steht, ins Auge. Mit einer etwas strafferen Struktur hätte man den Roman vielleicht noch eine Spur aufwerten können, einfach, da er so teilweise schon fast wieder zu voll war. Allerdings: Wenn als einziger Kritikpunkt "zu viele faszinierende Ideen" übrig bleibt, ist das in gewisser Weise ja auch schon fast wieder ein Kompliment.

Fazit: "Hogfather" ist ein faszinierendes Potpourri verschiedenster origineller, interessanter und humorvoller Ideen, bei dem als einziger Kritikpunkt verbleibt, dass aufgrund ihrer Fülle einzelne Elemente da und dort etwas unterzugehen drohen, bzw. sie nicht immer ein stimmiges Ganzes ergeben. Davon abgesehen war "Hotfather" aber einfach nur phantastisch. Vor allem die ersten hundert Seiten fand ich ungemein amüsant; da brachte mich Terry Pratchett mit seinem gewitzten Schreibstil, seinen lustigen Fußnoten und den köstlichen Dialogen einmal mehrmals zum Lachen. Auch in weiterer Folge gibt es noch zahlreiche witzige Ideen, die z.B. die verschiedenen mystischen Wesen, die plötzlich auftauchen, sobald man an sie denkt. Und zum Ende hin wird es dann – auf angenehme, positive und willkommene Art und Weise – überraschend philosophisch, wenn TOD über Fantasie und die Menschheit sinniert. Kurzum: "Hotfather" bietet wieder einmal beste Fantasy-Unterhaltung, und ist vor allem auch für Scheibenwelt-Fans wieder einmal ein Geschenk.

Bewertung: 4.5/5 Punkten
Christian Siegel






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