Wing Commander: Die Befreier |
Roman zur zweiten "Secret Missions"-Erweiterung
Kategorie:
Literatur & Comics -
Autor: Christian Siegel - Datum:
Samstag, 09 Mai 2015 |
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Kurzinhalt: Die TCS Tiger's Claw befindet sich im Firekka-System, wo gerade mit der vogelartigen Bevölkerung des Planeten über ein Abkommen verhandelt wird. Ian "Hunter" St. John nutzt seinen Landurlaub, um dem Planeten einen Besuch abzustatten und sich mit einer firekkanischen Frachterpilotin, K'Kai zu treffen. Am nächsten Morgen wird sein Landurlaub jedoch jäh unterbrochen, als alle Piloten zur Tiger's Claw zurückbeordert werden: Ein kilrathischer Kreuzer der Ralari-Klasse ist ins System gesprungen. Dessen Kommandant, Ralgha nar Hhallas, hat mit Colonel Halcyon Kontakt aufgenommen, da er zu den Menschen überlaufen und ihnen sein Schiff als Geschenk übergeben will. Bei der nachfolgenden Mission ist Hunter letztendlich maßgeblich dafür verantwortlich, dass es gelingt, den Angriff eines anderen kilrathischen Schiffes abzuwehren, weshalb Ralgha seinen Diener Kirha befiehlt, einen Treueschwur auf Hunter zu leisten. Dies soll sich in weiterer Folge als praktisch herausstellen, als die Kilrathi in das Firekka-System einfallen, um dort ihre alljährliche Sivar-Eshrad-Zeremonie durchzuführen. Zwar gelingt es den Firekkanern, sie zurückzudrängen, dabei nehmen die Kilrathi jedoch einige von ihnen gefangen. Zusammen mit Paladin, seiner jungen Assistentin Gwen, K'Kai sowie Kirha bricht Hunter daraufhin auf, um die Geiseln zu befreien… Inhalt: "Die Befreier" war der erste Roman, der zum Wing Commander"-Universum geschrieben und veröffentlicht wurde. Die beiden Autorinnen Mercedes Lackey und Ellen Guon nahmen sich dabei die zweite Erweiterungskampagne "Secret Missions: Crusade" zur Vorlage, die sich u.a. mit der Desertation von Ralgha nar Hhallas (später "Hobbes") sowie den Kämpfen im Firekka-System auseinandersetzt. Statt der – damals noch namenlosen – Spielfigur (wobei in einem witzigen Zufall im Roman eine Figur namens "Blair" kurz bei einem Kartenspiel auftaucht – obwohl die Entscheidung auf den Namen Christopher Blair für die Spielfigur erst viel später viel) stellten sie dabei vielmehr einen jener Piloten der Tiger's Claw in den Mittelpunkt des Geschehens, mit dem man im Zuge des Spiels die eine oder andere Mission bestritten hat: Den erfahrenen australischen Veteranen Ian "Hunter" St. John. Darüber hinaus kommen in erster Linie noch der Firekkanerin K'Kai – eine der wenigen Vertreter ihres Volkes, die zu den Sternen aufgebrochen ist – sowie dem Kilrathi Kirha – der Hunter auf Anweisung von Ralgha nar Hhalles als seinen neuen Lehensherrn annimmt – große und entscheidende Rollen zu. Aber auch alle anderen vom ersten Spiel bekannten Figuren, wie Spirit, Angel, Paladin, Maniac, Bossman, Colonel Halcyon und so weiter, haben ihren Auftritt. Insgesamt gelingt es den Autorinnen jedenfalls sehr gut, die Stimmung der Spiele einzufangen, und dem Leser das Gefühl zu geben, sich wirklich in einer Nebengeschichte von "Wing Commander" bzw. der zweiten "Secret Missions" zu befinden – wofür gerade auch aus dem Spiel bekannte Momente wie das Briefing, oder auch die Gedenkfeier auf der Außenhülle der Tiger's Claw, maßgeblich verantwortlich sind. Im ersten Spiel waren die Kilrathi ja noch eher gesichtslose Feinde, ihre Kultur noch nicht besonders gut ausgearbeitet. Erst mit Ralgha nar Hhallas Fahnenwechsel während der zweiten "Secret Missions" sowie der Handlung rund um Firekka bekam man einen ersten kleinen Einblick. So richtig lernten wir die Kilrathi dann aber erst in den folgenden Spielen kennen. Insofern fand ich gerade auch das erste Kapitel von "Die Befreier" ungemein interessant. Mercedes Lackey und Ellen Guon nahmen die wenigen Informationen, die aus den Spielen sowie dem Begleitmaterial wie den "Claw Marks" bekannt waren, und schufen daraufhin eine ungemein interessante, vielschichtige und vor allem sehr durchdachte Kultur. Angefangen von der Tatsache, dass die Kilrathi aufgrund ihrer vier Klauen pro Pfote nicht in Zehnern, sondern in Achten rechnen, über die hier beschriebenen Rituale und Bräuche, bis hin zu ihrer Gesellschaftsstruktur und ihrem Verhalten, fand ich den Einblick den man uns hier bot ungemein interessant und faszinierend. Schon allein so Einfälle wie das hochgestreckte Kinn als Anzeichen der Unterwürfigkeit – da man seinem Vorgesetzen die Halsschlagader darbietet – fand ich ungemein gelungen. Hier gelang es den beiden Autorinnen auf grandiose Art und Weise, aus den damals noch wenigen bekannten Informationen aufzubauen, und eine echte außerirdische Kultur zu erschaffen. Gleiches machen sie übrigens – wenn auch nicht ganz so detailliert – dann noch einmal bei den Firekkanern, wo mir die Beschreibung ihrer Welt und ihrer Gesellschaftsstruktur ebenfalls wahnsinnig gut gefallen hat. Was bei "Die Befreier" ebenfalls hervorsticht, ist, dass er trotz der Thematik rund um einen militärischen Konflikt zwischen Menschen und Kilrathi nie wie ein "klassischer" Military-SF-Roman wirkt. Vielmehr stehen statt der militärischen Auseinandersetzung an sich (wenn diese natürlich auch zweifellos eine Rolle spielt und immer wieder thematisiert wird) die Figuren selbst im Mittelpunkt. Vor allem Hunter – der mir auch schon in den Spielen sehr sympathisch war – lernen wir hier nun, no na, deutlich besser kennen. Die beiden Autorinnen haben sichtlich Spaß daran, den Australier zwar einerseits als klischeehaften, abgebrühten, Zigarre rauchenden und dem Alkohol nicht abgeneigten Kampfpiloten zu schreiben – schaffen es aber zugleich, dass er nie zu einer eindimensionalen Schablone verkommt. Sehr interessant fand ich auch den Einblick, den wir in Kirha's Persönlichkeit – und damit die Denkweise der Kilrathi – bekamen. Und auch K'Kai ist sehr gut ausgearbeitet. Generell gefiel es mir sehr gut, dass man sich nicht rein auf die Menschen konzentriert, sondern eben auch den Außerirdischen sehr viel Platz einräumt. Und auch die Handlung selbst fand ich sehr gelungen. Diese folgt zwar über weite Strecken natürlich dem aus den "Secret Missions" bekanntem Verlauf, wurde jedoch von Mercedey Lackey und Ellen Guon da und dort noch einmal ausgeschmückt und erweitert. Generell finde ich, hätten sich die beiden kaum eine bessere Vorlage für ihren Roman finden können. Immerhin waren sowohl das erste Grundspiel als auch die ersten "Secret Missions" handlungstechnisch noch eher dürftig. Erst mit der zweiten Erweiterung "Crusade" kamen mit der Firekka-Kampagne, dem Überläufer usw. ein paar komplexere Handlungsstrukturen hinein. Diese hier nun in "Die Befreier" weiter ausgearbeitet zu sehen, war für mich als Fan der Spiele schon sehr interessant. Wenn man unbedingt ein Härchen in der Suppe finden will, könnte man kritisieren, dass die Weltraumkämpfe – die ja der zentrale Bestandteil von "Wing Commander" sind – hier eher in den Hintergrund rücken, und sich generell Action und Spannung nur auf wenige einzelne Momente beschränken. Mich persönlich hat dies überhaupt nicht gestört, und die wenigen Weltraumkämpfe die ihren Weg in "Die Befreier" fanden, fand ich dafür umso gelungener (vor allem auch, da sich die beiden Autorinnen weniger auf spezifische Flugmanöver konzentrieren, als vielmehr das Kampfgeschehen eher von einer allgemeinen Warte aus beschreiben) – dennoch muss (und wird) die sehr charakterorientierte Herangehensweise, welche die beiden hier verfolgen, nicht unbedingt jedem gefallen. Generell ist der Ton ein eher lockerer, und wartet "Die Befreier" mit zahlreichen lustigen Momenten auf. Zwar wird auf den Preis, den der Krieg fordert, auch in diesem Roman nicht vergessen, und die entsprechenden dramatischen Wendungen verfehlten die gewünschte Wirkung bei mir nicht, insgesamt sind Lackey und Guon aber eher daran interessiert, den Leser zu unterhalten – was ihnen in meinem Fall auch sehr gut gelungen ist –, als ihn über die Grausamkeiten des Krieges zu belehren. Auch da könnte ich mir vorstellen, dass das Endergebnis so manchem etwas gar zu luftig-leicht ist. Der daraus resultierende, den ganzen Roman hindurch überaus hohe Unterhaltungswert hat diesen potentiellen Kritikpunkt allerdings zumindest für mich wett gemacht. Das einzige, was mir weniger gut gefallen hat, war das kurze Duell zwischen Hunter und dem Kilrathi gegen Ende des Romans. Davon abgesehen hat mich "Die Befreier" aber bestens unterhalten. Fazit: Mit "Die Befreier" – dem allerersten Roman, der zur Computerspiele-Reihe erschienen ist – legten die beiden Autorinnen Mercedes Lackey und Ellen Guon für ihre Nachfolger die Latte bereits überaus hoch. Tonal und inhaltlich unterscheidet er sich dabei sehr stark von den späteren Forstchen-Abenteuern; so ist das Endergebnis weniger "Military-SF" als vielmehr ein sehr charakterorientierter SF-Roman, der eben nicht den militärischen Konflikt an sich, sondern vielmehr die Figuren, in den Mittelpunkt stellt. Trotz einzelner düster-tragischer Wendungen ist der Ton dabei überwiegend ein luftig-lockerer, gibt es immer wieder amüsante Momente, die das Geschehen auflockern. Die Geschichte selbst basiert auf der zweiten "Secret Missions"-Zusatzkampagne "Crusade", wobei es den Autorinnen sehr gut gelingt, auf die aus dem Spiel bekannte Handlung aufzubauen und diese zu erweitern. Die größte Stärke war für mich aber der faszinierende Einblick in die Kultur Kilrathi – und, in geringerem Ausmaß, der Firekkaner – den er bot. "Wing Commander"-Fans verdanken Mercedes Lackey und Ellen Guon zahlreiche Rituale, Bräuche und Gepflogenheiten, die auch in den weiteren Romanen immer wieder aufgegriffen wurden, und die aus den im ersten Spiel doch noch eher eindimensionalen, gesichtslosen Schurken zum ersten Mal eine faszinierende, vielschichte Zivilisation machten. Insgesamt ist "Die Befreier" ein phantastischer Roman, der vor allem – aber nicht nur! – "Wing Commander"-Fans bestens unterhalten sollte. Bewertung: 4.5/5 Punkten
Christian Siegel
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