Laurence Anyways
Eine persönliche, ergreifende Geschichte Kategorie: Filme - Autor: Michael Spieler - Datum: Mittwoch, 29 Januar 2014
 
 
Laurence Anyways
Originaltitel: Laurence Anyways
Produktionsland/jahr: CAN/F 2013
Bewertung:
Studio/Verleih: Lyla Films/EuroVideo
Regie: Xavier Dolan
Produzenten: U.a. Charles Gillibert, Nathanaël Karmitz & Lyse Lafontaine
Drehbuch: Xavier Dolan
Filmmusik: Noia
Kamera: Yves Bélanger
Schnitt: Xavier Dolan
Genre: Drama
Kinostart Deutschland: 27. Juni 2013
Kinostart USA: 28. Juni 2013
Laufzeit: 168 Minuten
Altersfreigabe: Ab 12 Jahren
Trailer: YouTube
Kaufen: Blu Ray, DVD
Mit: Melvil Poupaud, Suzanne Clément, Nathalie Baye, Monia Chokri, Susan Almgren, Yves Jacques u.a.



Kurzinhalt: Der Mittdreißiger Laurence ist Lehrer für Literatur an einer Schule in Montreal, wo er Ende der 80er Jahre mit seiner Freundin lebt. Eines Tages hat er keine Lust mehr, sich zu verstecken und seinen Gefühlen nicht länger Ausdruck zu verleihen: Er hat bei ihr sein Coming-Out als Transfrau. Über die nächsten 10 Jahre verfolgen wir nicht nur ihre äußerliche Transformation hin zur Geschlechtsangleichung, sondern auch den Wandel ihrer Beziehungen zu den Menschen um sie herum…

Review: Szenenbild. Xavier Dolan, der junge frankokanadische Regisseur, Drehbuchautor und Schauspieler, brachte - nach "I Killed My Mother" und "Herzensbrecher" - 2012 einen weiteren Film aus eigener Feder auf die Leinwand. "Laurence Anyways" erreichte Deutschland letztes Jahr und steht jetzt in den Regalen. Seine Filme waren bisher teilweise autobiographisch, weswegen er auch immer eine der Hauptrollen übernahm, hier überlässt er dem Franzosen Melvil Poupaud ("Die Zeit die bleibt") das Feld, der die Laurence und ihren Kampf um Akzeptanz eindringlich spielt. Seltsam und zu allererst fällt seine Wahl des Bildformats auf. Anstatt normalem Kinoformat begegnet uns etwas in der Richtung von 4:3, und ich wünschte mir meinen alten Röhrenfernseher zurück. Ob er damit die Epoche, in der die Geschichte spielt, auch technisch zementieren wollte, ist mir nicht ganz klar, es war auf jeden Fall seltsam und ich wäre auch damit klar gekommen, wenn dieser außergewöhnlichen Liebesgeschichte mehr Fläche zugestanden worden wäre. Denn so oft wird Transsexualität jetzt nicht thematisiert, dass man sich da als Filmemacher selbst einschränken müsste. Der Einsatz der entsprechenden Musik ("Bette Davis' Eyes", "Fade to Grey", "Enjoy the Silence") in voller Lautstärke fühlte sich an wie ein Klassenfahrts-Mixtape. Das war zwar schön für einen Giggle-Moment… aber nur, bis einem auffällt, wie klischeehaft das ist.

Dolans Charaktere sind verletzlich, voller Fehler, real. Man verliebt sich in sie während des Films und will sie aus ihrer Zeit holen. Damals galt Transsexualität noch als psychische Störung. Neben Poupaud, der Laurence spielt, kann Suzanne Cléments Leistung, die Frederique darstellt, und schon in Dolans "I Killed My Mother" zu sehen war, unmöglich unerwähnt bleiben. Laurences Offenbarung trifft Fred völlig unerwartet, und nach ihren eigenen Anstrengungen, sich über ihre Gefühle klarzuwerden, kehrt sie zu Laurence zurück. Wir erleben, wie sie fast doppelt so viel Energie für die Umwelt aufbringen muss, als Laurence selbst, wodurch ihre Beziehung langsam aber sicher zerbricht. Ihre Liebe jedoch nie.

Szenenbild. Dolan neigt zu langen Zeitlupeneinstellungen, die die Gefühlswelt seiner Figuren metaphorisch wiederspiegeln sollen. Leider kratzt der Film dadurch gefährlich nah daran, langweilig zu werden; langatmig ist er mit seinen 159 Minuten schon. Tatsächlich versucht er durch die Monats- oder Jahrsprünge durch die 1990er Jahre, Abschnitte zügig voranzutreiben, in denen dann aber manchmal auch nicht allzu viel an Entwicklung stattfindet. Fast gänzlich fehlt auch eine Form der humoristischen Brechung, der durch einen Part im Film erreicht werden soll, der mit Laurence selbst jedoch kaum etwas zu tun hat und von ihr ablenkt, weswegen davon tatsächlich auch große Teile geschnitten wurden. An der Stelle war sich Dolan wohl nicht ganz so sicher, ob es beim Kammerspiel zwischen hauptsächlich zwei Personen (Laurence und Frederique) bleiben sollte. Beide Hauptfiguren sind zudem, leider, fast durchweg unglaublich melancholisch und wie getrieben. Alle befinden sich immer irgendwie am Rande des Nervenzusammenbruchs, was Laurences Entwicklung in den Schatten zu stellen droht. Etwas, das ja eigentlich eine Befreiung sein soll, wird beinahe zur unendlichen Last. "Transamerica", ein Film mit der gleichen Thematik, hat da den Spagat besser hinbekommen, war aber auch etwas oberflächlicher in seinen Konflikten und hatte nicht den Anspruch. eine Transfrau 10 Jahre lang zu begleiten.

Fazit: "Laurence Anyways" ist gleichzeitig ein Stück weit Zeitdokument und zutiefst persönliche, mitreißende Entwicklungsgeschichte. Leider verliert sich der Film ab und an auf Tangenten und in Dolans Zeitlupeneinstellungen, die ihn unnötig in die Länge ziehen. Mit seinen 160 Minuten ist "Laurence Anyways" einfach 40 Minuten zu lang, und eventuell hätte jemand anderes den Film schneiden sollen, als Dolan selbst. Für einen verträumtes Winterwochenende bietet er aber wunderschöne Bilder und eine ergreifende Geschichte, die es versteht aufwühlende Momente mit fast Meditativen zu verbinden.

Wertung:7 von 10 Punkten
Michael Spieler
(Bilder © 2013 EuroVideo Medien GmbH)


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