Der Herr der Ringe - Die zwei Türme
Nicht ganz auf dem Niveau des Vorgängers Kategorie: Filme - Autor: Christian Siegel - Datum: Montag, 12 Dezember 2011
 
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Der Herr der Ringe - Die zwei Türme
(The Lord of the Rings - The Two Towers, USA/NZ 2002)
 
Der Herr der Ringe - Die zwei Türme
Bewertung:
Studio/Verleih: New Line Cinema/Warner Bros.
Regie: Peter Jackson
Produzenten: U.a. Peter Jackson, Barrie M. Osborne, Tim Sanders, Fran Walsh, sowie Bob & Harvey Weinstein
Drehbuch: Fran Walsh, Philippa Boyens & Peter Jackson, nach dem Roman von J.R.R. Tolkien
Filmmusik: Howard Shore
Kamera: Andrew Lesnie
Schnitt: Michael Horton
Genre: Fantasy
Kinostart Deutschland: 18. Dezember 2002/td>
Kinostart USA: 18. Dezember 2002
Laufzeit: 179 Minuten (Kinofassung)
Altersfreigabe: Ab 12 Jahren
Trailer: YouTube
Kaufen: Blu Ray (SEE-Trilogie), Blu Ray (Kinofassung), DVD (SEE), DVD (Kinofassung), Soundtrack, Soundtrack (Complete Recordings), Romanvorlage
Mit: Elijah Wood, Ian McKellen, Sean Astin, Billy Boyd, Dominic Monaghan, Viggo Mortensen, Orlando Bloom, John Rhys-Davies, Bernard Hill, Miranda Otto, Karl Urban, Hugo Weaving, Liv Tyler, Cate Blanchett, Brad Dourif, Christopher Lee u.a.


Kurzinhalt: Die Gemeinschaft ist zerbrochen: Während Sam und Frodo nach Mordor aufbrechen, jagen Aragorn, Legolas und Gimli eine Gruppe Uruk-Hai, die Merry und Pippin gefangengenommen haben. Diese können bei einem Angriff zwar ihren Häschern entfliehen, dabei verschlägt es sie jedoch in dem geheimnisvollen Fangorn-Wald, wo sie schließlich die Bekanntschaft von Baumbart, einem Baumhirten, machen. Auch die drei Jäger kommen schließlich auf ihrer Suche nach den beiden Hobbits in diesen Wald, und treffen dort einen verloren geglaubten Verbündeten. Währenddessen werden Frodo und Sam von Gollum angegriffen, können ihn jedoch überwältigen. Um nicht von ihnen zurückgelassen zu werden, willigt Gollum ein, die beiden Hobbits nach Mordor zu führen. Schon bald treffen sie am schwarzen Tor ein, und müssen erkennen, dass ihre Mission auf diesem Weg keine Aussicht auf Erfolg hat. Doch Gollum kennt noch einen anderen, geheimen Weg, und so bleibt die Hoffnung darauf, die große Aufgabe doch noch zu erfüllen, am Leben. Währenddessen treffen Aragorn und seine Gefolgschaft in Rohan ein, der Heimat der Pferdeherren. Saruman hat eine riesige Armee von Uruk-Hai gezüchtet, und will damit das Volk Rohans vernichten. König Theoden beschließt, sich nach Helms Klamm zurückzuziehen, um sich der Übermacht aus dem Schutz dieser Schlucht heraus zu stellen. Dort kommt es dann schließlich zur ersten großen Schlacht im Krieg um Mittelerde…

Spoilerwarnung! Im Gegensatz zu "Die Gefährten" muss ich diesmal leider auch ein wenig Kritik üben - und eben dafür muss ich teilweise recht genau auf die Handlung eingehen. Wenn ihr den Film noch nicht gesehen habt, empfehle ich daher, nur das Fazit zu lesen, und diese unverzeihliche cineastische Lücke unverzüglich zu schließen!

Review: ImageLasst uns zu Beginn eins klarstellen: "Der Herr der Ringe – Die zwei Türme" ist ein guter, nein, ein sehr guter Film. Aber: Dem genialen, bis auf einen kurzen Moment abgesehen absolut perfekten Vorgänger kann er – zumindest in der Kinofassung – nicht ganz das Wasser reichen. Die Gründe dafür sind vielfältig, und auch wenn es sich bei den meisten davon um verhältnismäßig kleine Kritikpunkte handelt, die sich angesichts der zahlreichen Stärken kaum in meinem Gesamteindruck und damit auch der Wertung niederschlagen, so möchte ich sie doch in aller Ausführlichkeit besprechen. Die meisten davon sind auf Änderungen an der Vorlage zurückzuführen – denn da sind wir schon beim ersten Punkt. Während ich bei "Die Gefährten" die Kritik am Film ans Adaption der Vorlage nicht nachvollziehen konnte, da natürlich viel gekürzt, aber nur sehr wenig wirklich geändert wurde, haben Peter Jackson und seine Drehbuch-Mit-Autorinnen diesmal doch einige, teils eklatante, Änderungen vorgenommen und auch einige neue Szenen und Entwicklungen eingebaut – und in den meisten Fällen stellen diese leider keine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung dar.

Diesbezüglich am schlimmsten hat es wohl den armen Faramir erwischt, der hier quasi zu einem einfachen Boromir-Klon verkommt – wobei ich offen gestanden Faramir, so wie er hier dargestellt wurde, sogar noch schlimmer fand als seinen großen Bruder. Denn Boromir war ja an und für sich kein schlechter Kerl. Ja, ok, er wollte den Ring benutzen um das Volk bzw. Mittelerde generell zu retten, aber nachdem sich Elronds Rat dagegen entschieden hatte, akzeptierte er dies, und bat der Gemeinschaft seine Hilfe beim Unterfangen an, den Ring zu vernichten. Einige Szenen deuten an, was für ein netter Kerl er ist, und wie sehr er die Hobbits mag. Er ist also eine durch und durch gute Persönlichkeit, die vom Ring korrumpiert und dazu verführt wird, Frodo anzugreifen. Unmittelbar darauf bereut er dies auch schon zutiefst, und gibt bei dem Versuch, die Hobbits zu beschützen, letztendlich sogar sein Leben. Aber Faramir? Anfangs weiß er noch gar nicht, dass der Ring in seiner Nähe ist, und schon benimmt er sich wie ein (sorry) Arschloch. Ein krasser Gegensatz zum Buch, der mir schon ziemlich zugesetzt hat. Gut, ok, ich sehe ja ein, dass es dramaturgisch nicht sehr interessant gewesen wäre, wenn er ihnen bereitwillig die Türe geöffnet und sie mit einem "Macht's gut!" weitergeschickt hätte. Aber so extrem hätte man ihn nun auch wieder nicht darstellen müssen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass man – in der Kinofassung – seine Motivation nicht nachvollziehen und damit in keinster Weise mit ihm sympathisieren kann. Last but not least kommt mir auch seine Wandlung am Ende zu schnell, überhastet, und war für mich absolut nicht nachvollziehbar. Zuerst will er sich partout nicht davon abbringen lassen, Frodo und den Ring nach Gondor zu bringen, dann will Frodo dem Nazgul den Ring geben, Sam hält seine Rede, und schon "verstehen sie sich", und Faramir lässt Frodo ziehen. Öhm… was?!?!?!

ImageWo wir schon bei dieser Szene sind: Dass es Faramir, Frodo, Sam und Gollum nach Osgiliath verschlägt, finde ich ja an sich genommen noch nicht so schlimm, und kann ich nicht zuletzt dank Sam's herrlich selbstironischen Kommentar "Wir sollten eigentlich gar nicht hier sein, an diesem Ort" verschmerzen. Auch das Frodo schließlich einfach nicht mehr kann und nur mehr will, dass es vorbei ist – selbst wenn dies bedeutet, Sauron den Ring zu überlassen, finde ich gelungen. Grundsätzlich ist das ein hochdramatischer Moment, der die schwere jener Bürde die er zu tragen hat noch einmal verdeutlicht. Aber dass Frodo dem Nazgul den Ring vor die Nase hält, und dieser ihn einerseits nicht wirklich zu erkennen scheint, und er sich andererseits nach dem Treffer eines einzigen läppischen Pfeils vertreiben lässt, lässt sowohl den Ringgeist als auch sein furchterregend aussehendes Flugtier in einem weniger bedrohlichem Licht erscheinen, und nimmt beiden einiges von ihrem Schrecken. Hier hat Peter Jackson meines Erachtens bei der Umsetzung der Szene einfach übertrieben – wenn Frodo nur auf den Ringgeist zugegangen wäre, hätte dies für eine mordsspannende Szene schon mehr als gereicht. Alles darüber hinaus war zu viel des Guten, und einfach nur unnötig.

Apropos unnötig – das perfekte Stichwort für die nächste große Änderung – in diesem Fall eine Ergänzung – zur Vorlage: Der Angriff der Warg-Reiter. Auch hier kann ich grundsätzlich nachvollziehen, warum sich Peter Jackson & Co. dazu entschlossen haben, diesen einzubauen. Einerseits wollte er als großer Fan der Vorlage diese schon immer mal auf der großen Leinwand in Aktion sehen, und andererseits drohte der Film zu diesem Zeitpunkt ja in der Tat ein wenig an Tempo und Spannung zu verlieren; da tat das bisserl Action ja eigentlich ganz gut. Das Problem ist nur: Der Warg-Angriff ist eher dürftig umgesetzt. Schlecht inszeniert, ein wildes Durcheinander, in keinster Weise packend, und so gut die Effekte von Weta Digital üblicherweise auch sind, die Warge können einfach nicht überzeugen, sie wirken nicht echt. Eben dadurch, dass sonst alles so real aussieht, ergibt sich hier ein recht starker Bruch, der einen erst recht noch viel stärker aus dem Film reißt. Und, ganz ehrlich: Von allen Actionszenen der Trilogie war sie die mit Abstand überflüssigste, da sie als einzige keinen narrativen Zweck erfüllt, sondern einzig und allein dazu da ist, gegen die drohende Langeweile in diesem Mittelteil des Films anzukämpfen. Und dramaturgische Gründe sind in solchen Fällen halt doch immer die schlechtesten –wie es sich leider auch hier wieder zeigt. Eher zwiespältig stehe ich auch dem Ausgang dieses Kampfes gegenüber. War es wirklich nötig, Aragon über die Klippe springen zu lassen, und uns damit einen weiteren Scheintod in einer an Scheintoden nicht gerade armen Trilogie zu präsentieren? Ich gebe ja unumwunden zu, ich liebe die "Du kommst spät. Du siehst fürchterlich aus."-Szene zwischen Legolas und Aragorn, und mir ist bewusst, dass diese ohne diesen vermeintlichen Tod nicht möglich gewesen wäre, weshalb ich damit mittlerweile zumindest ansatzweise Frieden geschlossen habe. Eine unnötige Änderung ist und bleibt es aber trotzdem.

ImageEine weitere recht umstrittene Änderung, die ich ebenfalls eher kritisch sehe, ist der Ausgang des Enttings. In Buch entscheiden sich die Ents sofort, Saruman die Stirn zu bieten. Peter Jackson und Konsorten wollten das Ganze noch ein bisschen spannender machen, wodurch sie dem Ansehen der Ents aber leider doch ziemlich geschadet haben, wie ich finde. Was ist Baumbart denn bitte schön für ein Baumhirte, wenn er nicht einmal merkt, dass Saruman seinen Wald abholzen lässt??? Man könnte das ja noch verstehen, wenn er überhaupt keine Ahnung hätte, was in Isengard vor sich geht (und selbst DAS wäre noch bedenklich), aber grundsätzlich scheint er ja über Saruman's Wandel Bescheid zu wissen ("Es steigt immer Rauch auf in Isengart dieser Tage")! Außerdem will die plötzliche Entscheidung zum Angriff so gar nicht zur ansonsten doch eher gemächlichen "Nicht so hastig!" Natur der Ents passen. Andererseits zeigt die Szene jedoch zugegebenermaßen, dass Pippin sich weiterentwickelt hat, und sich von einem relativ unbeschwerten "närrischen Tuk" langsam aber sicher zu jemandem wandelt, der den Ernst der Lage erkennt, und seinen Beitrag dazu leisten will, die Welt zu retten.

Neben dem bösen Faramir die mit Abstand schlimmste Änderung ist aber für mich die Überdramatisierung des Konflikts von und rund um Arwen. Dass Aragorn ihr kurz vor seinem Abschied aus Bruchtal gesagt hat, dass sie in den Westen segeln soll… hmpf… meinetwegen, wenn es unbedingt sein muss. Aber Elrond als intriganter Vater, der zuerst Aragorn dazu manipuliert seine Tochter zu "verstoßen" und sie danach mit der extrem schnulzigen und mit Abstand grauenhaftesten Dialogzeile der kompletten Trilogie – "Besitze ich nicht auch deine Liebe?" – in emotionale Geiselhaft nimmt? Peter Jackson, Phillipa Boyens und Fran Walsh… jetzt mal ehrlich: Was zum Teufel ist da nur in euch gefahren? Da können die zwei Minuten zuvor über Aragorn und Arwen's weiteres Schicksal noch so gelungen gewesen sein, aber das war einfach nur grottig. Doch auch abseits von großen oder kleineren Änderungen, die Peter Jackson im Vergleich zu Tolkiens Romanvorlage vorgenommen hat, gibt es noch ein paar kleinere Schwächen. So schleicht sich langsam aber sicher doch ein wenig das Superhelden-Syndrom ein, welches mir vor allem bei Aragorn negativ aufgefallen ist. Da kann er zusammen mit einer Leiter umkippen und auf eine Horde Uruk-Hai fallen, allein einer Übermacht von Feinden gegenüberstehen: Aragorn ist "unkaputtbar". Nun verstehe ich schon, dass Herr der Ringe natürlich auch eine Geschichte über Helden ist, aber hier wäre meiner Ansicht nach weniger manchmal mehr gewesen. Wenn man an der Inszenierung der Schlacht um Helms Klamm Kritik übt, kommt man natürlich auch nicht daran vorbei, auf den "Fackelträger" einzugehen. Ich weiß nicht, ob dies von Peter Jackson beabsichtigt war, aber ich musste da sofort an olympische Spiele denken, und hatte unwillkürlich Whitney Houstons "One Moment in Time" im Ohr. Jedenfalls hat mich dies eher zum Schmunzeln angeregt, als an meinen Fingernägeln knabbernd im Kinosessel zu versinken und zu hoffen, dass Legolas den Knaben erwischt.

ImageWo wir schon grade bei der Schlacht um Helms Klamm sind: Ich weiß schon, dass es wichtig war, uns zu zeigen, was auf dem Spiel steht, und warum die Menschen und Elben gegen Saruman's Armee in den Kampf zieht. So gesehen war es durchaus ein guter Einfall, uns die Frauen und Kinder in den Höhlen zu zeigen, und uns eben dies bewusst zu machen. Kein guter Einfall war es hingegen, der Aufmerksamkeitsspanne und Intelligenz der Zuschauer so wenig zuzutrauen, dass Peter Jackson meinte, uns alle paar Minuten immer wieder daran erinnern zu müssen, und ständig von der Schlacht weg zu den verängstigten Frauen und Kindern geschwenkt ist. Mit der Zeit war mir das einfach zu dick aufgetragen, und viel zu pathetisch, und störend. In eine ähnliche Kerbe schlägt meine Kritik an einer der ersten Szenen des Films: Die Bauern werden von den bösen Menschen, angegriffen, und eine Mutter verabschiedet sich von ihren Kindern. Vor allem das "Ich will nicht fort, Mami" war mir dann doch etwas zu dick aufgetragen. Gleiches gilt übrigens für Sam's Eifersüchtelei à la "Du hast doch nur mehr Augen für den Ring", wo vor allem auch die Wortwahl unglücklich ist und diese Szene unfreiwillig komisch werden lässt. So gelungen die Frodo/Sam/Gollum-Storyline ansonsten auch ist, in dieser Szene hat Jackson leider ebenfalls über das Ziel hinausgeschossen, und es verfehlt. Last but not least: Auch wenn es nach dem großen dramatischen Höhepunkt die Handlung noch etwas hinausgezögert hätte, hätte meines Erachtens aus dramaturgischer Sicht die letzte Konfrontation mit Saruman ans Ende dieses Films gehört, um sich bei der "Rückkehr des Königs" dann vollends auf Sauron konzentrieren zu können. Auf die paar Minuten wär's auch nicht mehr angekommen…

So, das war's jetzt dann aber auch an Kritik, kommen wir endlich zu den – natürlich zahlreich vorhandenen – Stärken und positiven Aspekten des Films. Was die Ausstattung betrifft, so steht der 2. Teil dieser Trilogie seinem Vorgänger in nichts nach. Wieder weisen die Kostüme und Requisiten einen schier unfassbaren Detailreichtum auf, der diesem Film erst das richtige Maß an Realismus verleiht. Auch die Schauspieler tun wieder ihr Übriges, damit man vollkommen vergisst, dass es sich hier "nur" um einen Film handelt. Es gibt keine Performance, die den Eindruck des Films in irgendeiner Weise trüben würde. Die Riege der Darsteller wird unter anderem durch Brad Dourif, David Wenham, Karl Urban, Bernhard Hill und Miranda Otto erweitert, die sich allesamt mit ihren Leistungen nicht hinter der Performance der "alten Garde" verstecken müssen. Was die Effekte betrifft, so sind diese, vom Warg-Angriff einmal abgesehen, wieder sehr gut gelungen. Peter Jackson und das Team von WETA Digital tun wirklich ihr bestes, damit selbst aus dem Computer geschaffenes, seien es nun Gebäude oder Figuren wie Baumbart (Gollum ist ohnehin ein eigenes Kapitel, dem ich mich in Kürze gleich noch zuwenden werde), so realistisch wie möglich erscheinen, und meist gelingt ihnen dies auch. Peter Jacksons Inszenierung kann erneut gefallen, und beschert uns einige imposante Bilder, die in Erinnerung bleiben. Auch was die Filmmusik betrifft, so gilt das beim Vorgänger gesagte: Der Soundtrack zur "Herr der Ringe"-Trilogie ist womöglich die größte Leistung eines Filmkomponisten in der Geschichte dieser Kunstform. Für "Die zwei Türme" reichert er die musikalische Klangkulisse um einige neue, interessante Themen an, die sich allesamt nahtlos in das Klangbild des Vorgängers einreihen, und dieses gelungen erweitern. Besonders auffällig waren dabei für mich von den neuen Themen das Motiv für Rohan, sowie die großartige Musik für den letzten Marsch der Ents.

ImageDie Handlung aus "Die zwei Türme" trennt sich, nachdem die Gemeinschaft des Ringes am Ende von "Die Gefährten" zerbrochen ist, in drei Teile. Der kürzeste davon ist jener von Merry und Pippin, die nach ihrer Flucht vor den Uruk-Hai auf Baumbart treffen. Es ist vor allem dieser Teil des Films, in dem einige der wichtigsten Aussagen aus J.R.R. Tolkiens Romantrilogie – wie die zunehmende Industrialisierung und die damit einhergehende Verdrängung der Natur ("Niemandem liegt der Wald mehr am Herzen"), sowie den Anspielungen auf den zweiten Weltkrieg, als viele Länder viel zu lange zugesehen haben, ehe sie sich endlich dazu entschlossen, für die gerechte Sache einzustehen ("Aber ihr seid Teil dieser Welt!"). Dennoch ist sie von allen drei Handlungen wohl die verhältnismäßig banalste und jene, die mangels Höhepunkten lange Zeit nicht wirklich begeistern kann. Erst der letzte Marsch der Ents, als diese aufbrechen um Isengart zu stürmen, ist dann aber – vom Kritikpunkt der allzu hastigen Entscheidung und Truppenversammlung – ganz groß, und gehört u.a. auch dank Howard Shore's Score zu den ganz großen Highlights, sowie den wenigen magischen Momenten des Films.

Deutlich mehr Zeit nimmt die Geschichte der drei Jäger ein. Auch dort gibt es relativ früh gleich ein kleines Highlight zu bestaunen, nämlich als sie von Eomer gestellt werden, und Legolas ohne zu zögern für Gimli einsteht. Es ist nur ein kurzer Moment, der jedoch sehr schön zeigt, wie sich zwischen den beiden langsam aber sicher eine Freundschaft entwickelt. Nach einer gut geschnittenen Szene, als man Aragorns Detektivarbeit rund um die beiden Hobbits mit den Geschehnissen der vorangegangenen Nacht abwechselt, treffen sie im Fangorn-Wald treffen schließlich unerwartet auf einen alten Bekannten: Gandalfs Rückkehr ist grandios umgesetzt und zählt für mich ebenfalls zu den besten Szenen des Films. Wie er zuerst mit der Stimme von Saruman spricht und sich diese erst langsam in seine wandelt, ehe er sich schließlich uns und den drei Jägern offenbart, ist einfach nur perfekt gemacht. Und nachdem man uns bereits zu Beginn des Films in einer sehr packenden Szene einen Auszug des Kampfes zwischen Gandalf und dem Balrog gezeigt hat (wo jedoch aufmerksamen Zuschauern auffallen wird, dass die Schnittfolge der Szene von Gandalfs Sturz leicht geändert wurde), sehen wir nun auch, wie es ihm schließlich gelang, ihn zu besiegen. Nun verschlägt es die vier Gefährten nach Rohan, deren wichtigste Personen wir zuvor bereits in kurzen Szenen kennengelernt haben. Brad Dourif ist als Grima einfach nur eine Wucht – vor allem jene Szene als er versucht, Eowyn zu bezirzen, ist grandios; er durchschaut sie genau, und drückt zielgerichtet auf ihren wunden Punkt. Mit der Ankunft der vier Gefährten erhält auch die Hoffnung in Edoras' Hallen Einzug: Nachdem es Gandalf in einem der zahlreichen kleinen humoristischen Einlagen des Films gelungen ist, seinen Stab an der Wache vorbeizuschmuggeln, befreit er König Theoden vom Zauber Sarumans. Diese "Weiche!"-Szene wurde aufgrund ihrer Ähnlichkeiten mit "Der Exorzist" oftmals kritisiert, mich haben diese Parallelen jedoch nicht gestört. Und vor allem jener Moment, als Saruman erkennt, dass er geschlagen wurde, ist grandios.

ImageKurz darauf trifft König Theoden die Entscheidung, sich nach Helms Klamm zurückzuziehen, und es folgt der bereits zuvor erwähnte (bzw. kritisierte) Warg-Angriff. Wie zuvor schon kurz erwähnt ist aber selbst dieser Teil der Handlung nicht frei von Höhepunkten: Sarumans Rede an seine Armee (mit Abstand die imposanteste Szene aus dem Trailer, deren Kamerafahrt durch Reihe und Reihe an Uruk-Hai-Kämpfern auch im Film selbst nichts von ihrer Wirkung einbüßt), Elrond's düsterer Blick in die Zukunft von Aragorn und Arwen, Eowyn's Trauer, und vor allem das Wiedersehen zwischen Aragorn und Legolas. Sehr gut haben mir auch die Kampfvorbereitungen gefallen, und wie es kurzzeitig zu einem kleinen Streit zwischen Legolas und Aragorn kommt, und letzterer daraufhin für einen kurzen Moment die Hoffnung verliert. Trotz aller Düsternis wird das Geschehen in "Die zwei Türme" aber wie schon beim Vorgänger immer wieder humoristisch aufgelockert – wobei auch hier in erster Linie Gimli dafür zuständig ist; wie z.B. hier mit dem Kettenhemd, oder auch etwas später als er nicht über die Brüstung sieht. Für mich sind diese genau genommen ja sehr kleinen und kurzen Szenen und Momente ungemein wichtig, und ich glaube, dass sie mehr zum Unterhaltungswert des Films beitragen, als dies so manchem bewusst sein mag.

Mit Theoden's Gedicht vor der Schlacht – ein weiterer der diesmal im direkten Vergleich zum Vorgänger etwas spärlicher gesäten magischen Momente – wird man perfekt auf den bevorstehenden Kampf eingestimmt, der dann auch hält, was die Trailer und die Vorbereitung darauf aus dem Film versprachen. Die Schlacht um Helms Klamm ist für mich ganz klar das Action-Highlight der Trilogie. Wie es Peter Jackson hier gelingt, einerseits eine spannende, packende, temporeiche und auch irgendwie chaotische Schlacht zu präsentieren, jedoch ohne dass man dabei jemals den Überblick verlieren würde, was gerade passiert und wer sich so auffällt, ist absolut meisterlich. Ihm ist bewusst, dass wir zu den anonymen Kämpfern der Schlacht längst nicht jenen Bezug haben wie zu unseren Helden, weshalb er sich in erster Linie auf deren "Mini-Abenteuer" innerhalb der Schlacht konzentriert – jedoch ohne dabei das große Ganze und die Geschehnisse drumherum jemals aus den Augen zu verlieren oder der Schlacht durch den ständigen Fokus auf vergleichsweise wenige Personen an Größe, Umfang und Epik zu nehmen. Jedenfalls finden sich auch während dieser Schlacht wieder einige grandiose Momente, wie Legolas Surf-Einlage auf dem Schild (ja, ich weiß, einigen war das zu trashig; ich finde es einfach nur köstlich), "Wirf mich", oder auch der Ausritt von Theoden und Aragorn. Eine der besten Szenen war für mich aber ganz klar Haldir's Tod, den Peter Jackson absolut phantastisch in Szene setzt. Wie sein Blick über die gefallenen Elben schweift und er die Tragweite des Opfers, dass sie für die Menschen erbringen erkennt (immerhin wären diese ja eigentlich unsterblich) – sehr bewegend, und von Howard Shore's Filmmusik auch gewohnt passend untermalt. Generell ist die Tatsache, dass die Elben an dieser Schlacht teilnehmen, für mich wohl die einzige der inhaltlichen Änderungen aus "Die zwei Türme", mit der ich nicht einfach nur leben kann, sondern die ich sogar begrüße. Der Höhepunkt der Schlacht, und der am stärksten wirkende magische Moment ist dann Gandalfs Ankunft bei Helms Klamm, und wie er und die Reiter von Rohan den Abhang hinunterstürmen. Sicherlich eine der besten Szenen der kompletten Trilogie.

ImageDas Herzstück des Films ist aber natürlich ganz klar der Handlungsstrang rund um Frodo, Sam und Gollum/Smèagol. Bis zu Faramirs Ankunft ist dieser Teil des Films – von der bereits erwähnten, etwas unglücklich umgesetzten Eifersuchts-Szene abgesehen, wobei dieser Moment kurz genug ist, dass ich wohlwollend über ihn hinwegsehen kann – absolut perfekt. Bei Gollum handelt es sich meines Erachtens um eine der komplexesten und interessantesten Figuren der Filmgeschichte – und das bei einer digitalen Kreation! Sein Zwiespalt, der in der Selbstgesprächsszene absolut perfekt zur Geltung kommt, wird sehr gut und mitreißend dargestellt. Generell ist was definitiv eine der besten Szenen des Films, vor allem auch aufgrund des Wechselbads der Gefühle, die sie uns beschert. Zu Beginn ist sein Selbstgespräch ja noch durchaus amüsant, doch mit jedem neuen Satz wird die Tragik der Figur mehr und mehr offenbart, bis man gar nicht mehr anders kann als mit dieser gepeinigten Seele mitzufühlen – und sich mit ihm zu freuen, als es ihm scheinbar gelingt, sich von Gollum loszusagen.

Einen wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung hat Frodo, der – wohl auch nach Gandalfs mahnenden Worten in den Minen von Moria – wohl die erste Person in einer sehr langen Zeit ist, die Gollum mit Höflichkeit und Vertrauen begegnet. Schließlich ist es dann vor allem jener Moment, als er Gollums längst vergessenen richtigen Namen ausspricht, in dem das Gute in diesem Wesen wieder erwacht – ein Moment, der grandios dargestellt ist, kann man doch seine Gedanken und Gefühle in seiner Mimik und Gestik perfekt nachvollziehen. Generell ist die Dynamik zwischen diesen drei Figuren einfach ungemein interessant. Frodo fürchtet, in Gollum seine Zukunft zu sehen – es ist also nicht nur Mitgefühl, dass in antreibt, sondern vor allem auch die Hoffnung, dass Gollum, wie er es auch Sam gegenüber erwähnt, wieder so werden kann wie er war. Er will und muss daran glauben können, weil dann auch für ihn Hoffnung besteht. Sam wiederum erkennt die Gefahr, die von Gollum – und dem Ring – ausgeht, und merkt, wie ihm Frodo zunehmend entgleitet, als der Einfluss des Rings immer stärker wird. Und Gollum/Sméagol… ist in erster Linie ein wunderbares Rätsel, aufgrund seiner Widersprüchlichkeit. So war es – sehr zu meinem Erstaunen – ja er, der Frodo aus dem Totensumpf befreit hat. Doch ging es ihm wirklich in erster Linie darum, Frodo zu retten, empfindet er so etwas wie Dankbarkeit für ihn, oder ging es ihm vielleicht doch vielmehr nur um den Ring? Als man Sméagol befreit und fröhlich herumhüpfend sieht, scheinbar befreit vom düsteren Einfluss des Rings und von Gollum, freut man sich mit ihm mit. Umso tragischer dann Frodo's "Verrat". Natürlich hatte er keine andere Wahl und hat Sméagol damit das Leben gerettet – doch solche komplexe Zusammenhänge kann der fast wie ein Kind wirkende Sméagol nicht verstehen. Als Gollum dessen Schmerz ausnutzt um wieder zurückzukehren, geht einem das wirklich zu Herzen.

ImageJedenfalls bietet dieser Handlungsstrang wirklich alles. Er ist packend, faszinierend, mitreißend, komisch, tragisch… genau genommen ist eigentlich jede Szene mit Gollum grandios, wobei für mich neben der bereits erwähnten Selbstgesprächs-Szene vor allem noch das köstliche Kaninchen-Kochen hervorsticht; definitiv das humoristische Highlight des Films. Einen großen Anteil daran, dass dieser Handlungsstrang so gut gelungen ist, hatten neben den Drehbuchautoren aber in erster Linie die Jungs und Mädels von WETA, sowie Andy Serkis. Damals wie heute stellt Gollum einen absoluten Meilenstein in der Animation von CGI-Figuren dar, der seither nur mehr äußerst selten – wenn überhaupt – erreicht wurde. Nicht nur sieht er ungemein photorealistisch aus, sondern er liefert tatsächlich eine komplexe, mitreißende und glaubwürdige schauspielerische Leistung ab, die, man muss es sagen, seine menschlichen Mitstreiter alt aussehen lässt. Er war die erste wirklich realistische CGI-Figur der Filmgeschichte; er sieht nicht weniger real aus als Frodo und Sam, mit denen er auch oft auf überzeugende Art und Weise interagiert. Jedenfalls kann man ob dieser Glanzleistung, die möglicherweise seither nach wie vor unerreicht ist, vor WETA Digital und Andy Serkis nur den Hut ziehen…

Abschließend möchte ich mich auch bei "Die zwei Türme" wieder ein wenig mit der "Extended Edition" des Films befassen. Während die erweiterte Fassung bei "Die Gefährten" einen ohnehin schon so gut wie perfekten Film nicht mehr besser machen konnte (wenn auch einige wirklich gute Szenen eingefügt wurden), so ist für mich jene zu "Die zwei Türme" die einzig wahre, definitive Version des Films. Er ist der einzige Teil der Trilogie, wo ich mir schwer damit tue, die Kinofassung einzulegen. Hauptgrund dafür ist, dass einer meiner größten Kritikpunkte in der erweiterten Fassung stark gemindert wird, nämlich die Darstellung von Faramir. Er handelt dort zwar nicht unbedingt netter, aber im Gegensatz zur Kinofassung kann man hier nun wenigstens seine Motivation nachvollziehen. Dadurch versteht man seinen inneren Konflikt, und findet ihn trotz seiner Entscheidungen Frodo gegenüber sympathisch. Davon abgesehen wirkt die erweiterte Fassung ganz einfach stimmiger und runder. Zwar ist keine der Szenen die hier eingefügt wurden unbedingt essentiell, aber sie lassen der Handlung und den Figuren mehr Zeit zum Atmen und ziehen dadurch zumindest mich stärker in den Film hinein. Jedenfalls profitiert nicht nur Faramir von den zusätzlichen Szenen, sondern alle Figuren. Die Handlung wirkt noch einmal größer und komplexer – und auch einiges an zusätzlichen Humor findet sich (allen voran Eowyns Kochkünste). Es soll jedoch auch nicht verschwiegen werden, dass die erweiterte Fassung von "Die zwei Türme" die einzige Szene aller der Filme (egal in welcher Fassung) enthält, die ich bei jeder Sichtung überspringe – nämlich Eowyns Klagelied. Mir ist klar, dass dieses nicht schön klingen soll, immerhin betrauert man ja den Sohn des Königs – aber bei dieser Szene schmerzen mir jedes Mal die Ohren. Meiner Begeisterung für die erweiterte Filmfassung tut dies jedoch keinen Abbruch – denn in der Extended Edition ist "Die zwei Türme" dem Vorgänger letztendlich doch noch nahezu ebenbürtig.

Fazit: ImageNach dem filmischen Meisterwerk "Die Gefährten" und dem möglicherweise besten Trailer aller Zeiten war die Erwartungshaltung gegenüber "Die Zwei Türme" größer als die Argonath: Man durfte nicht nur auf eine würdige Fortsetzung hoffen, vielerorts erwartete man sogar noch eine Steigerung im Vergleich zu Teil 1 – einem Anspruch, dem "Die zwei Türme" leider nicht gerecht werden konnte. Vielmehr ist es Peter Jackson aufgrund einiger kleinerer Schwächen nicht ganz gelungen, das – ungemein hohe – Niveau des Vorgängers zu halten. Faramir's Darstellung war mir in der Kinofassung doch etwas zu überzogen, zumal man dort seine Motivation nicht nachvollziehen konnte. Der Warg-Angriff erweist sich nicht nur als narrativ überflüssig, sondern ist zudem nicht sonderlich gelungen inszeniert, da untypisch hektisch – und führt zudem zu einem nicht minder überflüssigen Scheintod in einer an Scheintoden ohnehin schon nicht gerade armen Filmtrilogie. Darüber hinaus sind es vor allem noch kurze Einzelszenen und Momente, die mich stören – allen voran, wie Frodo dem Nazgul den Ring anbietet, sowie Elronds grauenhaft schnulziges "Besitze ich nicht auch deine Liebe?" an seine Tochter.

Im Vergleich zum Vorgänger fehlt es "Die zwei Türme" auch etwas an magischen Momenten. Diese sind zwar nach wie vor vorhanden, und einige davon können mühelos mit den besten Szenen des Vorgängers mithalten, aber insgesamt betrachtet treten sie hier um einiges seltener zu Tage als noch bei den "Gefährten". Demgegenüber stehen jene Aspekte, die mühelos das Niveau des Vorgängers zu halten vermögen. Dies betrifft die Ausstattung, Kostüme und Sets ebenso wie Peter Jacksons wieder einmal imposante Inszenierung, die erneut sehr gelungenen darstellerischen Leistungen, als auch Howard Shore's kongeniale Filmmusik. Was den Inhalt des Films betrifft, fällt unter anderem die Schlacht um Helms Klamm positiv auf, die wohl den Action-Höhepunkt der gesamten Trilogie darstellt. Auch der immer wieder eingestreute Humor weiß zu gefallen. Herzstück des Films ist aber zweifelsfrei die grandiose Handlung rund um Frodo, Sam und Gollum. Letzterer ist wohl die größte Stärke des Films, und die mit Abstand interessanteste Figur im Ensemble. Neben dem Drehbuch und der schauspielerischen Leistung von Andy Serkis fallen hier vor allem die digitalen Effekte positiv auf – ist WETA Digital doch mit Gollum ein absoluter Meilenstein in der Geschichte der CGI-Effekte gelungen. Absolut photorealistisch, und noch dazu mit einer derart überzeugenden und mitreißenden schauspielerischen Leistung, dass er seine Kollegen aus Fleisch und Blut fast alt aussehen lässt. Alles in allem ist "Die Zwei Türme" eine wirklich gelungene und würdige Fortsetzung und bleibt trotz der zahlreichen Kritikpunkte, die ich vorgebracht habe, ein fabelhafter und großartiger Film, dessen größtes Problem die schiere Perfektion des Vorgängers ist, die ihn im Endeffekt in einem schlechterem Licht erstrahlen lässt, als er es sich eigentlich verdient hat.

Wertung:9 (Kinofassung) bzw. 10 (Extended Edition) von 10 Punkten


Christian Siegel
(Bilder © Warner Bros.)


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Weiterführende Links:
Advents-Special 2011
Review zu "Der Herr der Ringe - Die Gefährten"







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