Originaltitel: Chrysalis
Episodennummer: 1x22
Bewertung:
Erstausstrahlung USA: 26.10.1994
Erstausstrahlung D: 17.12.1995 (Pro7)
Drehbuch: J. Michael Straczinsky
Regie: Janet Greek
Hauptdarsteller: Michael O'Hare als Cmdr. Jeffrey Sinclair, Claudia Christian als Lt. Comdr. S. Ivanova, Jerry Doyle als Michael Garibaldi, Mira Furlan als Delenn, Andrea Thompson als Talia Winters, Stephen Furst als Vir Cotto, Bill Mumy als Lennier, Andreas Katsulas als G'Kar, Peter Jurasik als Londo Mollari
Gastdarsteller: Macaulay Bruton als Garibaldi's Gehilfe, Edward Conery als Deveraux, Ed Wasser als Morden
Denkwürdige Zitate:
„Keep this up G'kar, and soon you won't have a planet to protect!“
(Londo's Drohung an G'Kar zu Beginn der Episode wirkt angesichts der Macht der Schatten schon fast prophetisch.)
„But this is like being nibbled to death by… what are those earth creatures called, feathers, long bill, webbed feet, go "quack"?“
„Cats?;
„Cats! I'm being nibbled to death by cats.“
(Londo und Vir bringen noch einige Begriffe der menschlichen Sprache durcheinander.)
„There comes a time, Mr. Morden, when you look in the mirror and you realize that what you see… is all that you will ever be. You either accept it, kill yourself… or stop looking at mirrors.“
(Wieder einmal zeigt uns Londo seine tragische, vom Leben enttäuschte Seite.)
„Nothing's the same anymore.“
(Sinclair's Fazit am Ende der Episode, dem man sich als Zuschauer nur anschließen kann.)
Kurzinhalt:Es ist der 30. Dezember 2258: Einer von Garibaldi's Informanten bricht angeschossen vor ihm zusammen. Er schafft es gerade noch, ihn über ein in Kürze geplantes Attentat zu informieren – doch wann genau es stattfinden soll, und vor allem wer das Ziel ist, kann er nicht mehr mitteilen. Fieberhaft nimmt Garibaldi daraufhin die Untersuchung auf, und stößt schon bald auf eine große Verschwörung, die sich als eine Nummer zu groß für ihn herausstellen könnte. In der Zwischenzeit vertieft sich die Geschäftsbeziehung zwischen Londo und Mr. Morden, als letzterer dem Centauri vorschlägt, sich um das Narn-Problem im Quadrant 47 zu kümmern. Kurz darauf greifen drei mächtige Schiffe von Morden's verbündeten den Außenposten der Narn an und vernichten ihn und alle Schiffe und Schlachtkreuzer im Sektor. G'Kar ist klar, dass ein solcher Angriff die militärischen Möglichkeiten der Centauri übersteigt, und vermutet die Rückkehr eines alten, schrecklichen Feindes. Währenddessen verloben sich Commander Sinclair und Catherine Sakai, und Delenn trifft eine folgenschwere Entscheidung.
Synchro-Fehler:
Wie schon bei den beiden Folgen zuvor fand ich nicht viel zu bemängeln. Sinclairs Heiratsantrag war im Original noch unbeholfener ("Look, do you wanna marry me or not?“ statt "Wollen wir zwei nicht einfach heiraten?“); Londo sollte die Entscheidung im Rat nicht treffen, sondern die Entscheidung der Centauri-Regierung überbringen; und Kosh's Satz "And so it begins“ hätte korrekt übersetzt ("Und so beginnt es“) besser geklungen als "So fängt es also an“. Außerdem sagt er im englischen Original "Sie haben etwas vergessen“, nicht jemanden. Davon abgesehen aber eigentlich wieder recht gute Arbeit. Sogar das ganze technische Kauderwelsch rund um Transmitter, Frequenzen etc. hat man gut übersetzt!
Review:
"Chrysalis" führt zahlreiche Entwicklungen der ersten Staffel zu ihrem vorläufigen Abschluss. Vieles, was über den Verlauf der Staffel angedeutet und vorbereitet wurde, tritt hier noch einmal so richtig ins Zentrum: Sinclairs Beziehung zu Catherine, Londo's Wunsch nach einem wiedererstarkten Centauri Prime, Delenn's lang geplante Verwandlung, Sinclairs verlorene 24 Stunden, sowie die problematischen Verhältnisse auf der Erde. Die Fülle an verschiedenen Handlungen und dramatischen Entwicklungen, die JMS hier unterbringen musste, führt zu einem beachtlichen und in dieser Intensität bei Babylon 5 bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht da gewesenem Tempo. In "Chrysalis" befindet sich nicht mal eine einzige Sekunde Ballast, jeder einzelne Moment ist wichtig für die Handlung und/oder trägt etwas wertvolles zur Episode bei. Von der Spannung und Dramatik her mag sie sich mit späteren Folgen noch nicht ganz messen können, aber das war eindeutig schon mal ein sehr interessanter Richtmesser, wohin sich die Serie bewegen wird - und machte als solcher definitiv Lust auf mehr. Vor allem auch, da man sich am Ende des Eindrucks nicht erwehren kann, dass mit dieser Episode die B5-Welt auf den Kopf gestellt wurde.
Eine der bedeutendsten Entwicklungen in "Chrysalis" ist sicherlich die Vertiefung der Partnerschaft zwischen Londo und Mr. Morden, die die Wende im Konflikt zwischen den Narn und den Centauri einleitet. Von Machthunger geblendet, und vermutlich auch ein bisschen ungläubig angesichts von Mordens Versprechungen, denkt er gar nicht darüber nach was dieser damit meinen könnte, wenn er davon spricht sich um das Problem in Quadrant 47 zu kümmern. Am Ende gibt er sich zwar überrascht und schockiert, und man merkt ihm schon an dass ihn die Kaltblütigkeit, mit der seine neuen Verbündeten zugeschlagen haben durchaus zu denken gibt – dennoch wird einem auch klar, dass die Chance auf die Verwirklichung seiner Träume zu verlockend ist, als dass er seine Verbindung zu Mr. Morden lösen könnte, ehe sie so richtig begonnen hat. Am Ende bekommen wir zudem einen ersten flüchtigen Blick auf diese neue Bedrohung, als sich Mr. Morden in seinem Quartier mit zwei Schatten bespricht. Jedenfalls wurde die lang angedeutete und im Hintergrund schwelende Entwicklung von Londo vom witzigen Trunkenbold und Opfer hin zu einer deutlich düstereren und tragischeren Figur hier nun endgültig eingeleitet.
Gleiches gilt für G'Kar: Auch dieser beginnt in "Chrysalis" seine Wandlung, jedoch ist seine Entwicklung quasi ein Spiegelbild zu Londo, nämlich vom Aggressor und Bösewicht hin zu einer geläuterten Figur. Zu Beginn sehen wir noch ein gewohntes Bild: G'Kar, wie er im Rat die neuesten Angriffe der Narn rechtfertigt. Beim Gespräch mit Sinclair zeigt er sich zwar uneinsichtig, trotzdem meint man erkennen zu können, dass die Worte des Commanders zumindest ansatzweise zu ihm durchgedrungen sind – wenn er auch ihre Bedeutung und Tragweite erst später erkennt. Unbewusst hatte Sinclair mit seiner Einschätzung nämlich völlig recht: Chrysalis ist in vielerlei Hinsicht ein Scheideweg und ein Wendepunkt für die Serie – und das nicht nur aufgrund des anstehenden Wechsels im Kommandostab. Auch Delenn leitet in dieser Folge eine – zumindest optische – Veränderung ein, als sie sich in den Kokon begibt – mit Hilfe eines Geräts, dass sie praktisch die ganze Staffel über aufgebaut hat, ohne dass man dem Ding als Zuschauer große Aufmerksamkeit geschenkt hätte. Auch diese Entwicklung wurde also schon die gesamte Staffel lang vorbereitet; neben dem Gerät gab es auch in einigen anderen Episoden (z.B. "Der Seelenjäger" und "Krieger wider Willen") Anspielungen auf ihre Pläne.
Angesichts der Fülle an Handlungen und Ereignissen tritt der Commander in "Chrysalis" zwar eher in den Hintergrund, dennoch gibt es auch bei ihm eine wichtige Entwicklung: Seine Verlobung mit Catherine Sakai. Besonders gut gefällt mir an dieser Szene, wie unbeholfen Sinclair hier agiert; der sonst so clevere und souveräne Commander, der in der vergangenen Staffel zahlreiche Gefahren und Probleme erfolgreich überwunden hat, wirkt auf einmal unsicher und hilflos. Sehr nett auch das gemeinsame Abendessen mit Ivanova und Garibaldi – dass zugleich das letzte Mal sein sollte, dass diese 3 (bzw. 4) so gemütlich beieinandersitzen. Denn kurz darauf machte "Chrysalis" mit nicht einer, sondern gleich zwei schockierenden Wendungen in Garibaldi's Handlungsstrang noch einmal einen gehörigen Sprung, was Tempo und Dramatik betrifft. Der Anfang ist dabei noch relativ gewöhnlich und unauffällig: Ein sterbender Mann warnt Garibaldi vor einem bevorstehenden Attentat – so etwas hat man einfach schon unzählige Male in vielen verschiedenen Serien und Filmen gesehen. Und so geht man zu Beginn auch hier noch davon aus, dass diese Episode dem üblichen Schema folgt und es unseren Helden selbstverständlich gelingen wird, den Anschlag zu vereiteln. Bis Garibaldi völlig unerwartet von hinten getroffen wird und er zu Boden geht...
Als wäre das nicht schon schockierend genug, offenbart sich nur wenige Augenblicke später, wer auf ihn geschossen hat: Sein Gehilfe vom Sicherheitsdienst der Station. Auch hier ging "Babylon 5" für damalige Zeiten andere Wege: Wo sonst oftmals ein Verräter erst in der jeweiligen Folge aus dem Hut gezaubert wurde, war dieser Mann über die erste Staffel hinweg immer wieder zu sehen (wie z.B. in "Die Macht des Geistses" und "Gefangen im Cybernetz"). Die Tatsache, dass er von einem solch "bekannten" Gesicht verraten wird, stärkt die Wirkung dieser Wendung noch einmal enorm. Zugegeben, im Zeitalter von "24" und Konsorten ist dieser Twist (leider) längst nicht mehr so schockierend und wirkungsvoll wie Mitte der 90er, wo die Fernsehwelt noch vergleichsweise rosig und wohlbehütet war, und man es gewohnt war, dass die Helden einer Serie 1. überleben und 2. immer erfolgreich sind. Heutzutage ist man solche schockierenden Wendungen gewöhnt, doch anno dazumal war "Babylon 5" definitiv ein Vorreiter und eine (positive) Ausnahme, was dies betrifft.
Doch mit dem unerwarteten Angriff auf Garibaldi ist es noch lange nicht getan. Denn kurz darauf müssen wir auch noch mit ansehen, wie die Versuche unserer Helden, den Anschlag zu verhindern, scheitern, und das Schiff des Präsidenten explodiert. Zugegeben, hierzulande hat eine solche Szene sicherlich keine ähnlich große Wirkung wie in den USA, wo allen noch das Attentat auf JFK in "bester" Erinnerung ist. Auch leidet diese Wendung ein wenig darunter, dass der Präsident in der 1. Staffel von Babylon 5 zwar eine recht stete Präsenz war, die sich jedoch sehr stark im Hintergrund gehalten hat und in keiner einzigen Szene zu sehen war. Daher gab es nicht wirklich die Gelegenheit, eine Beziehung zu dieser Figur aufzubauen, und damit auch wirklich mitzufühlen. Trotzdem, vor allem für damalige Verhältnisse war dieser Twist, in dem es unseren Helden nicht gelingt, die Bedrohung aufzuhalten, schon eine kleine Revolution, und sicherlich auch ein gewisser Schock. Vor allem aber fühlt man auch mit den bekannten Figuren, wie Sinclair und Ivanova mit, die völlig geschockt mit ansehen müssen, wie das Raumschiff des Präsidenten explodiert. Zudem ist dieser Moment – wie auch schon der Angriff auf Garibaldi – von Janet Greek sehr gut in Szene gesetzt; und auch Christopher Franke's düster-melancholische Musik trägt viel zur Wirkung bei.
"Chrysalis" mag zahlreiche Entwicklungen aus der ersten Staffel vorläufig abschließen, am Ende bleiben einem als Zuschauer aber in erster Linie Fragen – bietet das Finale von Season 1 doch nicht einfach nur einen, sondern gleich mehrere Cliffhanger. Wird Garibaldi überleben? Was geschieht mit Delenn? Was wollte sie Sinclair mitteilen, bevor sie sich in den Kokon begeben hat, und warum gerade jetzt? Wie sieht Kosh wirklich aus? Was wird G'Kar finden? Wie wird es mit Londo und Morden weitergehen? Was genau beabsichtigen die Schatten, diese neue Macht im Universum, mit ihrer Unterstützung der Centauri? Wer steckt hinter dem Mordkomplott auf den Präsidenten? Und und und... Hier versteht es JMS wirklich, dem Zuschauer so richtig Lust auf die Fortsetzung zu machen – um so enttäuschter ist man dann, wenn die erste Folge der 2. Staffel praktisch all diese offenen Fragen nicht beantwortet, sondern man bis zur zweiten Episode vertröstet wird. Aber das ist eine andere Geschichte...
Fazit:
Meine Meinung zu "Chrysalis" lässt sich im Prinzip mit einem einzigen Satz zusammenfassen: "Große Dinge werfen ihre Schatten voraus." Einerseits ist die Episode definitiv ein Abschluss für die vorangegangene Staffel, in der viele verschiedene Handlungsstränge wieder aufgegriffen werden, gleichzeitig bereitet man aber auch die Bühne für Season 2, dank zahlreicher dramatischer Entwicklungen und offener Fragen, und dem Gefühl, dass die B5-Welt in dieser Folge auf den Kopf gestellt wurde. Was Tempo, Spannung und Dramatik betrifft, kann sich vermutlich keine andere Episode der 1. Staffel mit dieser messen – in praktisch allen Belangen wurde hier noch einmal eins draufgesetzt. Die größte Stärke sind aber die zahlreichen Wendungen, mit denen "Chrysalis" gespickt ist, dank denen es der Folge vor allem auch glänzend gelingt, als Appetitanreger für die kommenden Episoden zu dienen. Insgesamt betrachtet ein großartiger Abschluss für eine noch etwas durchwachsene erste Staffel.
Wertung: 5 von 5 Punkten
Christian Siegel
Produktionsnotizen:
Vom Skript zur Folge:
Wie gewohnt kaum etwas bemerkenswertes, lediglich ein kleiner Schnitt lohnt sich hervorzuheben: Ursprünglich hätte Garibaldi einen Fahrstuhl rufen und dann die Meldung bekommen sollen, dass dieser außer Betrieb ist. Als er zum nächsten Fahrstuhl gegangen ist, wurde er dann von Deveraux und seinen Männern gestellt. Sofern diese Szene überhaupt gedreht wurde, hat man sie wohl aus Zeitgründen gestrichen, da sie nichts wesentliches zur Handlung beiträgt.
„Quelle: „Babylon 5: The Scripts of J. Michael Straczynski - Volume 2”
Hintergründe zur Produktion der Episode:
Obwohl sie eigentlich die letzte Episode der ersten Staffel war, wurde "Chrysalis" bereits als 12. gedreht, damit man ausreichend Zeit für die aufwendige Nachbearbeitung hatte. Dies bedeutet u.a. auch, dass Ed Wasser (Mr. Morden) und Peter Jurasik (Londo Mollari) in ihren ersten gemeinsamen Szenen so tun mussten als würden sie sich schon kennen, obwohl ihr erstes Zusammentreffen in "Visionen des Schreckens" erst einige Wochen später gedreht wurde.
Zwar grundsätzlich von JMS als Finale der 1. Staffel gedacht, entschieden sich die Verantwortlichen von PTEN, diese Episode nicht im quotenschwachen August auszustrahlen, sondern bis in den Herbst zu warten. JMS war davon weniger begeistert, da die erste Staffel damit im amerikanischen Fernsehen mit einer eher schwachen Folge ("Die Heilerin") aufgehört hat, statt mit "Chrysalis" über die Pause hinweg die Erwartungshaltung der Zuschauer zu schüren. Zudem sorgte die Verschiebung dafür, dass die erste Folge der 2. Staffel unmittelbar auf "Chrysalis" folgte, und die offenen Fragen somit recht bald und ohne längere Unterbrechung aufgelöst wurden.
„Quellen:
„Babylon 5: The Scripts of J. Michael Straczynski - Volume 2”
„Babylon 5: Season by Season-Guides - Volume 1: Signs and Portents”
Der deutsche Lurker’s Guide für Babylon 5
Das sagen die Schauspieler:
Julie Caitlin Brown über die Szene, als Na'Toth G'Kar von der Zerstörung des Außenpostens erzählt: „Wir waren bei der ersten Klappe so emotional dass Regisseurin Janet Greek danach zu uns gesagt hat: "Ihr weint ja fast. Das könnt ihr nicht, das ist zu viel. Schaltet einen Gang zurück." Er (Anm.: Andreas Katsulas) nahm meine Hand während dieser ersten Klappe, und das hat mich so berührt. Er meinte danach "Du warst so voller Emotionen dass mein Instinkt mir gesagt hat deine Hand zu nehmen um dich zu trösten." Und als er meine Hand ergriff hatte ich Tränen in den Augen. Ihr könnt euch vorstellen wie das ausgesehen hat mit den großen roten Linsen. Und deshalb sagte sie (Anm.: Die Regisseurin): "Denk daran, dass diese tiefen Gefühle da sind, aber lasse sie nicht heraus."“
Ed Wasser über seinen ersten Tag als Mr. Morden: „Nach meinem ersten Drehtag ging ich zu JMS und sagte: "Was denkst du?", und er meinte: "Nun, es ist nicht was ich erwartet hatte. Ich denke du hast es übertrieben. Das bist nicht du. Ich wollte dich. Ich habe diese Rolle für dich geschrieben, deine Energie, deine Leichtigkeit, deine Gewandtheit". Ich fühlte mich richtig schlecht und verließ mit eingezogenem Schwanz sein Büro, und dachte einfach nur: "Ich hab's vermasselt." Doch Joe – und das sagt viel über ihn aus – rief mich am nächsten Tag an und sagte "Ich wollte nur dass du weißt... wir haben uns die Aufnahmen angesehen, und sie sind wirklich großartig. Das wird eine tolle Show – herzlichen Glückwunsch!"“
Quelle: „Babylon 5: Season by Season-Guides - Volume 1: Signs and Portents”
Kommentare von JMS
„Als wir die Episode drehten wussten wir noch nicht, ob wir auch eine zweite Staffel bekommen würden. Aber ich dachte mir, mit dieser speziellen Geschichte, wenn die Serie tatsächlich nicht verlängert wird, dann würde ein wütender Mob Warner Bos. stürmen, was zumindest eine kleine Genugtuung gewesen wäre...“
Quelle: „Babylon 5: Season by Season-Guides - Volume 1: Signs and Portents”
"Ich bin momentan in der merkwürdigen Situation, das Staffelende zu schreiben, das als Nummer 12 gedreht werden soll, da die Episode eine Menge an Nachbearbeitung braucht und das bringt einen schon in eine sehr seltsame emotionale Verfassung. Ich muß aufpassen, daß ich mich auf Dinge beziehe, die in den vorherigen Episoden geschehen sind, aber tatsächlich bisher weder geschrieben noch gedreht wurden. So schreibe ich zur Zeit teilweise die zweite Hälfte einiger Drehbücher, bevor ich mit der ersten anfange (obwohl ich natürlich genau weiß, wie alles seinen Lauf nimmt)... das macht einen nach einiger Zeit ziemlich wirr im Kopf.“
„Ich habe gerade gerade den Director's Cut von "Chrysalis", der letzten Episode in dieser Staffel gesehen... und ich glaube, sie hat gerade "Gefangen im Cybernetz" als die bedeutendste Episode der Staffel abgelöst. Obwohl ich wußte, was kommen wird, saß ich am Ende ganz benommen da. Die Tagesproduktion oder einzelne Teile zu sehen, bereiten einen nicht auf die Gesamtwirkung vor. Was ich am meisten daran mag sind zwei Dinge: Das eine ist, daß man ungefähr auf halbem Wege langsam begreift, daß jedem alles passieren kann, und daß die Regeln, die normalerweise für eine TV-Episode zutreffen, hier nicht mehr gelten. Das ist ein sehr beunruhigendes Gefühl. Zweitens: Man bekommst das sehr reale Gefühl, daß nach dem Ende der Episode nichts mehr so ist wie es einmal war.
Die Show hat eine sehr tiefgreifende und unwiderrufliche Veränderung durchgemacht, die anhaltende Auswirkungen auf unsere Charaktere haben wird. Von allen Episoden bis jetzt ähnelt diese hier am meisten einem Kapitelende in einem Roman. Die wirklich schwere Aufgabe ist jetzt, der Versuchung zu widerstehen, sie den Leuten vorher zu zeigen, weil es wirklich nicht vor dem Sendetermin rausgehen darf. Es gibt hier zuviele Drehungen, Wendungen und Enthüllungen, die ineinander übergehen. Noch etwas ist sicher: Nachdem man "Chrysalis" gesehen hast, wird man sich drei frühere Episoden nochmals ansehen wollen...weil etwas, daß man auf bestimmte Weise, ohne Frage, ohne Zögern als das, was es offensichtlich zu sein scheint, gesehen/interpretiert hat, auf einmal auf den Kopf gestellt wird und eine brandneue Interpretation auftauchen wird. Und die ist wirklich unheimlich.“
„Man wurde dazu gebracht, anzunehmen die Kristallkonstruktion in Delenns Quartier sei nicht mehr als ein Meditationsgegenstand. Im Allgemeinen hilft es, sich daran zu erinnern, daß ich Anton Tschechows erste Regel des Stückeschreibens beherzige: "Wenn es im ersten Akt, Szene Eins, ein Gewehr an der Wand gibt, dann muß dieses Gewehr im dritten Akt, Szene Zwei, abgefeuert werden. Wenn ein Gewehr im dritten Akt, Szene Zwei, abgefeuert wird, muß man es im ersten Akt, Szene Eins, an der Wand sehen."“
„Unser medizinischer Berater sagte mir, daß man, nachdem man die primäre externe Wunde versorgt hat, den Körper immer umdreht und von vorne nach inneren Verletzungen sucht. Man sagte mir drei Mal warum, aber ich habe es einfach nicht behalten. Ich denke mal, es betrifft den einfacheren Zugang ohne an der Wirbelsäule vorbeischneiden zu müssen und macht das Atmen weniger mühsam.“
Auf die beiden Kommentare "Achte auf deinen Rücken" und "Du hast nie gelernt, auf deinen Rücken zu achten." aus "Im Ring des Blutes" angesprochen:
„Yep, das war eine absichtliche Vorausschau auf "Chrysalis". Als die Episode gezeigt wurde, erwähnte ich, daß es hier etwas gibt, das später als ironisch oder ominös angesehen werden kann, aber auf den ersten Blick nicht so aussieht. Der eine oder andere hat es bemerkt aber die meisten taten es nicht. Diese Show ist sehr sehr sorgfältig aufgebaut. “
„Garibaldis Mitarbeiter war schon immer ein Agent. Ich plazierte ihn von Anfang an dort, speziell für diesen Zweck. Er war derjenige, der Sinclair bei "Gefangen im Cybernetz" aus seinem Quartier holte, die Verbindung, die Benson bei der Stange hielt und half, die Leiche loszuwerden. Wenn man seine Reaktion in "Gefangen im Cybernetz" beobachtet, war er derjenige, der Garibaldi Informationen brachte, um Benson loszuwerden und als Garibaldi es durchschaut, mit sehr besorgtem Gesicht geht. Ursprünglich sollte Laurel Takashima ihre Leute verraten, so wie dieser Charakter es tat. Als Laurel versetzt wurde, hatte ich die Wahl: diesen Handlungsstrang für ihre Nachfolgerin (Ivanova) aufzuheben oder jemand anderem diesen Teil zu geben.
Da ich ja weiß, wie die Leute hier im Netz und anderswo denken und weiß, daß sie von dem Laurel-ist-vielleicht-eine-Verräterin-Handlungsstrang wußten, dachte ich mir, daß jeder annehmen würde, daß Ivanova diesen Teil bekommen würde (und ich bin mir ziemlich sicher, eine Menge Leute taten dies auch). Das war eine wunderbar bequeme Täuschung hinter der ich den richtigen Verräter aufbauen konnte. Und bis jetzt hat es niemand kommen sehen. Er war die ganze Zeit da, gut sichtbar, wir setzten ihn viele Male ein und niemand schenkte ihm auch nur die geringste Beachtung. Das ist auf gewisse Weise der klassische Zaubertrick, der auf Irreführung beruht: Man bringt alle Leute dazu, auf seine Hand zu schauen, und deshalb sehen sie nicht den riesigen Elefanten, der gut sichtbar auf die Bühne gekarrt wird.“
„Von Zeit zu Zeit findet ein Desaster statt, das so atemberaubend dumm ist, daß es jegliche Logik oder Vernunft mißachtet. Ich habe heute Abend von so etwas erfahren und bin noch etwas benommen davon. Deswegen geht das an alle, die "Chrysalis" via Satellitennetz oder sie in den USA in den letzten Tage gesehen haben: Wenn wir eine Episode abliefern, geht sie zu zwei Stellen: Modern Video und CVC. CVC checkt die Episoden jeder Serie vor dem Aufspielen in die Netze, um sicher zu gehen, daß sie OK sind. Obwohl sie die Episode seit 4 Monaten hatten, prüften sie sie erst einen Tag vor dem Aufspielen. Während der Prüfung fanden sie einige kleine Tonstörungen, von der Art, die man in 5 Minuten in Ordnung bringen kann. Aber da es bereits abends war, entschied Modern Video, das für uns zu erledigen... indem sie die gesamte Episode neu bearbeiteten. Ohne uns anzurufen, benachrichtigen oder es mit uns abzuklären obwohl wir sicherlich jemanden kurzfristig zur Hand gehabt hätten,der es hätte beaufsichtigen können.
Als sie also die Episode neu bearbeiteten... verwendeten sie nicht überall das korrekte Filmmaterial. Einges von dem, was benutzt wurde, war unbearbeitetes Filmmaterial. Ein Beispiel: Als Londo in den Garten geht um jemanden zu treffen, sollte es eine tolle zusammengesetzte Szene werden mit dem Inneren des Gartens und einem Heckenlabyrinth (in Großbritannien sah man im letzten Monat diese Version). Aber bei der Neubearbeitung wurde das unbearbeitete Material benutzt und man sieht Londo und einen Teil des Labyrinths im Studio, wo man die Bühnenwand, die Rohre und ein EXIT-Schild sehen kann (-> klick). Keine Zusammensetzung wie geplant. Nichts.
Wir wissen bis jetzt noch nicht, was sie noch fälschlicherweise mit eingebaut haben, weil wir die Kopie erst morgen früh bekommen. Unnötig zu sagen, daß wir uns auf unsere Weise über Nacht darum gekümmert haben. Eine korrekte Version wird rechtzeitig via Satellit für die Erstausstrahlungen am Mittwoch und für Wiederholungen, wo sie bereits gezeigt wurde, aufgespielt werden. Momentan bin ich unnatürlich ruhig wegen all dem und mein Ärger vom früheren Abend hat sich in so etwas wie Zen-Erkenntnis verwandelt. Ich bin absolut nicht in der Lage, meinem Hirn zur Zeit auch nur 2 Minuten zu gönnen, sich mit diesem unendlichen Schwachsinn herumzuschlagen. Morgen früh wird all dies verschwunden sein. Ich freue mich unendlich darauf.“
Quelle: Der deutsche Lurker’s Guide für Babylon 5
„Das beste an "Chrysalis" ist, dass die Episode das Gefühl vermittelt, das irgendwas irgendwo ordentlich schiefgelaufen ist... und das jedem jederzeit etwas passieren kann. Es ist dieses mulmige Gefühl im Magen dass man vor dem ersten großen Fall hat wenn man mit einer Achterbahn fährt. Es beginnt in bekannten Gefilden, mit Diskussionen im Rat, und dann beginnen die Dinge sehr schnell sehr falsch zu laufen. Um diesen Eindruck zu verstärken habe ich im Drehbuch darauf hingewiesen, dass die Szene nach den Gesprächen im Rat mit einer Handkamera gedreht werden soll, statt mit einer Kamera die auf Schienen montiert ist. Es ist visuell aufrüttelnd wenn von einer fixierten Kameraposition zu einer Handkamera gewechselt wird.“
„Ich wollte das Gefühl von Desorientierung und Schock vermitteln, das nach dem Attentat auf JFK geherrscht hat, dieses fast greifbare Gefühl, dass mit diesem einzelnen Ereignis die Räder der Zukunft ins Stocken geraten sind. Daher haben wir konsequenterweise in jener Szene, in der Vizepräsident Clark den Eid ablegt, Photos von Vizepräsident Johnson, der nach dem Attentat auf JFK den Eid schwört, nachgestellt. Als wir die Szene drehten kam es zugleich zu einer weiteren der berühmt-berüchtigten Babylon 5 Synchronizitäten, jährte sich doch genau an diesem Tag Johnsons Machtübernahme nach dem Tod von JFK. Daher war es am Set ungewöhnlich ruhig und ernst, als wir diese Szene drehten.“
„Sowohl Londo als auch G'Kar treffen ihre Entscheidungen auf die selbe Art und Weise: Sie glauben, keine andere Wahl zu haben, und das zu tun, was sie tun müssen. So wie auch der Rest von uns sich manchmal sagt, dass wir keine andere Wahl haben, um uns selbst zu schützen und die Wahrheit zu verschleiern: In dem wir sagen, dass wir keine Wahl haben, haben wir sie bereits getroffen. Londo wird dies erst viel später verstehen, wenn er anmerkt dass er zu Beginn keine Macht, aber jedwede Entscheidungsfreiheit der Welt hatte... und am Ende hat er zwar alle Macht der Welt, aber keinerlei Entscheidungsfreiheit. Entwicklung. Schreiben, Schauspielern, Regie führen... alles dreht sich um Entwicklung. Um die Suche nach Macht, und ihren Preis. Um den Hunger nach Liebe, und das Risiko, dass mit ihr einhergeht. Um die Reise von hier nach da, und die Dinge, die wir auf dem Weg lernen. Denn genau das ist letztendlich der Traum: Dass wir lernen und wachsen während wir die Straße des Lebens entlanggehen. Damit Londo's Schicksal nicht eines Tages auch unseres wird...“
Quelle: „Babylon 5: The Scripts of J. Michael Straczynski - Volume 2”
Zusammengestellt von Christian Siegel
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