Kurzinhalt:
Die Enterprise wird dazu ausgewählt, eine Gruppe von Wissenschaftlern nach Memory Prime zu geleiten – jener in einem Asteroiden gebauten Basis, in der alle in den diversen Forschungsstationen sowie den Schiffen der Sternenflotte gesammelten Daten zusammenlaufen, und von den sogenannten Wegfindern ausgewertet werden. Nun jedoch warnen eben diese davor, dass unbekannte Mächte während der anstehenden Preisverleihung einen Anschlag auf das Datenzentrum planen könnten. Vorsorglich werden alle Offiziere vulkanischer Abstammung unter Arrest gestellt – auch, trotz der Proteste von Captain Kirk, sein Freund und erster Offizier Spock. Kurz nachdem es diesem gelungen ist, sein Quartier zu verlassen, kommt es an Bord der Enterprise zu einem Mord. Nun ist Spock natürlich der Hauptverdächtige, und wird in eine Arrestzelle gesteckt. Captain Kirk und seine Crew versuchen indes, seine Unschuld zu beweisen, und zudem die Hintergründe der Verschwörung aufzudecken, ehe die Verantwortlichen ihren Plan in die Tat umsetzen können…
Review:
"Das Zentralgehirn" war der erste "Star Trek"-Roman von Judith und Garfield Reeves-Stevens, die in den darauffolgenden Jahren noch zahlreiche weitere Abenteuer der TOS-Crew beisteuern und sich in weiterer Folge dann insbesondere als Ghostwriter der unter William Shatners Namen veröffentlichten Bücher etablieren sollten. Im Gegensatz zu vielen anderen der damaligen Autor:innen, die völlig unabhängige "Star Trek"-Geschichten geschrieben haben, legen sie hier eine lose Fortsetzung zur TOS-Episode "Strahlen greifen an" vor, in denen die Besatzung des Datenarchivs Memory Alpha von den Zetar angegriffen werden. Dafür lassen sie Mira Romaine zurückkehren, und greifen im Zuge dessen auch die in der Folge angedeutete Romanze zwischen ihr und Scotty wieder auf. Dieser Teil von "Das Zentralgehirn" hat mir am besten gefallen. Weniger gelungen fand ich alles rund um den inhaftierten Spock. Wie ihr wisst, bin ich kein großer Freund von Geschichten, in denen unsere Helden eines Verbrechens angeklagt werden, von dem wir von vornherein wissen, dass sie es nicht begangen haben. Und auch wenn hier zugegebenermaßen nicht eine Verhandlung und die parallel laufenden Ermittlungen im Mittelpunkt stehen, galt dies eingeschränkt auch für "Das Zentralgehirn". Kritisch sehe ich auch, dass Kirk vor allem zum Ende hin fast schon als unbesiegbarer Superheld dargestellt wird, der als Einziger dem mentalen Druck gewachsen ist. Den von ihnen hier erfundenen Begriff "Analogik" fand ich ebenfalls eher unglücklich gewählt. Als letzter Kritikpunkt sei noch angeführt, dass sich die beiden doch etwas zu viel Zeit bzw. Seiten nehmen, um die Geschichte zu erzählen. So beginnt "Das Zentralgehirn" eigentlich recht schwungvoll und interessant, doch spätestens mit der Ankunft der Enterprise bei Memory Prime geht der Story ein bisschen die Luft aus. Den Rest hätte man nicht einfach nur knapper erzählen können, sondern wohl auch sollen, denn so schlichen sich dann doch einige Längen ein.
Insgesamt ist "Das Zentralgehirn" aber ein durchaus solider Auftakt. Mir gefiel die Auflösung rund um den wahren Täter und seinen Plan ebenso, wie einzelne Ideen, wie z.B. rund um die Wegfinder-KIs. Die Figuren sind allesamt gut getroffen, zudem gelingt es ihnen recht gut, die meisten von ihnen sinnvoll in die Story einzubauen (auch wenn der Schwerpunkt recht eindeutig auf Kirk, und – etwas dahinter – Spock liegt). Den hier gelieferten Hintergrundinformationen zur Geschichte von Vulcan (sowie der Herkunft von Zefram Cochrane) mag der Kanon in weiterer Folge widersprochen haben, dies ist ihnen allerdings nicht vorzuwerfen (nur die Differenzen zur Darstellung der vulkanischen Geschichte in Diane Duanes "Spocks Welt" ist kritisch zu betrachten, das dies halt leider auch deutlich macht, dass die ganzen "Star Trek"-Romane leider keine gemeinsame, in sich stimmige Kontinuität bilden). In jedem Fall finde ich es aber grundsätzlich immer positiv, wenn Autor:innen nicht einfach "nur" ein weiteres Abenteuer erzählen, sondern versuchen, die Lücken mit von ihnen erdachten Hintergründen zu füllen – so wie es hier eben im Hinblick auf die Spaltung des vulkanischen Volkes in Vulkaniern und Romulanern der Fall ist. Die größte Stärke von "Das Zentralgehirn" ist und bleibt aber, wie eingangs erwähnt, dass man hier – was zu TOS-Zeiten eigentlich nur bei den zwei Mudd-Folgen der Fall war – eine direkte Fortsetzung zu einer früheren Episode präsentiert. Mehr über das Memory-Netzwerk zu erfahren, und Mira Romaine wieder zu treffen, war zweifellos sehr cool. Trotzdem merkt man ihnen an, dass dies ihr erster "Star Trek"-Roman – und genau genommen sogar ihr erster überhaupt gemeinsam veröffentlichtes Buch (Garfield hatte davor bereits drei eigene Romane veröffentlicht) – war. Ein vielversprechender Auftakt – da und dort aber noch ein bisschen unausgereift. Meiner Erinnerung nach sollten sie mit "Die erste Direktive" und "Föderation" (ehe sie dann fürs "Shatnerverse" rekrutiert wurden) im Vergleich zu "Das Zentralgehirn" dann nochmal deutlich eins draufsetzen.
Fazit:
"Das Zentralgehirn" ist ein solider "Star Trek"-Auftakt des Autoren-Paares Judith & Garfield Reeves-Stevens. Mit der Art und Weise, wie sie einerseits in der Serie etablierte Aspekte (hier in erster Linie aus der Folge "Strahlen greifen an", zu der sie ein loses Sequel präsentieren) aufgreifen, und andererseits von ihnen ersonnene Hintergrundinformationen (wie z.B. rund um die Spaltung zwischen Vulkaniern und Romulanern) vermitteln, zeigen sich auch schon wesentliche Stärken, die auch ihre späteren Romane auszeichnen sollten. Auch die Figuren und ihre Dynamik untereinander sind gut getroffen. Ganz ausgereift wirkt ihre Formel hier aber insofern noch nicht, als die Story und mehr noch die teilweise etwas zerfahrene und auch zu ausgedehnte Erzählweise auf den Unterhaltungswert drücken. Davon abgesehen kann man "Das Zentralgehirn" allen Fans der klassischen "Star Trek"-Serie aber durchaus empfehlen.
Bewertung: 3/5 Punkten
Christian Siegel
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